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Kapernaum

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Als ich 18 Jahre alt geworden war – Jakobus war inzwischen auch in den Berufsstand des Téktons eingetreten – fasste ich schließlich den Entschluss meine Familie zu verlassen.

Von einigen Wanderarbeitern hatte ich gehört, dass in Kapernaum am See Genezareth ein guter Tékton immer gern gesehen sei.

Also entschloss ich mich für eine Weile dort hin zu ziehen. Selbstverständlich würde ich auch weiterhin finanziell für meine Familie sorgen, doch in Nazareth leben konnte und wollte ich nicht länger und auch meine Familie war mir kein Halt mehr.

So waren wahrscheinlich letztlich alle Beteiligten erleichtert als ich meine Habseligkeiten gepackt hatte und aufbruchbereit vor unserem Haus stand.

Mutter segnete mich, doch ich glaube auch sie bedauerte es nicht, dass ich nun fort ging.

Wahrscheinlich hoffte sie, dass nun endlich Ruhe in ihr Leben einkehren würde.

Meiner Unterstützung der Familie hatte sie sich versichert, denn ich versprach ihr jeden Monat Geld nach Hause zu schicken oder selber zu bringen.

*

Kapernaum am See Genezareth war also nun mein Ziel.

Ich hatte keine Eile und nahm mir zwei Tage Zeit für diese Reise.

Ich war froh der Enge unseres Dorfes zu entfliehen und freute mich darauf wieder am Wasser zu leben.

Damals, in Alexandria, hatte ich im Hafen oft gemeinsam mit Vater von der weiten Welt geträumt.

Dann hatten Vater und ich in Gedanken die Schiffe bestiegen und gemeinsam die Welt erobert.

Nun würde ich an einem See leben und mir eine neue Welt erobern, ohne den Schutz und die Geborgenheit der Familie.

Aber ehrlicherweise muss ich mir eingestehen, dass ich diese Geborgenheit in der Familie schon seit einiger Zeit vermisste.

Auch wenn ich seit meinem 12ten Lebensjahr der Ernährer unserer Familie gewesen war, stand ich doch erst jetzt – mit 18 Jahren – alleine da.

Nun war ich auf mich selbst angewiesen; doch meine Bereitschaft, mich alleine durchzuschlagen, war groß.

Dem Vorschlag meiner Mutter, entfernte Verwandte in Kapernaum zu benachrichtigen und sie um eine Unterkunft zu bitten, lehnte ich ab.

Ich wollte es alleine schaffen, mir beweisen dass ich fähig war alleine klar zu kommen.

In all den Jahren in Kapernaum habe ich jedoch nie ganz das Gefühl ablegen können, dass Mutter ihre dort lebenden Verwandten doch informiert hatte ein Auge auf mich zu werfen.

*

Kapernaum war nicht Alexandria und der See Genezareth nicht das Mittelmeer, doch ich fühlte mich dort frei. Die Enge unseres Dorfes lag hinter mir. Ich war jung, dynamisch und voller Tatendrang.

10 Jahre sollte ich in Kapernaum leben und arbeiten und die wunderschöne Landschaft am See erkunden ehe ich wieder auf Wanderschaft und auf die Suche nach Gott gehen sollte. Die Landschaft ließ mich niemals wieder los. Dort habe ich meine schönste und wichtigste Lebenszeit verbracht, dort lebten meine ersten Jünger, dort sollte meine Popularität am größten sein. Dort befand sich später das Zentrum meiner religiösen Tätigkeit.

Aber bis dahin waren es noch einige Jahre in denen ich still und unscheinbar mein Leben lebte.

Am Schabbat besuchte ich regelmäßig die Synagoge.

Ich setzte mich mit den Schriften auseinander, studierte die Propheten. Ich betete und meditierte und ich genoss es in der körperlichen Arbeit des Tages die Bestätigung zu finden ein sinnvolles Mitglied der Gemeinschaft zu sein. Auch dies war damals in Nazareth in Frage gestellt gewesen.

Dort war der Sinn meines Lebens in Frage gestellt worden, solange ich nicht bereit gewesen war mich ein- und unterzuordnen unter die Regeln der Dorfgemeinschaft.

Hier in Kapernaum war ich frei von solchen Zwängen und Einengungen.

Ich blühte auf und das sowohl körperlich als auch geistig.

Mir erschloss sich die Welt neu.

Irgendwann in dieser Zeit war es dann soweit, dass ich ohne schlechtes Gewissen feststellen konnte dass meine Familie mich nicht mehr brauchte.

Meine Geschwister waren fast alle verheiratet, hatten selber schon eigene Kinder und Mutter lebte bei Jakobus und seiner Familie.

Nun konnte ich verwirklichen, was ich im Stillen schon lange geplant hatte.

Ich kündigte meine Arbeitsstelle und begann zu wandern.

Nach 16 Jahren im Land der Väter, der Stämme Israels, machte ich mich auf den Weg dieses Land zu erkunden und zu erleben.

Es sollte eine Wanderung zu den Wurzeln unseres Volkes und unserer Religion werden, doch es wurde eine Wanderung zu mir selbst.

Und meine Erkenntnisse drängten mich dann dazu die Stimme zu erheben und die frohe Botschaft zu verkündigen: „Gott ist nah, sein Kommen steht kurz bevor“.

Nachrichten aus dem Exil

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