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1.1 Was ist ,Geschichte‘?

1.1.1 Begriffsbestimmung

In einem fachbezogenen Sinne kann der Begriff ,Geschichte‘ im Deutschen zum Ersten die Gesamtheit des vergangenen Geschehens, zum Zweiten die Darstellung des Geschehenen, drittens aber die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Vergangenheit bezeichnen. Das vergangene Geschehen ist allumfassend, unumkehrbar und stets zunehmend: Was kurz Gegenwart ist, zählt schon im nächsten Moment zur Vergangenheit. Angesichts der schier überwältigenden Menge von globalen, regionalen, lokalen und individuellen Ereignissen im selben Moment, von Sprache und Handlungen, Bildern und Gedanken, kann sich die Darstellung des Vergangenen zwangsläufig immer nur auf einen sehr kleinen Ausschnitt beschränken. Die Auswahl wird so zum unterscheidenden Kriterium von der ersten zur zweiten Bedeutungsebene. Abhängig ist diese Auswahl vom Erkenntnisinteresse des sich der Geschichte zuwendenden Forschenden, doch ebenso von den Quellen, die als Informationsträger über diese Vergangenheit zur Verfügung stehen. Das Unterscheidungsmerkmal zwischen der zweiten und der dritten Bedeutungsebene ist schließlich die METHODEMethode. Es ist vor allem dies, was ein Studium des Fachs Geschichte an der Universität vermitteln soll: die überprüfbare, festgelegten Regeln und Standards folgende kritische Herangehensweise zur Wiedergewinnung bestimmter Aspekte des vergangenen Geschehens (Was dieses für eine historische Untersuchung bedeutet, wird eingehender in → Kap.3.1 entwickelt).

In Abgrenzung zur Naturgeschichte konzentriert sich das Fach Geschichte auf all das, was sich auf den Menschen bezieht. Die Entwicklung des Weltalls oder der Erdformationen, Veränderungen des Klimas oder die Evolution von Pflanzen- und Tierwelt sind nicht ihr Thema. Wenn solche Umwelt- oder Klimaentwicklungen aber den Menschen betreffen, von ihm verursacht wurden oder reflektiert werden, so sind sie selbstverständlich Bestandteil des Fachs Geschichte.

1.1.2 Periodisierungen

Die Alte Geschichte ist innerhalb des Fachs Geschichte ein Teilbereich, der sich mit einer definierten Epoche beschäftigt. Deren Abgrenzung innerhalb eines Kontinuums von Ereignissen ist ebenfalls ein Teil des historischen Geschehens. Sie lässt sich bis Francesco PetrarcaPetrarca, Francesco (1304–1374) zurückverfolgen und hat ihre Grundlagen in der RENAISSANCERenaissance und ihrer nordeuropäischen Variante, dem HUMANISMUSHumanismus. Damals kam bei den europäischen Gelehrten eine intensive Zuwendung zur Antike auf, die man als dem eigenen Lebensgefühl und der eigenen Gegenwart sehr nahe empfand. Zwischen dem Ende der Antike und eigener Gegenwart schien hingegen eine sehr fremde Zeit zu stehen, für die man bald die Bezeichnung media aetas oder medium aevium (= MittelalterMittelalter) nutzte. Die damit vorgenommene PeriodisierungPeriodisierung half, ein ,düsteres‘ Mittelalter aus dem Geschehensablauf zu isolieren. Spätestens im 17.Jahrhundert hatte sich die Differenzierung von Altertum – Mittelalter – NeuzeitNeuzeit gefestigt.

Abb. 1

Periodenschema der Alten Geschichte

Obwohl es sich also letztlich um eine Idee, nicht um eine Tatsache handelt, hat sich diese Dreiteilung bis heute durchgesetzt. An den meisten Universitäten liegt sie den Studienplänen zugrunde. Innerhalb des Schemas entwickelten sich Binnendifferenzierungen wie Früh-, Hoch- und Spätmittelalter; die ‚NeuzeitNeuzeit‘ wurde mit fortlaufenden Unterteilungen in eine Frühe Neuzeit, in Neuere und Neueste Geschichte bzw. Zeitgeschichte ausdifferenziert und fortgeschrieben. In der Alten Geschichte sind die grundlegenden Unterteilungen die ‚Griechische‘, die ‚Hellenistische‘ und die ‚Römische Periode‘. Aus der Kunstgeschichte entlehnt sind für die Griechische Geschichte die weitere Unterteilung in eine ARCHAISCHE und eine KLASSISCHE Zeit. Die Binnenperiodisierung der Römischen Geschichte orientiert sich hingegen am Verfassungswandel und unterscheidet die Jahrhunderte der ‚Römischen Republik‘ von der ‚Kaiserzeit‘. Mit dem Begriff ‚SpätantikeSpätantike‘ wird dann die Zeit ab dem Ende des 3. Jahrhunderts noch einmal separat angesprochen. Die Epocheneinteilung hilft bei der gegenseitigen Verständigung und zieht sich als Orientierungsrahmen durch die gesamte Fachliteratur.

Außerhalb des Dreierschemas, als noch vor der Antike liegender Teil jener auf den Menschen Bezug nehmenden Geschichte, steht die PrähistoriePrähistorie: Da die Wiederentdeckung der Geschichte des Altertums vor allem durch das Medium der klassischen Texte erfolgte, wurde die Zeit ohne eigene schriftliche Überlieferung konsequent zur ‚Vorgeschichte‘ (→ Kap. 2.1.3).

Die Einteilung der Epochen legitimiert sich durch politisch-kulturelle Gemeinsamkeiten in ihnen, sie ist aber auch von den jeweils zur Verfügung stehenden Quellengruppen und den je spezifischen Voraussetzungen und Methoden zu ihrer Auswertung bestimmt. Nur exemplarisch sei auf sprachliche Voraussetzungen, die unterschiedliche Beschaffenheit und Relevanz der materiellen Quellen oder auf kultur- und zeitgebundene Bildtraditionen verwiesen. Die Ausbildung von Spezialisten für die Erforschung der Alten, Mittelalterlichen und Neueren Geschichte ist grundlegend akzeptiert und in gewissem Rahmen von der Sache geboten. Die Kehrseite einer solchen Konzentration auf einen bestimmten Zeitabschnitt ist allerdings, dass epochenübergreifende Kontinuitäten weniger leicht in den Blick fallen. Gleiches gilt im Hinblick auf die bevorzugte Beschäftigung mit der Geschichte eines bestimmten Raumes, etwa des OKZIDENTS oder des ORIENTS, bzw. eines hauptsächlichen Studiums der Geschichte der alten oder der neuen Welt: Gegen alle arbeitsökonomisch sinnvollen Differenzierungen ist jeder aufgefordert, seinen Themenkreis immer wieder in die übergreifenden Zusammenhänge zurückzuführen und ihn inhaltlich und methodisch als Teil der einen Geschichte zu bewahren.

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