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Der römische Colluvies: Nordischer Stamm und allochthone Schichten

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Der zweite Teil des Buchs von Hans Günther, der sich mit der Rassengeschichte des römischen Volks befasst, ist nach dem gleichen Muster wie die Ausführungen zu den Griechen gestaltet.

Auch die Römer sind „von nordischer Rassenherkunft“77. Unter Berufung auf Sprachwissenschaftler behauptet Günther: „Insbesondere stehen der italische und der germanische Sprachstamm einander nahe.“78 Die nordischen Italiker kommen ihm zufolge aus dem mittleren und oberen Donau-Raum,79 was sie freilich noch nicht zu reinen Menschen des Nordens macht. Doch auch wenn alles Große, das in Rom geschaffen wurde, offenkundig dem dominanten nordischen Charakter der römischen Patrizier zuzuschreiben ist, „so darf man sich doch die Patrizier […] nicht etwa noch als rein nordisch vorstellen“. Sie haben nämlich mit einiger Wahrscheinlichkeit „auf ihrem Einwanderungswege über die Ostalpen schon geringe ostische Einschläge auf-genommen“80. Günther kennt also Nuancen und Vorbehalte, was Natur und Rassen-charakteristika der alten Römer angeht. Dies gilt auch für seine Leser und Epigonen unter den Rassenkundlern der Zeit.

So fällt etwa Ludwig Schemann, seines Zeichens Doktor in römischer Geschichte und Professor für Rassenanthropologie an der Universität Freiburg sowie Übersetzer und Biograph von Gobineau, ein strenges Urteil über die Rassenmischung im frühen Rom. Sie sei schuld daran, dass Rom sich nicht die Reinheit des dorischen Sparta bewahrt habe.

Schemann definiert das Rom der Ursprungszeit als „colluvies“, als „Gemisch und Gewirr, das Zusammenströmen von Menschenmassen, und nicht eben erlesenster Art“81. Er zitiert dabei Quintus Cicero, den Anwalt und Bruder des berühmten Ver fassers von Übersetzungstexten aus dem Lateinischen: „Roma civitas ex nationum conventu constituta“82 – ein von Anfang an vielfarbiges Gemeinwesen, „eine durchaus künstliche Schöpfung“83, die sich also im Unterschied, ja Gegensatz zur nordischen Reinheit der Griechen durch seine „Buntscheckigkeit“84 unterscheidet, eine Charakterisierung, die die italienischen Rassenkundler freilich ab 1938 energisch zurückweisen sollten.85

Diese Buntheit hinderte das nordische Element freilich nicht daran, sich zu behaupten – es war ja der einzige Garant für die Größe Roms und dann des Römischen Reichs:

„Wie denn überhaupt die geschichtliche Größe der Römer mit ihrem nordischen Grundstamm unzertrennlich verwachsen ist […] Die markantesten wie die entscheidendsten Gestalten der römischen Geschichte verraten diesen ihren Ursprung mit aller Deutlichkeit. Die Gründer Roms erinnern selbst durch allen Sagennebel noch an Nordlandssippen ursprünglichster Art.“86

Darauf folgt eine blond-blauäugige Ahnengalerie: „Cato, ein Rotkopf, bläulich von Augen (Plutarch)“, „Sulla war goldblond und blau“, Cäsar, „ein wenig vermischter Nordländer“ und: „Auch in der Kaiserzeit sind die wahrhaft schöpferischen Kaiser nordischen Geblütes gewesen.“87

Günthers These vom nordischen Ursprung und Charakter der Griechen und Römer wurde von zahlreichen Veröffentlichungen übernommen und wiederholt. Sie alle predigten beflissen das Rasse-Evangelium in seiner Populärversion. So auch Otto Reche, der 1936 bei J. F. Lehmann ein Werk mit dem Titel Rasse und Heimat der Indogermanen vorlegte88. Er übernahm schlicht und einfach die Thesen Günthers ohne eigene Zutat. Ähnliches gilt für zwei Kapitel eines Sammelbandes von 1937, der unter dem Titel Europas Geschichte als Rassenschicksal. Vom Wesen und Wirken der Rassen im europäischen Schicksalsraum erschien. Hier werden die Ausführungen Günthers undiskutiert und distanzlos reproduziert.89

Vereinzelt finden sich in diesen Texten elementare Ansätze zu einer Diskussion der ihnen zugrundeliegenden Thesen. Diese betreffen vor allem kleinere Nuancen hinsichtlich der genauen geographischen Herkunft der Hellenen. Im Gegensatz zu Günther, der den Norden Deutschlands und Süd-Skandinavien als deren Urheimat betrachtete, vertrat der Althistoriker Fritz Taeger seinerseits die Donau-Hypothese90. Der Konsens hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zum Indogermanentum bleibt davon freilich unberührt.

Der Nationalsozialismus und die Antike

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