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Athen, Rom, Berlin:
Die Translatio studiorum et imperii aus Sicht der NSDAP

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Die Behauptung, Griechen und Römer gehörten zu den nordischen Völkern, wurde auch von den Führungszirkeln der Partei nachdrücklich und mit großer Überzeugung vertreten. Man könnte das für eine Frage halten, die nur spezielle und mehr oder weniger obskure Kreise interessierte, tatsächlich aber nahm sich die politische Ebene ihrer mit großem Nachdruck an. Doch woher rührt dieser Diskurs der obersten Partei- und Staatsinstanzen zu Fragen, die auf den ersten Blick Gegenstand bloßer Gelehrsamkeit zu sein scheinen?

Es erscheint verwunderlich, welche Publizität man ihnen verlieh; verwunderlich auch, dass Rosenberg und auch Hitler höchstpersönlich sich öffentlich wie privat über die nordische Natur der Griechen und Römer ausließen.

Für Rosenberg ist der Instinkt, der uns alles Griechische als germanisch erkennen und alles von Syrien und Babylon Geprägte ablehnen lässt, Beweis genug dafür, dass die Griechen des Altertums und die Deutschen der Gegenwart ein- und derselben Rassensubstanz angehören:

„Das Bewußtsein europäischer Ursprünge und das Erkennen des alten und doch neuen Sinns der Weltgeschichte hat uns jene innere Auslese ermöglicht, die heute innerlich sicher und selbstbewußt vieles, was auf uns aus Syrien und Babylon gekommen ist, als fremd empfindet, und als fremd auszuscheiden begonnen hat und für immer als fremd bezeichnen wird. Zugleich hat das Erkennen der großen Verehrung der griechischen Antike in der deutschen Geschichte uns gezeigt, wie der Instinkt trotz anderer Lehren nie eingeschlafen war, so daß wir die Liebe zu all dem, was etwa mit dem Namen Parthenon verknüpft ist, heute als eine Äußerung dieser Seelen- und Leibesverwandschaft erkennen.“91

Rom wird darüber nicht vergessen: „Altrömisch ist aber wesensgleich mit nordisch“,92 meint Rosenberg. Die germanisch-nordische Rasse hat sich nicht damit begnügt, Kulturen zu schaffen, sie hat sie auch phasenweise immer wieder regeneriert. So wurde Griechenland in regelmäßigen Abständen durch den Zustrom neuen nordischen Bluts neu gestärkt, das wiederholten Immigrationswellen zu verdanken ist, die zugleich Verstärkung im Kampf gegen Kleinasien bedeuteten. Einige Autoren versuchten sich sogar an einer Chronologie dieser Wanderungsbewegungen:

„Die sich durch Kampf verringernden nordischen Kräfte wurden durch neue Einwanderungen gestärkt. Die Dorer, dann die Mazedonier schützten das schöpferische blonde Blut.“93

Griechenland bedeutete für Rosenberg den Höhepunkt rassischer und kultureller Vortrefflichkeit des Nordens:

„Am schönsten geträumt wurde der Traum des nordischen Menschentums in Hellas. Welle auf Welle kommt aus dem Donautal und überlagert neuschöpferisch Urbevölkerung, frühere arische und unarische Einwanderer. Bereits die altmykenische Kultur der Achäer ist überwiegend nordisch bestimmt.“94

Auch Rom wurde durch den Zustrom neuen Bluts aus Germanien regeneriert. Rosenberg beschreibt die germanischen Eroberer als Ferment, das das arische Rom der Ursprünge habe wiedererstehen lassen. Sie sind das neue Blut, das das nordische Element stärkt, das sich in Rom aufgrund einer sträflichen Toleranz gegenüber allem Fremden abgeschwächt hatte:

„Als später Germanen sich dazu hergaben, den schwachen, verkommenen, von unreinen Bastarden umgebenen Kaisern ihre Dienste zu widmen, da lebte in ihnen derselbe Geist der Ehre und Treue wie im alten Römer.“95

Diese germanische Welle, die das Römische Reich überschwemmen sollte, ist für Rosenberg so etwas wie eine Neugründung Roms. Im Jahr 753 vor unserer Zeitrechnung bereits war die Gründung der Stadt den aus dem Norden eingewanderten Germanen zu verdanken. Die germanischen Soldaten, die nun beginnen, das Reich zu bevölkern und legionenweise Hilfstruppen zu liefern, werden zu Stützen des Reichs und dessen Macht:

„Ein Feldzug nach dem andern zeigt krieggewohnte römische Taktik vergebens gegen urwüchsige Kraft am Werke. Blonde riesige ‚Sklaven‘ treten in Rom auf, das germanische Schönheitsideal wird Mode im verfallenden ideallosen Volkstum. Auch freie Germanen sind in Rom keine Seltenheit mehr, germanische Soldatentreue wird nach und nach die stärkste Stütze des Cäsars. […] Zu Konstantins Zeiten ist fast das ganze Römerheer germanisch.“96

Diese germanische Präsenz versöhnt nach einer langen Phase rassischen Verfalls das Gemeinwesen mit seinen nordischen Ursprüngen:

„Durch Eheverbote und arianischen Glauben von den „Eingeborenen“ geschieden, übernahmen Goten (später Langobarden) die gleiche charakterbildende Rolle, wie die erste nordische Welle, die einst das alte republikanische Rom erbaute.“97

Die deutsche Geschichtsschreibung hat sich immer schwer damit getan, das, was die Franzosen als „invasions barbares“ bezeichnen, als Invasion eben von Barbaren zu behandeln, von Totengräbern des Römischen Reichs. Bezeichnenderweise sprechen die deutschen Historiker nicht wie ihre französischen Kollegen von „großen Invasionen“, sondern von „Völkerwanderungen“. Der Terminus Invasion beinhaltet eine feindselige Note. Man sieht sie förmlich vor sich: zerzauste Barbaren, in Tierfelle gehüllt, die Rom in Schutt und Asche legen, seine Matronen vergewaltigen, die Tempel plündern und so der Nachwelt eine Fülle von Motiven liefern, die den Malern von überladenen Historienfresken die denkbar besten Vorlagen liefern. Die deutsche Geschichtsschreibung insistiert ihrerseits auf dem fortschreitenden und kontinuierlichen Charakter der langsamen Migrationsbewegungen der Germanen. Ihr zufolge haben die Völker des Nordens sich dem Reich in Gestalt von foedera angeschlossen, sie haben sich Schritt für Schritt in ihm niedergelassen. Die Nationalsozialisten betrieben diese Rehabilitation der Germanen bis zu ihrer letzten Konsequenz: Diese waren keineswegs die Zerstörer des Reichs, sie waren vielmehr das Ferment seiner biologischen Regeneration. Als deren Folge hat das Reich sich dann natürlicherweise von Rom in Richtung Norden verlagert, erst mit Karl dem Großen, dann mit Otto. Diese rassische Regeneration des Reichs reichte freilich nicht aus: Rom unterlag wie Griechenland dem Ansturm feindlicher Rassen, wie wir später sehen werden.98


SS-Mann und römischer Staatsmann

Die Neuformulierung des arischen Mythos durch die Nationalsozialisten behauptet also eine Identität in der Substanz von Griechen, Römern und Germanen. Alle drei waren danach Zweige einer gemeinsamen Ur-Rasse, der nordischen Rasse. Der germanische Zweig blieb der Erde seiner Vorfahren treu und hütete den Boden des Vaterlandes. Somit besteht gewissermaßen eine Kindschaftsbeziehung zwischen Germanen-, Griechen- und Römertum. Das nordische Germanentum hat das Griechen- und Römertum hervorgebracht; diese beiden haben wiederum das Germanentum befruchtet. Diesem Denken war mittlerweile Evidenzcharakter zugewachsen. So konnte Hitler in seinen Tischgesprächen erklären: „Wenn man uns nach unseren Vorfahren fragt, müssen wir immer auf die Griechen hinweisen.“99

Der Nationalsozialismus und die Antike

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