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Indogermanentum und Universität

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Soweit sich das allein aufgrund der Vorlesungsbezeichnungen beurteilen lässt, ist der Hochschulunterricht in den Disziplinen Geschichte und Philosophie in Deutschland durch den Regimewechsel von 1933 nicht übermäßig beeinflusst worden. Die Universitäten wurden freilich durch die Arisierung des Personals infolge des Gesetzes vom 7. April 1933 zutiefst betroffen und verändert. Auch die Einführung des Wehrsports als Pflichtfach zeugt vom Geist der Zeit. Gleichwohl sind keine frappierenden weltanschaulichen Ausrichtungen unter den Geschichts- und Philosophie-Vorlesungen auszumachen; die indogermanische These scheint sich deutlicher mit Hilfe der Sprachwissenschaften durchgesetzt zu haben. Die Lehre im Fach Geschichte bewegte sich offenbar weiterhin in relativ klassischen Bahnen, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass der tatsächliche Inhalt der Vorlesungen stärker weltanschaulich befrachtet war als es die Titel in den Vorlesungsverzeichnissen erkennen lassen. In Jena und Heidelberg wiesen diese jedenfalls keine nennenswerten Änderungen auf. In Heidelberg wurde bereits im Sommersemester 1933 eine Vorlesung mit dem Titel „Völker, Sprachen, Rassen der alten Welt als Grundlage ihrer neueren Geschichtsentwicklung, mit Lichtbildern“ angeboten. Diese einstündige Veranstaltung wurde von Friedrich Bilabel (1888–1948) angeboten, einem Papyrologen und Epigraphisten mit den Spezialgebieten Griechische Philologie und Geschichte. In Jena, also an der Universität Hans Günthers, konnten die Studierenden des Historischen Seminars an Vorlesungen zu den Themen „Orient und Okzident“ sowie „Arier und Semiten“ in der Antike teilnehmen. Auch eine Ringvorlesung zur „Geschichte der nordisch-indo germanischen Völker des Altertums“ wurde ihnen angeboten. Dieser Zyklus umfasste germanische, griechische und römische Geschichte.

Die philosophischen Seminare boten Vorlesungen an, die dem Titel nach den Unterricht der Zeit vor 1933 fortführten. An den Universitäten Prag und Wien gab es zwar Vorlesungen wie „Einführung in die Weltanschauung des Nationalsozialismus“ und „Nationalsozialistische Pädagogik“ im Rahmen des philosophischen Propädeutikums, doch blieben das vereinzelte Beispiele. Eine Durchsicht der Veranstaltungen in griechischer Philosophie, über Platon oder den römischen Stoizismus lässt nichts sonderlich Ungewöhnliches erkennen.

Wenn Geschichte und Philosophie auch vorerst „sauber“ blieben, ist nicht zu verkennen, dass die sprachwissenschaftlichen Seminare gerne eine bunte Mischung, bestehend aus Latein, Griechisch und Althochdeutsch, unter der Gattungsbezeichnung „indogermanische Sprachen“ zusammenfassten. Ein freilich späteres Beispiel dafür ist das unmittelbare Nebeneinander einer Vorlesung zur historischen Grammatik des Deutschen, einer Einführung in die historische Grammatik des Lateinischen, Übungen zu germanischen Runeninschriften und eines Kurses in Sanskrit für An fänger unter der Sammelbezeichnung „Indogermanische Sprachwissenschaft“ im Vor lesungsverzeichnis der Universität Würzburg vom Sommersemester 1942.

Andere Universitäten gingen ein Stück weiter und machten – wie beispielsweise Kiel – aus der Sprachwissenschaft ausdrücklich eine Einführung in die Rassenkunde. Dort wurden im Sommersemester 1935 eine „Einführung in die Vorgeschichte der indogermanischen Völker“ und eine „Geschichte der lateinischen Sprache“ sowie eine Vorlesung über die „alten italischen Dialekte“ angeboten. Es gab außerdem „Übungen zur indogermanischen Sprachwissenschaft“, eine Vorlesung über „Griechische, lateinische und germanische Namenskunde“ sowie ein Seminar über „Die Beziehungen zwischen Rasse und Sprache“. Es kam zur untrennbaren und totalen Verschmelzung der drei großen indogermanischen Sprachen sowie der Sprachwissenschaft und der Rassenkunde, wie sie auch in den Vorlesungsverzeichnissen zahlreicher anderer Universitäten attestiert ist. Diese segneten damit in den Augen ihres Publikum sowie der scientific community die Auffassung von einer gemeinsamen Identität von Griechen, Römern und Germanen ab.

Die These vom nordischen Ursprung der beiden großen Völker des Altertums wurde so weit verbreitet, dass sie den Rahmen von Schule und Universität weit überschritt. Diese wendeten sich jeweils an ein Publikum, das entweder altersmäßig oder in sozialer Hinsicht eingegrenzt war, während vermittels der Partei-Organisationen, aber auch mit Hilfe anderer und im Prinzip neutralerer und weiter streuender Medien das ganze deutsche Volk erreicht werden konnte. Mit Hilfe von Lexika fand besagte These ihren Weg in die Wohnzimmer und Bibliotheken der deutschen Familien. So erfahren wir etwa aus dem Brockhaus von 1938 unter dem Stichwort „Griechenland“: „Die indogermanischen nordrassischen Griechen wanderten um 2000 v. Chr. vom Norden her in den Süden der Balkanhalbinsel und trafen dort auf eine aus Kleinasien stammende vermutlich karische Urbevölkerung westisch-vorderasiatischer Rassenzugehörigkeit.“198 Die Verbreitung dieser These erfolgte aber auch auf spektakulärere Weise.

Der Nationalsozialismus und die Antike

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