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Die Lage nach der Schlacht von Mantineia (Xen. Hell. 7, 5,26–27, Übers. Gisela Strasburger)

„Denn da fast ganz Griechenland zusammengekommen und gegeneinander angetreten war, gab es keinen, der nicht geglaubt hätte, wenn eine Schlacht stattfinde, würden hernach die Sieger zur Herrschaft gelangen und die Besiegten ihnen untertan sein. Aber der Gott ließ es so geschehen, dass beide Parteien wie Sieger ein Siegeszeichen errichteten und keine von beiden die andere am Aufrichten desselben hinderte, die Toten gaben beide Parteien wie Sieger unter dem Schutze eines Vertrages heraus, und beide nahmen die ihrigen wie Besiegte unter dem Schutze des Vertrages in Empfang; und indem jede von beiden behauptete, gesiegt zu haben, besaß doch offenkundig keine von beiden weder an Land noch an Städten noch an Macht auch nur das Geringste mehr als vor der Schlacht; aber Unordnung und Verwirrung wurden nach der Schlacht in Hellas noch größer als sie vorher waren.“

Die koine eirene-Ordnungen

Der berühmte Königsfrieden (Antalkidasfrieden) von 386 v. Chr. war der erste Versuch der Errichtung eines „Allgemeinen Friedens“ in Hellas, einer koine eirene. Die Namen der Friedensordnung von 386 leiten sich vom persischen Großkönig Artaxerxes II. als Garanten der Ordnung ab, die die spartanische Hegemonie über Festlandhellas sanktionierte, beziehungsweise vom spartanischen Gesandten Antalkidas. Im Laufe des 4. Jahrhunderts wurden mehrere Versuche zu einer strukturellen Weiterentwicklung dieses konstruktiven Konzeptes unternommen. Solche kollektiven, multilateralen Friedens- und Sicherheitssysteme sollten auf der Basis von autonomia und eleutheria, kommunaler Autonomie und städtischer Bürgerfreiheit, für alle Beteiligten der Landfriedensordnung den territorialen Status quo und die äußere Sicherheit garantieren. Es stellte sich aber leider zwischen 386 und 338/7 heraus, dass auch diese konstruktive Idee einer konsensfähigen und stabilen Friedens- und Sicherheitsordnung noch in entscheidenden Punkten weiterentwickelt werden musste, bevor sie mehr Stabilität als Instabilität in Hellas hervorbrachte und auch unter äußeren und inneren Belastungen funktionierte. Daher gilt in der jüngeren Forschung der so genannte Korinthische Bund Philipps II. von 337 v. Chr. als erste wirklich effiziente koine eirene.

Poleis, Ethne, Koina, Monarchien

Neben autonomen Poleis, Stammstaaten (Ethne) und Föderalstaaten (Koina) fanden sich in der klassischen Staatenwelt auch Königreiche (Monarchien) und andere Formen der Herrschaft eines Einzelnen (Tyrannis, Dynasteia) insbesondere an den Rändern der griechischen Welt auf Zypern, Sizilien, in Illyrien, Epirus, Makedonien, Thrakien oder Kleinasien. Das spartanische Doppelkönigtum blieb eine verfassungspolitische Besonderheit. Wenn die Polisgriechen des mittleren oder südlichen Griechenland im 4. Jahrhundert an einen zeitgenössischen Monarchen dachten, assoziierten sie vor dem Aufstieg Philipps II. vermutlich am häufigsten ‚den‘ König, nämlich den jeweils regierenden Achaimenidenherrscher. Königlichen Machtanspruch und städtische Bürgerfreiheit im weiten Raum der Poliswelt miteinander zu versöhnen, wurde bereits in der Regierungszeit Philipps II. und Alexanders des Großen zu einem Hauptproblem der Epoche, das auch im Hellenismus immer wieder neue Lösungsmodelle erforderte.

Zu Beginn der Herrschaft Philipps II. 359 v. Chr. konnte das makedonische Königreich nicht einmal im nordägäischen Raum eine Hegemonialrolle spielen, geschweige denn die Garantie- und Hegemonialmacht einer Friedens- und Sicherheitsstruktur für ganz Hellas sein oder einen Angriffskrieg gegen das Achaimenidenreich vorbereiten. Ein Bündel drängender Probleme beschäftigte Philipp. Dynastische Krisen hatten eine Schwächephase der Argeadendynastie in der jüngeren Vergangenheit bewirkt. Die Stellung als Regent, später die Anerkennung als König in ganz Makedonien waren zunächst zu erstreiten. Die ungesicherten Landesgrenzen zogen fast jährliche kriegerische Konflikte mit thrakischen, keltischen, illyrischen und epirotischen Gegnern nach sich. Ungelöste Konflikte bestanden ferner mit dem Chalkidischen Bund um Olynth und mit der Seemacht Athen. Makedonien fehlte die Kontrolle der langen makedonischen Küste. Die Machtansprüche makedonischer Aristokraten in den bisher nur locker vom König abhängigen großen Regionen des Königreiches schränkten jeden bisherigen Herrscher ein. Das Reich war wirtschaftlich schwächer, als es aufgrund seiner Größe und Ressourcen sein konnte.

Philipp II. als Hegemon von Hellas

Bereits beim Abschluss des Philokratesfriedens von 346 und sicherlich schon vor dem Sieg von Chaironeia 338 war Makedonien jedoch unter der Regierung Philipps II. zur Hegemonialmacht in ganz Nord- und Mittelgriechenland aufgestiegen. Die Bilanz seiner Regierung ist also eindrucksvoll. Mit einer charakteristischen Mischung von rücksichtslosem und meist erfolgreichem Einsatz des reformierten makedonischen Heeres und kluger Diplomatie, durch dynastische Allianzen, auch mit Bestechung, stieg der Argeade Philipp in den Worten der Philippikai Historiai des Theopomp (FGrHist 115 F 27) zum mächtigsten König Europas seiner Zeit auf. Mit der Begründung des Korinthischen Bundes nach dem Sieg von Chaironeia gelang die Errichtung einer von 337 bis 323 funktionierenden Friedensordnung in Hellas. Sie garantierte die makedonische Hegemonie über Griechenland und verlieh König Philipp als Hegemon und bevollmächtigtem Bundesfeldherrn (strategos autokrator) das formale Mandat, die gewünschte ideologische Begründung und alliierte Land- und Seestreitkräfte für einen panhellenischen Rache- und Eroberungskrieg gegen das Achaimenidenreich.

Alexander der Große und der Beginn der hellenistischen Epoche

Alexander III. (der Große) trat nach der Ermordung seines Vaters Philipp 336 die Nachfolge als König im makedonischen Königreich, als Archon der Thessaler, Hegemon und Oberbefehlshaber des Korinthischen Bundes an. Er konnte in den ersten Jahren seiner insgesamt nur kurzen Regierung (336–323) seine staunenswerten Erfolge nur auf der Grundlage des mächtigen Königreiches Makedonien und der Armee erringen, die ihm sein Vater hinterlassen hatte. Alexander blieb bis zum siegreichen Abschluss des Rachekrieges 330, dem Tod des Dareios und der Nachfolge als Achaimenidenherrscher und König von Asien in erster Linie makedonischer König und Hegemon des Korinthischen Bundes. Aus der Sicht der griechischen und makedonischen Geschichte ist es daher durchaus berechtigt, in diesem Studienbuch die Regierungsjahre Philipps II. und Alexanders III. als eine Epoche zusammenzufassen.

Seit J. G. Droysens berühmter Studie hat es sich zu Recht eingebürgert, mit der Regierung Alexanders des Großen die weltgeschichtlich neue Epoche des Hellenismus beginnen zu lassen. Solche Epochenumbrüche lassen sich bekanntlich nur grob vereinfachend an bestimmte Daten der politisch-militärischen Geschichte anbinden, zum Beispiel hier an den Regierungsantritt Alexanders 336, seinen Sieg von Gaugamela 331 oder seinen Tod 323. Unterschiedliche Anfangs- und Endjahre der hellenistischen Epoche bieten sich jeweils an, wenn man die Perspektive der politisch-militärischen, der wirtschaftlichen, sozialen oder kulturell-religiösen Geschichte wählt. Die heute in Lehrbüchern vorherrschende Epocheneinteilung mit den Eckdaten 336 und 31/30 v. Chr. orientiert sich ausschließlich an der politisch-militärischen Geschichte.

‚Hellenistische‘ Strukturen und Phänomene in der Spätklassik

Bekanntlich bildeten sich einige für die hellenistische Epoche typische Strukturen, Phänomene und Tendenzen jedoch bereits im Laufe des 4. Jahrhunderts in Ansätzen aus. Beispielhaft seien aus dem Bereich des Militärwesens die Professionalisierung der Armeen und eine Spezialisierung der Strategen, der steigende Anteil der Söldner in fast allen Heeren, die Krise der Milizstreitkräfte einzelner Poleis, die Kriegführung mit verbundenen Waffen und der deutlich gestiegene Anteil der Reitertruppen und leicht bewaffneten spezialisierten Fußtruppen neben den schwer bewaffneten Fußsoldaten (Hopliten) genannt. Im politischen Bereich könnte man auf den Aufstieg von Föderalstaaten oder die bedeutendere Rolle von Monarchien auch in der festlandgriechischen Geschichte verweisen. Im sozialen Leben fällt der Blick auf das Phänomen der Euergeten (Wohltäter, Stifter, Patrone) und zunehmende soziale Spannungen innerhalb der Bürgerschaften, in der Literatur und Philosophie auf die Heraushebung großer Individuen aus dem Kollektiv aller einfachen Mitbürger (Politen). Diese Phänomene und Entwicklungen lassen sich bereits alle unter Philipp II. in der griechischen Geschichte beobachten. Auch wenn man den Epochencharakter der späten Klassik und des frühen Hellenismus diskutieren will, bietet es sich daher an, die Jahre von 359–323 zusammenfassend zu behandeln. Kontinuitäten und Diskontinuitäten, fortlebende Traditionen und Innovationen in dieser Epoche des Umbruchs lassen sich so besser verdeutlichen als in einer Periodisierung, die abrupt erst mit der Lage nach der Schlacht von Chaironeia einsetzt oder auch in einer lediglich auf die Regierungszeit Alexanders begrenzten Monographie.

Die Phasen der Errichtung der neuartigen Universalmonarchie Alexanders des Großen zwischen 336 und 323 und ihr noch recht ungefestigter Charakter bei seinem frühen und unerwarteten Tode bilden das Ende des zeitlichen Rahmens dieses Buches. Es war für die Zeitgenossen ein staunenswertes Schauspiel, den militärischen Siegeszug des jungen Königs von Makedonien nach Ägypten, durch das Achaimenidenreich und nach Nordwestindien zu verfolgen. Hatte Theopomp noch eine Zeitgeschichte Griechenlands und der Ägäiswelt unter dem prägenden Eindruck Philipps, des mächtigsten Königs der Epoche, geschrieben, beobachtet man nun einen erneuten historiographischen Paradigmenwechsel. Fortan dominieren die Alexanderhistoriker, und der Raum der griechisch-hellenistischen Geschichte erweitert sich enorm.

Unterschiedliche Bewertung der Person und der Leistungen Alexanders

Die Person und die Taten Alexanders haben bereits seine Zeitgenossen stark polarisiert in Anhänger und Kritiker. Einen ähnlichen Eindruck gewinnt man auch aus der Lektüre der zahlreichen, bis heute Jahr für Jahr neu erscheinenden Monographien über den Makedonenkönig. Manche zeigen Alexander nach einer scharfen Verurteilung seiner destruktiven, blutigen Raubkriege vor allem gegen Ende seiner Regierungszeit als einen megalomanen, aggressiven und krankhaft misstrauischen Alkoholiker. Er habe einen progressiven Verlust der realistischen Wahrnehmung seiner Umwelt erlitten und schließlich in der persönlichen Überzeugung gelebt, ein übermenschliches Wesen und der Sohn des Zeus Ammon zu sein. Andere erkennen das außerordentliche militärische Genie Alexanders an, billigen dem König auch weitsichtige politische Ziele zu und gehen dann zum Teil entschuldigend über charakterliche Schwächen hinweg. Wieder andere bleiben fast kritiklos begeistert von den militärisch-politischen Erfolgen des Königs und preisen ihn als Visionär einer neuen Epoche des Altertums.

Bis zu seinem Tode 323 gelang es Alexander nur unvollständig, die heterogenen Bevölkerungsgruppen, Herrschaftsstrukturen und Traditionen seines Weltreiches miteinander zu etwas Neuem zu verbinden. Nur unter hohen Kosten konnte er gefährliche Spannungen und Konflikte bis in die Spitze seines Heeres und Hofes ausgleichen. Tragfähige Konzepte einer dauerhaften, von den unterschiedlichen Untertanen akzeptierten, konstruktiven Herrschaftsordnung für den gewaltigen, schnell eroberten Raum entwickelten sich erst im Ansatz. Vor allem als griechisch-makedonische und achaimenidische Eliten, Strukturen und Traditionen aufeinander trafen, entstanden in seinem Heer, am Hof und in der militärisch-politischen Reichselite scharfe Konflikte, die nur mühsam durch Alexander zu seinen Lebzeiten noch kontrolliert werden konnten, aber unmittelbar nach seinem Tode erneut gewaltsam aufbrachen. In der jüngeren Alexanderforschung deutet sich ein fruchtbarer Wechsel der Perspektive an. Mehrere Beiträge weichen bewusst vom Blickwinkel der griechisch-römischen Quellen ab und wählen eine ‚achaimenidische Perspektive‘. Sie bewerten die vergleichsweise kurze Regierungszeit des Makedonenkönigs primär als ein blutiges Intermezzo innerhalb einer langen Kontinuitätslinie indigener kultureller, religiöser und politisch-sozialer Strukturen Asiens und Ägyptens. Der Berichtszeitraum des Buches wird mit einem Ausblick auf die Situation im Jahre 323 v. Chr. nach der Reichsordnung von Babylon und dem Hellenischen oder Lamischen Kriege enden. Die Formierung der frühen Diadochenstaaten, die sich in jahrzehntelangen blutigen Kriegen vollzog, bleibt einem weiteren Band der Reihe vorbehalten.

Philipp II. und Alexander der Große

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