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3. Nichtliterarische Quellen für die Zeit Philipps und Alexanders

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Der hohe Quellenwert nichtliterarischer Quellen

Als erstrangige Zeugnisse zur Geschichte des 4. Jahrhunderts v. Chr. können wir außer literarischen Quellen erfreulicherweise viele Inschriften, Papyri, Münzen und archäologische Quellenbefunde auswerten. Sie dienen zur substantiellen Ergänzung, oft auch zu einer inhaltlichen und die Tendenz betreffenden Kontrolle der literarischen Quellen. Die publizierte Menge solcher Primärquellen von historischer Relevanz für die Epoche 359–323 nimmt von Jahr zu Jahr zu, während der künftige Erkenntnisfortschritt in der Auswertung bereits lange bekannter literarischer Quellen eher darin liegen dürfte, dass man neuartige Fragen an sie stellt, verfehlte ältere Interpretationen berichtigt oder diese literarischen Quellen systematisch mit dokumentarischen Quellen konfrontiert. Aus der Interpretation von Neufunden an Inschriften, Münzen und Papyri könnten auch in Zukunft wichtige Modifikationen unseres Bildes über die Geschichte jener Jahrzehnte zu erwarten sein. Modifikationen des vorherrschenden Bildes vom Ablauf des Alexanderzuges und von der Struktur des Alexanderreiches dürften schließlich ebenfalls durch die angemessene Einbeziehung von zeitgenössischen Quellen aus Ägypten und dem Achaimenidenreich (unter anderem aus Babylon) zu erhoffen sein. Erst in wenigen Werken ist bisher systematisch der Versuch unternommen worden, aus der Sicht der nichtmakedonischen und nichtgriechischen Untertanen eine Bilanz des Eroberungszuges, der kurzen Herrschaft und der Folgen des vorzeitigen Todes Alexanders aufzustellen.

Inschriften

Viele historisch aussagekräftige Inschriften informieren über Ereignisse der Alexanderzeit. Sie beleuchten vor allem das Verhältnis Alexanders zu der Welt der griechischen Poleis im hellenischen Mutterland (nicht zuletzt zu Athen), in der Ägäis und an der kleinasiatischen Küste. Der königliche Machtanspruch wurde im Laufe der Regierungszeit und analog zu den staunenswerten Triumphen des Alexanderzuges immer manifester. Er traf auf die Entschlossenheit der traditionsbewussten Poleis, ihre bürgerliche Freiheit und Autonomie sowie ihren in der Ordnung des Korinthischen Bundes festgeschriebenen Machtbereich auch innerhalb der neuartigen Universalmonarchie Alexanders zu bewahren. Interessante inschriftliche Neufunde der letzten Jahrzehnte betreffen auch die Stellung des makedonischen Königs zu seinen makedonischen Untertanen und die innere Organisation des makedonischen Königreiches und seiner Städte.

Münzen

Die Münzprägungen Philipps II. in Gold und Silber konnten in ihrem Umfang und ihrer Qualität mit der bisher im 4. Jahrhundert in Griechenland führenden athenischen Drachmenprägung mühelos konkurrieren. Die anfängliche Kontinuität der Bildinhalte zum Prägeprogramm Philipps II. wird im Laufe der Regierung Alexanders des Großen durch alexanderspezifische Bildprogramme der Reichsprägungen ersetzt. Diese erfolgen nach Eroberung der persischen Reichsschätze in einer unerhört hohen Anzahl. Sie werden über das Heer Alexanders und die Veteranen im ganzen Reich verteilt und verdrängen immer stärker als führende Gold- und Silberwährung die Prägungen der wirtschaftlich einflussreichsten Poleis. Polisprägungen behalten allerdings im lokalen und regionalen Bereich weiterhin ihre Bedeutung.

Auch Ausgrabungspublikationen und Studien zu einzelnen Fundobjekten haben unser Bild von der Epoche Philipps II. und Alexanders in den letzten 50 Jahren sehr bereichert. Besonders wertvolle Erkenntnisse haben aus dem griechisch-makedonischen Raum die Ausgrabungen und Interpretationen der Funde aus Olynth, Pella, Aigai/Vergina, Amphipolis, Olympia und Athen und Attika erbracht.

Papyrologische Quellen haben in der jüngeren Vergangenheit ebenfalls eine Erweiterung unserer Kenntnisse über die Regierungszeit Alexanders ermöglicht. Nur knapp sei auf neue, in ihrer Interpretation allerdings schwierige Einzelheiten über den Balkanfeldzug Alexanders unmittelbar nach seiner Regierungsübernahme 336–335 verwiesen. Wir erfahren diese aus einem Papyrus, der vermutlich ein Fragment eines Kommentars zu den Ephemeriden Alexanders enthält.

Babylonisch-persische Quellen

Ein Grundproblem unserer Quellenlage über das Universalreich Alexanders liegt in der durch die griechisch-römische Perspektive der Hauptquellen vorgezeichneten Einseitigkeit. Auf thrakischer, ägyptischer oder achaimenidischer Seite hat die Feldzüge offenbar kein Historiker vom Range eines Arrian beschrieben; jedenfalls ist uns kein solcher Bericht überliefert. Um diese erdrückende Einseitigkeit des aussagekräftigsten Quellenmaterials ein wenig auszugleichen, sollten sämtliche verfügbaren ägyptischen oder babylonisch-persischen Quellen über die Zeit Alexanders noch stärker berücksichtigt werden, als es bisher geschieht. Zu solchen wertvollen Quellenkomplexen gehören zum Beispiel die Astronomischen Tagebücher, die Dynastische Prophezeiung und Notizen in babylonischen Chroniken. Der Umfang und die Bedeutung des hellenischen und makedonischen Einflusses auf die grundlegenden administrativen, ökonomisch-sozialen wie auch die kulturellen Strukturen des Achaimenidenreiches und die Identität seiner Bevölkerungsmehrheit wird oft stark überschätzt. Gründe hierfür sind vermutlich die Faszination, die die Person Alexanders ausübt, und das Vorurteil von der Überlegenheit der griechischen Kultur gegenüber der ‚barbarischen‘ persischen. Hohe persische Funktionäre bis hin zum letzten Großkönig Dareios III. sind oft zu ungünstig und manchmal unbewusst unter dem Einfluss von Topoi über asiatische Dekadenz beurteilt worden. Alexander und die ersten Seleukidenherrscher Seleukos I. und Antiochos I. stellten sich recht häufig in indigene Traditionen. Mit dieser Beobachtung soll keineswegs verfehlten älteren Thesen über eine von Alexander initiierte Verschmelzungs- und Verbrüderungspolitik erneut das Wort geredet werden. Fundobjekte und Ausgrabungsbefunde aus Ägypten und den Kernländern des Achaimenidenreiches aus der Alexander- und frühen Diadochenzeit deuten aber auf die Lebenskraft indigener ägyptischer und asiatisch-achaimenidischer Traditionen. Sie bereichern die Diskussion um die Intensität und Geschwindigkeit von Hellenisierungs- oder Akkulturationsprozessen im Raum des Alexanderreiches und der frühen Diadochenstaaten.

Jüngere achaimenidische Forschungen legen Nachdruck auf die strukturelle Schwäche der Reichszentrale in ihren Versuchen, über die riesige Peripherie der zahlreichen Provinzen (Satrapien) ihre Kontrolle zu erhalten. Die langjährigen Sezessionsbewegungen ganzer Reichsteile (vor allem Ägyptens) oder Satrapenaufstände in Kleinasien hatten diese Probleme im 4. Jahrhundert bereits lange vor Alexanders Angriff gezeigt.

Achaimenidisch-babylonische Quellen betonen deutlicher als griechische Quellen, dass Dareios III. seinen Thron 335 in einer schweren inneren Krise des Weltreiches durch die blutigen Wirren von 338–336 nach der Ermordung Artaxerxes III. Ochos übernahm. Die so genannte Dynastische Prophezeiung stellt diese verwickelten und blutigen Ereignisse etwas anders dar als Diodor im 17. Buch. Als die Makedonen das Perserreich angriffen, befand sich dieses noch in einer schweren inneren Krise oder es erholte sich mühsam gerade erst von dieser. Diese Lage des Gegners begünstigte die schnellen Erfolge der Makedonen 334–333 erheblich. Bereits nach dem eindrucksvollen Sieg Alexanders bei Issos 333 brach offenbar bei nicht wenigen Reichsangehörigen Furcht und Schrecken aus. Das Datum der Schlacht von Issos 333 lässt sich durch eine Kombination der Informationen über eine Sonnenfinsternis in den Astronomischen Tagebüchern (Diaries 332 rev. 10) mit den damals vorherrschenden Mondphasen und unseren griechisch-römischen Quellen präzis auf 4.–7. November 333 v. Chr. bestimmen. Die Astronomischen Tagebücher überliefern keilschriftliche Beobachtungen zur Astronomie und zu politischen Ereignissen in Babylonien. Sie berichten von einer Mondfinsternis elf Nächte vor der Schlacht von Gaugamela. Schlechte Omina wiesen nach diesen Tagebüchern auf den kommenden Tod eines König hin. Großes Unheil für Babylonien und das ganze Perserreich war aus Sicht der einflussreichen Astrologen und Astronomen und von Teilen der Armeen also bereits vor der Entscheidungsschlacht absehbar (Diaries AD 330 obv. 14–18). Alexander führte vor seinem Einmarsch nach Babylon diesen Tagebüchern zufolge mit Hilfe griechischer Gesandter diplomatische Verhandlungen mit lokalen Machthabern und Würdenträgern. Er sicherte dabei zu, den Tempel des Marduk wieder aufzubauen und die Häuser der Babylonier nicht plündern zu lassen. Jüngere archäologische Untersuchungen im Palastgebiet von Persepolis haben die Berichte antiker Quellen über eine systematische und planvolle Zerstörung der Palastanlage bestätigt.

Weiterhin bleiben die Lokalisierung bestimmter Orte und manche Einzelheiten der Ereignisse der griechischen Geschichte im Zeitalter Philipps II. und Alexanders des Großen offen. Surveys und lokal- beziehungsweise regionalgeschichtliche Studien haben aber ebenfalls bereits zu großen Erkenntnisfortschritten geführt, die sich inzwischen auch in hilfreichen und illustrativen Kartenwerken niedergeschlagen haben.

Philipp II. und Alexander der Große

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