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3. Rundgang mit dem Tod

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Begeben wir uns nun in die Welt der Teufel. Diese nämlich, deren Aufgabe in der Bestrafung der Menschheit steht. Die Diener der Hölle verbringen ihre Existenz im Schloss Satans, Beherrscher dieser dunklen Gestade.

So beginnt auch in Mysellis Mawor, Königsstadt der Unterwelt, ein neuer Tag – ohne Sonne und ohne Morgengrauen.

Sein Kopf dröhnte vor Schmerz und Müdigkeit.

Er wartete sehnsüchtig, auf dass er entfesselt wurde. Wo die knochigen Knie auf den harten Steinboden gedrückt worden waren, brannten rote Stellen auf seiner Haut.

Die Dunkelheit dieses Raums lastete auf seinen Augen und ließ die Farbe seines Gesichtes erblassen.

Endlich hörte er die erhofften Schritte und es kam jemand, schnippte mit seinen Fingern und die kalten Fesseln lösten sich von den geschundenen Armgelenken und Knöcheln des Gefangenen.

„Steh auf, du hast heute noch viel zu erledigen“, wurde ihm mit eisiger Stimme befohlen.

Ich weiß, ich weiß…

Jeden Tag dasselbe. Er erwachte mit Kopfschmerzen, brennenden Knien, Rumpf und Brust und wurde in den Gemeinschaftsbereich des Schlosses befohlen, wo er sich seinen Auftrag des Tages abholen durfte. Tagein, tagaus, war es nichts Neues. Und trotzdem war dies keine gewohnte Umgebung für ihn. Es war, als würde er jeden Tag wiedergeboren, und zwar in ein erbarmungsloses Leben, das ihm nicht gehörte.

„Beeile dich gefälligst!“

Ich komme ja schon, dachte er verärgert und stemmte seinen bleischweren Fuß mit einem schmerzenden Knacken im Bein auf.

Ah, es war eine Wohltat, endlich wieder zu stehen. Er fühlte allmählich wieder seine Lebensgeister erwachen. Die rasche Linderung des Schmerzes ließ ihn neuen Mut fassen. Er hörte das behäbige Prasseln des Feuers in den Fackeln und sonnte sich in deren Wärme.

So weitete er seine Arme, streckte sich genüsslich und kleine Flammen schossen aus seinen Handflächen.

Er war wach!

Selbstverständlich war er das, denn er hatte nicht geschlafen – als ob an Schlaf in der bequemen Haltung eines an Händen und Füßen gefesselten Gezeichneten überhaupt zu denken gewesen wäre. Nun stand er und blickte dem Mann entgegen, der ihn befreit hatte. Sobald sein Gegenüber feststellte, dass er auf den Beinen stand und sich nicht dem Müßiggang hingab, verließ er den Raum und rief nur noch kurz über die Schultern: „Beeilung, deine Pflicht ruft und diese erfüllt sich nicht eigenmächtig!“

Das weiß ich und du brauchst es mir auch nicht jeden gottverdammten Tag zu sagen!

Erschöpft und ausgelaugt, aber dennoch mit um Nuancen besserer Laune schritt er hinüber zu seinem achtlos auf den Boden geworfenen, schwarzen Umhang, hob ihn auf und zog ihn an. So wie immer.

Seit sehr langer Zeit.

Während er sich auf den Weg zu den Treppen aufraffte, bemerkte er, wie das Schloss zum Leben erwachte. Man hörte das Gähnen und Murren, die Verwünschungen gegen den neuen Tag aus allen Ecken und Enden. Aus manchen Zimmern hörte er ein verschlafenes „Guten Morgen“, andere blickten ihn bloß mit trüben Augen an und nickten kurz. Natürlich, wie immer.

Seine Beine trugen ihn zu einer weit ausladenden, reich verzierten Stiege, mit ihren Gargoyles, die links und rechts, am oberen und unteren Ende aus der Wand ragten und seine Schritte verfolgten, als würden sie ihn zur Eile ermahnen.

Er sah kurz aus einem der hohen Turmfenster. Die Sonne schien hier nicht. Das war nicht möglich.

Stattdessen schwebte eine purpurne, mystische Wolke hinter dem kalten Stein und umkreiste das Schloss in ihrer geheimnisvollen Bahn. Unten an der Treppe hing ein Geländer tief über dem Boden und wie immer stieß er, abgelenkt durch seinen gedankenverlorenen Blick zu dem stetigen Begleiter des Herrenhauses, mit seinen Hörnern dagegen, taumelte kurz und fluchte schließlich.

Hinter sich hörte er Gelächter.

„Sag bitte nichts, Sepherion“, knurrte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.

„Das fällt schwer, mein Freund“, antwortete der andere vergnügt. Dieser rieb den letzten Rest Schlaf aus seinen Augen und war bald an seiner Seite. Bein an Bein marschierten sie hinunter, den dunkel glänzenden Onyxboden entlang, dessen Spiegelungen spielerisch an den dunklen Wänden tanzten und erreichten schließlich das Foyer mit seinen hohen, majestätischen, mit blutroter Seide gepolsterten Lehnstühlen, auf denen sie sich mit tiefen Seufzern niederließen.

Sepherion hatte langes, schneeweißes Haar, ein markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen und stahlgrauen Augen. Er trug ebenso einen schwarzen Mantel, doch mit silbernen und verschnörkelten Verzierungen. An seinen Fingern trug er juwelenbesetzte Ringe. Doch das Auffälligste an ihm waren die langen, dünnen Hörner, die aus seinem weiß glänzenden Haar zu wachsen schienen.

„Nun, mein Freund, hat dir die Nacht in deinem harten Bett Erholung gebracht?“, fragte er.

„Wie immer!“

„Dann wohl eher nicht?“

„Wie bereits erwähnt – nein!“

Sepherion lächelte traurig. „Du erregst mein Mitleid! Aber ich bin sicher, dir könnte es besser ergehen, wenn du endlich aus deinen Fehlern lernst!“

Der andere schüttelte langsam den Kopf: „Das ist ein Teufelskreis…“

„Wie passend für uns…“

„…man bindet mich an diese Fesseln, lässt mich auf Knien verharren und missgönnt mir meine Erholung!“ Sein Blick wurde stumpf. „Des nächsten Tages verlangt man von mir ungebrochenen Gehorsam und rügt mich für vorkommende Fehler, die mir wegen meiner abgrundtiefen Erschöpfung widerfahren. Dafür bestraft man mich erneut und kettet mich fest, lässt mich auf Knien verharren und nicht zur Ruhe kommen. Wieder und wieder…“

Sepherion schüttelte bedauernd den Kopf. „Ach, mein Freund, ich wünschte, ich könnte dir helfen, doch kann ich schließlich nicht zu unsern Herrn Satan vortreten und von ihm verlangen, von deiner Bestrafung abzusehen. Zumal Chutriel…“

„… davon gar nicht begeistert wäre – ja, ich weiß“, unterbrach er ihn unwirsch.

So saßen sie beide nebeneinander und schwiegen für ein paar Minuten, bis die anderen Schlossbewohner ebenfalls die breite, reich verzierte Treppe hinunter kamen. Er beobachtete eine Zeit lang, wie sie sich miteinander unterhielten, tiefe Ermattung in ihren Gesichtern aufweisend – jedoch trotzdem ausgeruht – und erhob sich schließlich. „Ich denke, ich hole mir meinen heutigen Auftrag ab. Schließlich erfüllt dieser sich nicht eigenmächtig“, erinnerte er sich an Chutriels Worte.

„Wohl wahr, wohl wahr“, erwiderte Sepherion nur und gähnte.

Ja, er durfte wieder gehen und sich seine Aufgabe abholen, die – da machte er sich nichts vor – zu einem beschwerlichen und hindernisreichen Weg führen würde. Während er den steinigen Korridor mit nacktem Fels entlanglief, erinnerte er sich an die Hürden, die man ihm bisher auferlegt hatte.

Einmal musste er mit Shazgiem, den Stadtherren von Alborqu, eine Volkszählung machen. Er schauderte, wenn er nur daran dachte: Shazgiem, ein ekelhafter, fetter Goblin, wusste die Vorzüge einer gepflegten Erscheinung nicht im Mindesten zu würdigen. Natürlich war er ein Dämon, daher konnte er Wasser nicht berühren ohne sich zu verletzen. Aber die Flüssigkeit, die im Fluss Tua-Kail floss, war durchaus eine Möglichkeit, seinen Körper zu reinigen. Das interessierte den Stadtherrn aber nicht! Seine moosgrünen Zähne, seine fleckige, keimige Haut und vor allem der Gestank, der ihm aus dem verfaulten Maul und etwaigen anderen Körperöffnungen drang, verschlugen einem den Atem. Sein Begleiter musste all seine Beherrschung aufbringen, um sich weder die Nase zuzuhalten – was einen unschicklichen Anblick gezeigt hätte -, noch durfte er seinem innersten Bedürfnis folgen und diese von Dreck und Pest beherrschte Stadt noch mit seinem Erbrochenen ergänzen. Er verzog stets das Gesicht, wenn er dem Stadtherrn zu nahe gekommen war und seinen Hauch des Todes eingeatmet hatte. Shazgiem musste allerdings leider irgendwann niesen und erwischte seinen Helfer mitten im Gesicht, das Augenblicklich schwarz wurde. Ein Teufel war schließlich auch ein Dämon, der mit jeglicher Berührung von Wasser gepeinigt wird. Dafür hatte er ihm nach allen Regeln der Kunst Feuerschwämme um die Ohren gehauen und wurde letztendlich bestraft, weil er einen Dämon verletzt hatte.

Mission gescheitert!

Ein anderes Mal musste er das Reich der Erddämonen betreten, um ein Gespräch mit dem schlammigen König namens Chachta zu führen, der den Teufeln die Baustoffe für Satans Schloss schickte. Er hatte sich anfangs mit dem König sehr gut verstanden und war von ihm in dessen Reich herumgeführt worden. Der Herrscher zeigte ihm einige interessante Dinge und forderte den Gesandten auf, sich deren kunstfertigen Gebäude und Schlösser anzusehen. Dieser kam der Aufforderung auch gerne sofort nach. Allerdings erwischte ihn schließlich ein Ladung Matsch am Kopf, er wollte sich mit Feuer reinigen und zerstörte damit ein paar dieser herrlichen Bauwerke. Chachta war außer sich vor Zorn und versprach, dass Satan nie wieder auch nur einen Kieselstein von ihm zu erwarten hätte, da er es wohl für nötig hielte, ihm einen Tollpatsch zu schicken, der seine Stadt verschandelte.

Wenn er daran dachte, schmerzte ihm immer noch das Trommelfell. Der Höllenfürst war sehr laut geworden und hatte einige, unschöne Dinge zu ihm gesagt, von denen „Nichtsnutz“ und „Trampel“ noch sehr harmlose waren.

Es war ja nicht so, als würde er nicht versuchen, es seinem Gebieter Recht zu machen, allerdings kam immer eine Kleinigkeit und vermasselte seine bis dahin tadellos durchgeführte Arbeit. Ein Teufel, wie er es war, hatte perfekt zu sein. Bis zum Erreichen seiner Perfektion waren ihm Vorzüge wie Nachtruhe und ein weiches Bett verwehrt. Daher hatte er auch schon eine Ewigkeit nicht mehr geschlafen.

Er erreichte die Gestalt eines hässlichen Steingötzen, die als Türklopfer an dem Schlosstor hing und fragte sich nicht zum ersten Mal, warum man einen Türklopfer an der Innenseite eines Schlosstores befestigte. Er packte jedoch den Hebel und ließ ihn kräftig gegen das Holz krachen. Augenblicklich erwachte der Steingötze zum Leben, grunzte laut und rief: „Nicht so fest, so nicht!“

Er wartete.

Der Türklopfer schaute ihn einige Zeit lang noch verdrießlich an, dann schnarrte seine steinige Stimme: „Name?“

„Das weißt du genau, du hässlicher Gargoyle!“

„So steht es steht nun einmal so im Protokoll geschrieben einfach…Also, nun, wie lautet dein Name, nun für das Protokoll?“

Der Teufel blickte ihm kurz mürrisch entgegen, dann antwortete er entnervt:

„Mephisto Dantoteles!“

Mephisto wartete, bis der Türklopfer ein Zettel aus dem Schlüsselloch unter sich herauskramte der kurz darauf schaute und verkündete: „Mephisto Dantoteles wird heute zu dieser Zeit, heute, einen Rundgang mit Senta, dem Tod, Senta eben, einen Rundgang machen. Ihn begleiten wird mitgehen der Engel im Range Erzengel Michael, der Erzengel!“

„Kannst du nicht endlich mal mit dieser ständigen Wortwiederholung aufhören? Wenn du die Sprache unserer Generation benutzt, reicht es, wenn du die Worte einmal sagst!“, murrte der Teufel.

„Ich spreche die uralte Sprache, sehr alt. Satan und seine Teufel und Satan vor eurer Generation die Teufel sprachen sie!“

„Ja, aber du sprichst die Sprache nicht… du übernimmst bloß den Satzbau! Und das nervt!“

Aber er schimpfte einen Stein, denn der Gargoyle war wieder erstarrt und hörte ihm nicht mehr zu.

So begann für Mephisto ein Tag, gespickt mit einer Aufgabe, die tückische Fallen für ihn bereithielt. Die Hoffnung war nicht groß, dass er diesmal keinen Fehler beging. Doch er klammerte sich an der verzweifelten Vorstellung, ein paar erholsame Stunden Schlaf auch endlich für sich beanspruchen zu können.

Doch nun war es Zeit, seine Arbeit zu verrichten und nicht, um an einen Schlummer zu denken.

Er öffnete die breite Pforte und trat würdevoll in die frische Nachtluft von Mysellis Mawor, der größten und mächtigsten Dämonenstadt. Hier lebten nur untote Kreaturen von hohem Rang. Menschen traf man nur in den Gemäuern der Hölle, gefesselt, entweder durch Ketten oder ihrem eigenen Geist.

Der Hauptauftrag eines Teufels liegt in der Bestrafung von sündigen Menschen. Diese warten Jahrhunderte, manchmal sogar Jahrtausende auf ihre Erlösung.

Zumindest kommt es ihnen so vor!

In Wahrheit handelt es sich um nur wenige Tage oder Wochen, selten auch einmal Monate, die diese Menschen in der Hölle verbringen. Doch die Teufel ändern ihre Wahrnehmung und verzerren ihr Zeitgefühl, sodass die Bestraften denken, es würden zehn Jahre vergehen, wenn in Wahrheit gerade mal eine Stunde verronnen war. Nach ihrer Strafe müssen die einst sündigen Menschen wieder auf die Erde zurück, als neuer Körper, um sich in ihrem folgenden Leben den Weg in die himmlischen Pforten zu verdienen. An ihre Bestrafung werden sie sich nicht mehr erinnern.

Heute, so dachte Mephisto trübselig, werde er wie eh und je eine Menge Menschen sehen, die den Weg der Tugend nicht gefunden hatten und in die Abgründe gestürzt sind, die das Menschendasein größtenteils bestimmen.

Der Teufel machte drei Schritte nach draußen bevor er in Flammen aufging und in einer Feuerwand verschwand.

Wenige Sekunden später trat er aus dieser wieder hinaus auf eine einsamen Straße.

Der Morgen dort war noch sehr jung. Ein kalter Wind strich durch sein schwarzes Haar und ein einziger Mann begegnete ihm, der ihn allerdings nicht sehen konnte.

Teufel sind für Menschen unter normalen Umständen unsichtbar. So können sie in Ruhe ihre Arbeit verrichten. Erst wenn ein Lebewesen gestorben ist, ist es in der Lage, die Diener der Hölle zu sehen. Oder aber, der Dämon will, dass Menschen ihn erblicken können. Aber das eine Seltenheit.

Mephisto setzte sich auf eine Parkbank, betrachtete den Mann, der sehr müde zu sein schien und seinen Weg nach Hause suchte. Der Höllendiener war kurz abgelenkt und fiel beinahe in einen Schlummer, als er eine Stimme neben sich vernahm.

„Guten Morgen, Mephisto, Erzteufel der Verzweiflung!“

Der Angesprochene schrak auf und drehte seinen Kopf zum Verursacher dieser Worte. Sogleich erkannte er, wer ihm gegenüberstand.

Es war ein Wesen, das eine lange Kutte mit einer Kapuze trug. Man sah nur den weißen Fleck um die Augen und die verschorften, fleischlosen Hände. Es war, als ob es keine festen Umrisse besaß und leicht schimmerte. Das einzig feste an diesem Ding schien sein Werkzeug zu sein – ein zwei Meter langer Stock, geschmückt mit einer mächtigen, gebogenen Klinge.

Dies war der Tod mit seiner Sense!

„Ich grüße dich, Senta“, erwiderte Mephisto und nannte ihn dabei bei seinem Namen.

Die schwarze Gestalt näherte sich und blieb direkt vor der Bank stehen, auf die der Teufel ruhte.

„Solltest du nicht aufstehen?“, fragte der Tod.

„Sollte ich“, nickte er anerkennend.

Beide blickten sich in die Augen. Der Teufel lächelte feist und erhob sich.

Senta war ein gefühlskaltes Wesen, das sich nicht ärgern ließ. Er hatte eine vorbestimmte Route, jeden Tag, denn es galt immer, ein paar Seelen einzuholen. Gäbe es ihn nicht, so würde die Seele eines Verstorbenen ziellos in der Zwischenwelt umherwandeln. Die immerwährende Aufgabe führte dazu, dass der Tod niemals ruhen konnte. Er aß nicht, er trank nicht, er schlief nicht. Er fühlte nicht und das war auch notwendig. So konnte er seiner Aufgabe nicht überdrüssig werden. Und ganz wichtig war es, dass er keine Gnade kannte. Wer sterben musste, der starb.

„Heute werde ich mit Michael arbeiten“, sagte der Dämon.

„Ich weiß.“

„Natürlich…“

Wenn es um das Einsammeln der verblichenen Seelen ging, wusste der Tod alles.

Es vergingen ein paar Minuten und so tauchte auch der letzte im Bunde auf. Erzengel Michael hatte braunes, gelocktes Haar, einen weißen Anzug, (keine Flügel!) und sah ganz und gar nicht aus, wie ein holder Knabe im Schlafanzug. Er strahlte eine Aura der Herzensgüte aus. Und genau damit hatten die Teufel ein Problem.

Langweilig, spießig, heilig…

Verdammt noch eins, wie konnte man denn so leben? Das war genau diese Art von Herren, die als Eltern gänzlich versagten und völlig verweichlichte und verwöhnte Kinder hervorbrachten.

Ein Engel fluchte nicht, schimpfte nicht, hatte keine bösen Gedanken, sah immer nur das Beste in einem Wesen, war nicht misstrauisch, sondern vielmehr mitfühlend, versetzte sich in die Lage seines Gegenüber… nervtötend! Und nannte ein Engel einen Teufel einen Unterweltler, was sich in etwa wie Hinterwäldler anhörte, so war dahinter selbstredend keinerlei böse Absicht. Wirklich nicht! Ganz ehrlich!

Der Engel war gut. Vom Geiste, vom Handeln, vom Wesen. Eine gute Seele.

Obwohl Mephisto die Menschheit nicht besonders mochte, weil sie oft und gerne sündigten, so hasste er die Engel dafür, dass sie es nicht taten. Diese perfekten Wesen hielten sich nicht einmal für die Krönung der Schöpfung, dann hätte man sie wenigsten hochnäsig nennen können. Aber nein – der Engel war perfekt.

Auch wenn er so aussah, er brauchte keine Windeln, um sein Geschäft zu erledigen. Er war des Schwiegermutters Liebling und des Tochters Albtraum, weil ein Ehemann, der sich wie ein – nun ja – Engel benimmt und für Mutti stets als Vorbild für Töchterleins Verhalten hervorgeholt wird, zwangsweise von selbiger irgendwann im Schlaf niedergestochen wird!

„Guten Morgen die Herren!“

„Hallo, verweichlichter Himmelsdepp“, dachte Mephisto.

„Guten Morgen, Michael“, sagte er stattdessen.

Senta sagte gar nichts, sondern wies sie an, sich zu beeilen.

„Nur so nebenbei, Mephisto“ sprach Michael mit trauriger Miene: „ich bin mit der Gabe des Gedankenlesens vertraut! So viel zum < verweichlichten Himmelsdepp>“

„Oh entschuldige, mein Freund“, bedauerte Mephisto scheinheilig, nur um sich schließlich dem Tod zuzuwenden: „Senta, wo beginnt unsere Reise?“

Dieser wies mit einem verschorften Finger gen Norden. Wie aus dem nichts entflammte ein flimmerndes Bild, in dem sich ein grauer Granitbau zeigte. „Florida State Prison“, sagte Senta nur und flog voraus, gefolgt von seinen Begleitern.

Wenige Augenblicke später erreichten sie eine Kammer voller Menschen. Doch trotz dieser Ansammlung war es hier drin totenstill, mit Ausnahme eines hin und wieder ertönendes Schluchzen von ein paar der verhärmten Frauen. Die Menschen blickten alle angespannt in eine Richtung und sahen sehr ernst aus. In ihren Mienen fand man weder Milde, noch Wärme. Und sie warteten still und konzentriert.

„Das ist ja mal ein gelungener Auftakt“, bemerkte Mephisto lächelnd. Senta schwieg. Michael ebenso, auch wenn sein Blick nicht kalt und abweisend war und verriet, dass er Mephistos Bemerkung als abstoßend empfand.

Eine Tür wurde aufgestoßen. Durch sie betrat ein uniformierter Mann den Raum, gefolgt von einem in Handschellen Angeketteten und zwei weiteren Uniformierten, die jenen in der Mitte hineinbugsierten.

Der Gefangene war klein, hässlich und hatte eine schmierige, jedoch ausgemergelte Visage. Er knirschte etwas mit seinen gelben Zähnen und blickte stur geradeaus, nicht auf die Leute achtend, deren Blicke sich bei seinem Erscheinen schlagartig verhärteten.

Sie hassten ihn!

Er hatte abscheuliche Taten begangen und dafür wurde er nun bestraft. Der Mann namens Greg Hole war ein „Dead Man“!

„Mr. Hole, setzen Sie sich auf den Stuhl!“, forderte ihn der Wächter auf, der vorangegangen war.

Er tat, wie ihm geheißen. Man löste seine Handschellen, kettete seine Gelenke jedoch sofort an den Stuhl fest, ebenso seinen Hals an der Rückenlehne. Ein Schwamm wurde in Wasser getaucht und auf seinen Kopf gelegt. Man streifte ihm einen schwarzen Sack darüber und stemmte etwas auf seinen Kopf, dass wie ein übergroßer, ausgehöhlter Duschkopf aussah.

Greg hatte im Gesicht nicht den mindesten Anflug von Angst gezeigt, doch seine bebenden Hände verrieten ihn.

Wieder ertönte die sonore Stimme des Todestraktwächters. „Greg Simon Hole, Sie wurden schuldig befunden des Kindesmissbrauchs mit anschließender Tötung in 23 Fällen…“

„… und da haben sie ihm nicht einmal die Hälfte nachweisen können“ zischte Mephisto Michael böswillig zu.

„… daher wurden Sie zum Tode durch den elektrischen Stuhl verurteilt. Es wird nun solange Strom durch Ihren Körper laufen, bis Sie tot sind!“

Eine Frau weinte in ihr Taschentuch. Ein Mann, der aussah wie die ältere Version von Greg Hole, legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie tröstend an sich, sagte aber nichts. Sein Blick verriet immer noch Fassungslosigkeit und Leere. Die Luft war bis zum Zerreißen gespannt.

Der Wärter, der artig seinen Spruch aufgesagt hatte, gab nun das Signal an seine drei Kollegen hinten im Raum, die jeweils einen Druckknopf betätigen würden, damit niemand wusste, wer den Verurteilte nun wirklich ermordete. Es war nun soweit!

Man hörte ein leises Surren im Raum und sah sofort, dass die Wirkung des Stroms ihren Dienst tat. Gregs Glieder zuckten krampfartig und hätten ihn ohne die Fesseln wahrscheinlich vom Stuhl gerissen. Dumpfe, qualvolle Schreie, die man einmal gehört niemals wieder vergessen würde, drangen aus dem über den Kopf gestülpten Sack. Seine Finger umklammerten die Stuhllehnen so fest, dass unter den Nägeln das Blut hervorspritzte. Er verbrannte grausam bei lebendigem Leib, seine Organe barsten oder schmolzen bei der unvorstellbaren Hitze, die tödlich durch seinen Körper jagte.

„Jetzt verdampfen wahrscheinlich gerade seine Augen“, informierte Mephisto den Engel.

„Erstens weiß ich das selbst und zweitens amüsiere dich gefälligst nicht darüber!“ Sein Blick war angeekelt von der süffisanten Miene des Teufels.

Obwohl die Schreie des Verurteilten aufgehört hatten, zuckte der Körper weiterhin. Greg war also noch nicht tot! Solange nicht, bis der Tod endlich seine Sense hob und ihn damit durchbohrte.

Greg erwachte wieder.

Er wusste nicht, wo er war. Alles in seinem Kopf schien wie benebelt. Seine Augen waren schwer wie Blei und er fühlte sich schrecklich. Er hob den Kopf, der ihm schlaff von den Schultern gehangen war und betrachtete benommen den Raum um sich herum.

Wieso kann ich sehen? Wo ist der Sack?, waren seine ersten Gedanken!

Etwas stimmte hier nicht. Er sah den Raum, denselben Raum, dieselben Menschen. Seine Mutter, die ihn trotz seiner Taten immer geliebt und seinen Vater, der ihn deswegen verstoßen hatte. Die Eltern der Kinder, die er missbraucht und getötet hatte. Sie alle waren noch hier. Aber es schien, als würden sie sich nicht mehr bewegen - nein - als würden sie sich sehr langsam bewegen. Und so seltsam verzerrt!

Was war hier los?

Er blickte an sich herunter und bemerkte etwas Hartes, dass durch seinen Rumpf gebohrt worden war. Er verfolgte diesen Gegenstand, der in der Hand einer Kreatur endete.

Und seine Augen weiteten sich vor Angst als er die drei Botschafter aus dem Jenseits erkannte. Sie sprachen und was er da hörte, ließ Panik in ihm aufsteigen.

„Tja, da ist nicht viel zu holen, Michael“, sagte Mephisto ungnädig, der mit Absicht in der Sprache des anwesenden Menschen sprach, damit dieser ihn verstehen konnte.

Der Erzengel atmete tief aus: „Das weiß ich!“

„Wohin?“, fragte Senta.

Mephisto sah in Gregs Gesicht, bemerkte, dass er bei „wachem“ Zustand war und lächelte sanft: „Ich denke, 50.000 Jahre in der Hölle werden dir ganz gut tun, oder Greg?“

Dessen Miene versteinerte sich.

„Nicht ganz, Mephisto“, erwiderte Michael. „3.000 Jahre werden ihm aufgrund seiner Hinrichtung gutgeschrieben! Außerdem muss seine Reue noch berücksichtigt werden!“

„Reue, ein Tag vor seiner Hinrichtung entstammt nur der Angst vor dem Unbekannten! Das wird nicht beachtet!“

Der Erzengel versuchte es wieder: „Seinen Kindern war er ein guter Vater!“

Da lachte Mephisto tatsächlich auf: „Wirklich? Selbst von seinen Kindern hat er geträumt! Er hat sie gerne auf seinen Schoß genommen und ich denke, du weißt genau, was er dachte, als er mit ihnen Hoppe-Hoppe-Reiter spielte! Dafür schenke ich ihm keine Jahre!“

Beide, der Vertreter der Hölle und der des Himmels fachsimpelten, argumentierten und deuteten die Vergangenheit des nun verstorbenen Menschen, der sich im letzten Gericht seiner Existenz verantworten musste. Michael hatte die unglückliche Aufgabe, einen durch und durch bösartigen Menschen zu verteidigen und energisch nach Gründen zu forsten, die seine Zeit in der Hölle verkürzen würden.

Er hatte einen Menschen verprügelt, aber auch einst einer alten Frau geholfen, über die Straße zu gelangen. Er hatte seine Frau bestohlen, aber auch einem Bettler eine großzügige Spende gegeben.

Letztendlich kamen sie zu dem Ergebnis, dass Greg Hole die Qualen der Hölle für 45.380 Jahre durchlaufen musste.

„Nun, Senta, gib ihn mir“, forderte Mephisto den Tod mit einiger Genugtuung auf.

Greg wollte etwas einwenden, doch bevor er auch nur ein Wort gesagt hatte, blickte der Teufel ihm scharf in die Augen und sprach: „Der Tote hat kein Erhörungsrecht! Jeder Augenblick deines Lebens ist uns bekannt!“

Der Teufel hob seine Hand und augenblicklich bebte die Erde. Ein riesiger Riss erschien im Boden. Aus ihm entstand ein klaffendes Loch, das immer größer und größer wurde, bis ein Mann problemlos hineinpasste. Daraus drang fauliger und schwefliger Gestank in seine immaterielle Nase und ließ ihn stark husten.

„Bitte“, flehte er.

Doch der Teufel ließ sich nicht erweichen.

„Wir werden uns wieder sehen!“

Ein gequälter Schrei, der noch lange nachhallte und schon verschwand der Sünder in der Kluft und ward bald nicht mehr zu sehen.

Senta wies seine beiden Begleiter an, ihm zu folgen. Michael blickte sehr traurig, verharrte jedoch nicht länger in seiner Tristesse. Tod und Teufel waren gerecht gewesen – nicht gnädig, aber gerecht.

Des Tages wurden noch viele Seelen der Hölle, aber auch dem Himmel zugeteilt. Oft waren es Kinder, die den Himmel empor flogen. Das überirdische Gesetz zwischen Himmel und Hölle besagte, dass Kinder, die noch nicht die pubertäre Reife durchlebten oder Menschen, die bis zu einem gewissen Grad geistig beeinträchtigt waren, nicht für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden konnten und daher unweigerlich die Pforten zum Paradies betreten konnten. So schön diese Vorstellung auch war, so erschreckend war es jedoch, dass auch viele Kinder starben: Hunger, Krankheit, Mord und Unglück sind tägliche Ursachen für ein grausames Auseinanderreißen einander liebender Menschen!

Der Rundgang war beinahe zu Ende. Nur noch eine letzte Seele musste erlöst werden.

Sie befanden sich auf einem nahezu leeren Platz in einer kalten Großstadt. Es war dunkel geworden. Ein paar Nachtschwärmer besangen ihre Trunkenheit und ein paar Obdachlose hatten ein Lagerfeuer entfacht, um miteinander zu plaudern. Hin und wieder fuhr ein Auto oder fast leerer Bus vorbei.

Ihr Ziel war eine alte Frau.

Sie lag auf einer Bank mitten im Park und machte sich gerade „bettfertig“. Sie griff sich einen zerlumpten Mantel aus einer Papiertüte und legt ihn über sich. Ein alter ausgewaschener Strickpullover diente ihr als Kopfkissen. Einige Zeit lang schien es, als würde sie sanft und leicht ihrem Bewusstsein entschwinden, ihrem realen, harten Leben, das ihr so übel mitgespielt hatte. Sie würde in eine wunderbare Traumwelt tauchen, die ihr ungeahnte Möglichkeiten eröffnete.

Carla Sembrikova war müde und erschöpft, ihr Geld hatte kaum für eine Mahlzeit gereicht. Doch da der Hunger nichts Neues für sie war, versuchte sie zu schlafen. Allerdings hatte sie die Rechnung ohne die zwei Jugendlichen gemacht, die hinter der Ecke eines Hochhauses einbogen, Carla bemerkten und scheinbar sehr lustig fanden.

„Hey Omma, bisse besoffen, odda wat?“, schrie der größere der beiden. Er hatte einen glatt rasierten Kopf und trug ein für ihn viel zu langes Basketball-Trikot und eine ausgefranste Hose, die ihm schon alleine vom Taillenumfang viel zu groß war.

„EY! Willste für´n Zwanni mit mir vögeln, Omma?“, brüllte der andere vergnügt, der etwas aussah wie ein Troll. Er war kleiner als sein Kumpan und hatte mächtige Muskeln am ganzen Körper. Die alte Frau war auf ihrer Bank erstarrt. Sie sah die beiden jungen Männer, hoffte aber in Ruhe gelassen zu werden, indem sie so tat, als würde sie schlafen. Doch die beiden kamen zu ihr hinüber.

Der größere, Mike, kam mit seinem Gesicht dicht an ihr Ohr und schrie mit voller Kraft hinein. Carla zuckte zusammen und fiel von ihrer Bank auf den Boden. Der Schrei hatte in ihrem Ohr einen höllischen Schmerz verursacht.

Michael schrie empört auf. Mephisto schnaubte verächtlich.

„Siehste Max, die is wach. Was habbich gesagt?“, plärrte der Mann seinen Freund an.

„Geil“, antwortete der. Dann wandte er sich an Carla: „Warum sagstn nix, Omma?“ Sie beide stanken nach Alkohol und Schweiß. Die alte Frau zitterte vor Angst und hielt sich stöhnend ihr schmerzendes Ohr. Mike spuckte sie von oben herab an und trat ihr in den Bauch. Sie schrie auf vor Schmerz und weinte. Mit einem russischen Akzent flehte sie: „Bitte, hört auf, lasst mich in Ruhe!“ Der Teufel betrachtete die Frau, wie sie dort am Boden lag. Ihm sollte es gleichgültig sein. Doch diese verdammte Erinnerung…

Die beiden Männer lachten bloß schallend und schauten hämisch zu der alten Frau hinunter. Was waren sie beide doch für coole Jungs!

Glauben Sie bloß nicht, dass es so etwas auf Ihrer Welt nicht gibt!

Max zerrte die arme Frau mit einer leichten Handbewegung an den Haaren nach oben, die vor Qual wegen ihrer zu brennen scheinenden Kopfhaut erneut jammerte und zu weinen begann.

„Mann Alte, halt´s Maul!“, sprach Mike und schlug mit seiner geballten Faust in ihr Gesicht. Es knackte laut und ihr Unterkiefer stand in einem merkwürdigen Winkel von ihrem Gesicht ab. Sie kreischte, brüllte unbeherrscht auf und litt Höllenqualen.

Mephisto und Michael blickten sich unbeholfen in dem Park um. Beide sahen in die entgegen gesetzten Richtungen und betrachteten, wie die anderen Landstreicher neugierig oder verängstigt zu Carla und den zwei betrunkenen Jugendlichen hinüberblickten! Als sie schließlich erkannten, was sich dort abspielte, drehten sie sich erschrocken um und taten so, als könnten sie die Frau nicht hören, die in ihrem erbärmlichen Zustand am Boden lag und weiterhin von den zwei Männern geschlagen und drangsaliert wurde, während die Peiniger unentwegt und hoch amüsiert lachten und Witze rissen! Mephisto fühlte, wie sich sein Bauch von Sekunde zu Sekunde mit mehr und mehr Wut füllte! Was waren diese Menschen für Feiglinge! Dort lag sie, unverkennbar eine Frau in Not und niemand unternahm etwas. Und es wollte nicht enden!

Mephisto fragte sich, warum er, Michael und Senta schon so früh zur Stelle waren! Je länger er die beiden jungen Kerle ansehen musste, desto wütender wurde er! Mittlerweile raste er innerlich vor Zorn, musste sich jedoch zurückhalten… er durfte die Beherrschung nicht verlieren! Nicht schon wieder! Er versuchte seinen Groll hinunterzuschlucken und atmete dabei immer heftiger!

Max machte schließlich eine Bewegung, die dem Teufel die Haare zu Berge stehen ließen und schließlich einen Bann brach!

Der besoffene Kerl öffnete seinen Reisverschluss! Er bückte sich über Carla, riss ihr die Hose vom Leib…

„Wie pervers kann man denn nur sein?“, entrüstete sich Michael! Er sah aus, als sei ihm übel!

„Na alte, willsde nomal gefickt werdn?“, brüllte Max sie an! Carla, ungnädigern Weise immer noch bei Bewusstsein, weinte noch heftiger und flehte zum lieben Gott, er möge sie vor diesen widerlichen Kreaturen bewahren! Max packte sein „Gerät“ aus und beugte sich noch tiefer zu ihr! In seinem Gesicht konnte man widerliche Vorfreude entdecken, als er weiter und weiter hinab sank, um seine ekelerregende Fleischeslust zu stillen! Nur noch wenige Zentimeter war sein stinkender Körper von ihrem entfernt!

Doch weiter kam er nicht!

Denn plötzlich riss ihn etwas an seinem Nacken hinauf und schleuderte ihn mit voller Wucht gegen eine weitere, nahe stehende Parkbank! Dann fiel er zu Boden und regte sich nicht mehr!

Mike war erstarrt. Natürlich sah er nichts, was seinen Freund weggestoßen haben konnte. Er war sichtlich erschrocken und lief wild schreiend und stolpernd davon.

Der Erzengel Michael sah den völlig außer sich vor Zorn geratenen Mephisto mit erkennbarer Ehrfurcht im Gesicht an, der Senta die Sense aus der Hand riss und sie inmitten des Leibes von Carla schlug, die daran hängen blieb.

Der Teufel blickte dem Tod in die Augen: „Das nächste Mal“, brüllte er und sah bedrohlich aus: „schickst du uns entweder später zum Opfer oder bohrst deine bescheuerte Sense früher in sie hinein! Wir haben schließlich Besseres zu tun, als die völligen Abgründe der Menschheit zu beobachten!“ Auch jetzt wollte Mephistos Raserei nicht abnehmen.

Der Tod sagte gar nichts. Ihm war es egal, dass er angeschrieen oder seine Sense genommen wurde, um Carla zu töten. Er hatte nur einen Plan einzuhalten, und Carla, ob es nun noch Stunden gedauert hätte, war eben die nächste gewesen, die er zu holen beordert worden war. Ohne auf das heftige Schnaufen des Teufels zu achten, fragte er in seiner gewohnt monotonen Weise: „Wohin mit der Toten?“

Weder Michael noch sein Gefährte gaben eine Antwort. Der Engel war ebenso schockiert, wie auch beeindruckt. Es war das erste mal, dass er Mephisto hatte Gefühle zeigen sehen. Normalerweise machte es ihm nichts aus, jemanden sterben oder gefoltert werden zu sehen. Selbst Kinder, die vor seinen Augen getötet wurden, erbarmten seinen kalten Blick nicht. Doch hier, an dieser Stelle, hatte er es nicht mehr ertragen können, eine alte Frau ihren Qualen zu überlassen.

„Wohin mit ihr?“, wiederholte Senta.

„In den Himmel, Senta“, antwortete Michael sanft. Der Tod wandte sich an Mephisto. „Was sagst du dazu?“

Der Teufel blickte ihn verdrießlich an, nahm aber nur wenige Augenblicke später seine gewohnte, kalte und teilnahmslose Haltung an. „Du hast Michael gehört! Sie kommt in den Himmel. Das ist meine eigene Schuld!“

Er sah hinüber zu der am Boden zusammengekauerten Gestalt namens Max, steuerte sie an und beugte sich neben sie. Dann legte er eine Hand auf den Körper und ein roter Schimmer erschien nahe über seinen Handrücken.

Er musste diesen verfluchten Perversen heilen. Ansonsten würde er noch härter bestraft werden, als es ohnehin schon der Fall war.

Mission gescheitert

Mephisto

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