Читать книгу Beten - Jürgen Fliege - Страница 5

Vorwort von Ruediger Dahlke

Оглавление

Ist dies nun ein Lehrbuch fürs Beten? Ja und nein. Jürgen Fliege schreibt sicher kein Gebetbuch für evangelische Kirchgänger. Zwar wäre gerade das aus meiner Sicht eine große Chance dieser Kirche, denn er ist wohl der einzige Pfarrer, den noch alle in Deutschland kennen. Er kann Brücken schlagen von der Tradition zur Moderne und Traditionen verbinden und das sonst so schmerzlich fehlende spirituelle Element einbringen ‒ auch aus diesem Grund habe ich immer gern mit ihm geredet, auf Fernsehbühnen wie privat. Er kann reden, schreiben und Fernsehen machen, und das ist heute so wichtig.

Allerdings ist er nicht nur offen und weise, sondern auch kritisch, was einem Protestanten eigentlich gut anstünde. Aber die protestantische Kirche mag keine Protestanten, die auch einmal protestieren, wenn die Kirche fehlgeht oder es ihr an etwas fehlt. Sie erkennt darin jedenfalls nicht ihre Chance. So bleibt Jürgen Fliege wohl ihr verlorener Sohn. Schon mein Religionslehrer konnte nie befriedigend erklären, warum der Hausherr ausgerechnet diesem Ausbrecher und Aufrührer, diesem Hallodri, ein Fest ausrichtete und nicht dem, der brav bei ihm zu Hause sitzen gebliebenen war. Nun hat ja diese Kirche heute nicht mehr viel zu feiern, aber wenn, würde sie sicher lieber für die braven Sitzenbleiber als für die lebendigen verlorenen Söhne Feste ausrichten. Und sie hat ja inzwischen Millionen verlorene Söhne und Töchter. Eigentlich sind es sogar Vertriebene, und für diese scheint mir dieses Buch geschrieben, denn wer stieße da auf mehr Resonanz als Jürgen Fliege?

Das Gute an seinem Protest ist auch, dass sein Buch dadurch viel umfassender, viel weiter zielend geworden ist. Für die letzten braven und (un-)protestantischen Kirchenchristen ist es wohl eher nichts. Oder doch ‒ wenn sie zu ihren Wurzeln zurückwollen, weil ihnen heruntergeleierte Worthülsen als Gebete nicht mehr genügen.

Wer dieses Buch erlebt, hat wahrscheinlich, so wie ich, seine eigene Bet-Geschichte. Vielleicht hat er sich, wie ich mich selbst auch, dabei ertappt, beim Vaterunser „Dein Wille geschehe“ zwar zu sprechen, aber dabei zu denken: „Lieber Gott, ich hätte da ein paar Vorschläge, bitte richte das so und so …“ Also nicht sein Wille, sondern mein Wille geschehe – und schon sind wir dem Schattenprinzip aufgesessen, wie es wohl vielen geht, die beten mit betteln verwechseln.

Tatsächlich rät Christus in dem einzigen förmlichen Gebet, das er uns in Lukas 11 auf die Frage eines Jüngers hin gegeben hat, wir sollten uns seinem übergeordneten Willen anvertrauen, und zwar wie oben, so unten, wie im Himmel, so auf Erden, also überall und in allem. Es geht darum, Ja zu sagen zu seiner Schöpfung und vielleicht noch Danke dafür, dass wir darin sein dürfen. Zustimmung ist also der Schlüssel zu Gott und Beten der Weg dorthin.

Das versteht Jürgen Fliege in diesem Buch unter „Beten“, und das müssen wir wirklich erst wieder lernen, wie das Meditieren. Dann kann es Trost spenden, und was wäre wichtiger, als Trost zu finden? Deshalb muss Beten unbedingt gelernt und muss – wie es hier so schön geschieht – gelehrt werden. Christus lag daran, uns beten so zu lehren: Wir sollen in den Augenblick eintreten oder, noch besser, im Augenblick versinken, uns völlig entspannt dem Hier und Jetzt ergeben, statt völlig verkrampft im Wenn und Aber zu verharren. Wie die Vögel des Himmels, die nicht säen und nicht ernten und doch genährt werden. Unter dieses Vertrauen gehören wir alle, das lehrt dieses wundervolle Buch. Wunder sind möglich – in jedem Augenblick.

Es geht also um ein Beten ohne Worte, ein Horchen und Gehorchen und ein Eintauchen in die Stille. In der Stille hören wir Gottes Stimme am klarsten, wie Meister Eckhart sehr treffend weiß: „Ich sitze auf einem Stein und horche, was Gott in mir spreche.“

Ruediger Dahlke,

Fürigen, im Februar 2017

Beten

Подняться наверх