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Samstag, 03. Februar 2018

Jola

Sie öffnete ihre Augen und starrte an die Zimmerdecke, dabei entkam ihr ein leises Fuck. Was war geschehen? Ihr Mund fühlte sich trocken an … Nein, ausgetrocknet. Sie hatte wieder einmal zu tief ins Glas geschaut. Wie so oft ärgerte sie sich über ihr Verhalten, denn der Kater am Tag danach war weniger spaßig als die nächtliche Sauftour. Das Pochen hinter den Augenhöhlen trug auch nicht dazu bei, sich besser zu fühlen. Sie versuchte, sich die letzte Nacht ins Gedächtnis zu rufen …

Es war kalt gewesen, bitterkalt … Sie hatte Leute gesehen, Lärm gehört, und plötzlich war sie in ein Handgemenge geraten. Die Gasse war nur spärlich von den Laternen beleuchtet gewesen, die von der Straße her schienen. Sie erinnerte sich, eine Hand in ihrem Nacken gespürt zu haben … Eine kalte Hand. Da war Lennon …

Genau! Sie waren zusammen unterwegs gewesen. Was genau letzte Nacht passiert war, wusste sie nicht. Aber sie war am Leben, das war das Wichtigste. Und sie lag neben Lennon – im Schlafzimmer seiner kleinen Mietwohnung in Sankt Lorenzen. Mit einem Grinsen im Gesicht drehte sie sich zur Seite, um ihren Freund anzusehen, doch sie musste feststellen, dass sie alleine im Bett lag.

„Lennon?“

Verunsichert richtete sie sich auf und schaute sich im Zimmer um. Ihr Blick glitt über einen alten Röhrenfernseher und den Schreibtisch, auf dem ihr Freund gelegentlich Joints drehte. Gegenüber war ein Kleiderschrank aufgebaut, sowie ein quietschendes Metallbettgestell mit einer durchgelegenen Matratze, auf der Jola nun aufrecht saß. Über dem Bett war ein Fenster mit blauen Vorhängen, die den Raum nur gering abdunkelten. Ein eisiger Lufthauch strich über ihre Haut, sie fröstelte. Ruckartig zog sie die Vorhänge zur Seite und schloss das gekippte Fenster, dann legte sie sich die schwere Decke über die Schultern.

„Lennon?!“, rief sie nun lauter. Aus der Küche glaubte sie, ein Lied von The Interrupters zu hören. Die Songs dieser Ska-Punk-Band begleiteten sie seit dem Abend, an dem sie mit Lennon zusammengekommen war. Eigentlich hieß ihr Freund Leonard Kobatz. Sein Spitzname passte zu ihm, zumal er auch eine gewisse optische Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Musiker John Lennon aufwies. Als Paar wurden sie oft Jo & Lennon genannt – in ihrem Freundeskreis sprach sie kaum jemand mit ihren Vornamen an.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich die Zimmertür öffnete und ihr Freund mit einem Bademantel und Hausschuhen bekleidet den Raum betrat. Seine langen verfilzten Haare hingen ihm ins Gesicht und er wirkte amüsiert, als er sagte: „Da ist ja meine Kleine! Ich dachte, du wärst tot, so wie du geschlafen hast! Und plötzlich höre ich dein hysterisches Gekreische.“

„Ich bin nicht hysterisch“, gab Jola murrend zurück. Lennon neigte gerne zu Übertreibungen. Als sie die Decke enger um sich schlingen wollte, spürte sie einen Stich unter dem rechten Schulterblatt. „Aua, verdammt …“

„Och …“, begann Lennon und kam wankend auf sie zu. „Du siehst ganz schön mitgenommen aus.“

Meine Damen und Herren, darf ich vorstellen? Leonard Kobatz, ein Charmeur, wie er im Buche steht, dachte sich Jola, während sie darauf achtete, ihre Schulter nicht weiter zu bewegen. Das Metallgestell protestierte mit einem lauten Quietschen, als sich ihr Freund zu ihr setzte und den Arm um sie legte.

„Da hast du aber ganz schön was abbekommen“, meinte er und stupste mit dem Finger auf ihr rechtes Jochbein.

„Aua, warum machst du denn sowas?“, fragte Jola genervt und wich zurück, als ein stechender Schmerz durch ihre rechte Gesichtshälfte jagte.

„Sorry, Babe“, sagte Lennon und grinste amüsiert. Anscheinend hatte er Spaß daran, sie zu ärgern. Aber davon wollte sich Jola nicht provozieren lassen und fragte mit ruhiger Stimme: „Was … ist denn gestern Abend passiert?“

„Das wollte ich dich eigentlich fragen. Mann, ich war so voll, ich weiß nur noch, dass uns irgendwelche Idioten ganz schön dumm angemacht haben. Keine Ahnung, wer die waren. Auf jeden Fall waren sie tierisch aggressiv. Haben nur blödes Zeug gelabert und wollten dir an die Wäsche. Tja, viel mehr weiß ich auch nicht mehr.“

„Vielleicht sollten wir uns das nächste Mal nicht so zudröhnen.“

„Was? Machst du Witze?“ Lennons kleine Augen weiteten sich. „Wir hatten doch irre Spaß, Jo!“

Spaß? Das nennst du Spaß? Mir tut alles weh und mir geht es echt beschissen. Unter Spaß verstehe ich etwas anderes.“

„Mein Gott, jetzt reg dich mal nicht so künstlich auf! Sei froh, dass wir von der Schlägerei nicht so viel mitbekommen haben.“

Mit diesen Worten stand Lennon auf und ging hinüber zum Schreibtisch. Er zog die Schubladen auf und holte Gras heraus, um einen Joint zu drehen.

Jola beschloss, dazu nichts zu sagen. Im Grunde hatte er ja gar nicht so unrecht. Sie lehnte sich an die Wand und ließ ihren BH-Träger über die Schulter gleiten, um die schmerzende Stelle mit ihrer Hand sanft zu massieren.

Kurz darauf gesellte sich Lennon wieder zu ihr. Er zündete den Joint an und nahm einen Zug. Jola roch den süßlichen Duft und nahm die Hand von ihrer Schulter, um nach der Zigarette zu greifen, doch Lennon hielt diese weg und fragte: „He, he, he! Was soll denn das?“

„Was soll was?“

„Ich dachte, du verstehst was anderes unter Spaß.“

„Ja, wenn wir in der Öffentlichkeit sind und nicht mehr wissen, wo vorne und hinten ist. Also gib her!“

„Ich weiß nicht so recht, …“, Lennon sprach nun betont langsam, „… ob ich das Zeug jemanden rauchen lasse, der auf einmal seine Meinung geändert hat. Weißt du, dein Verhalten gibt mir sehr zu denken …“

Jola hielt es nicht mehr aus. Lennon wollte sie nur damit aufziehen, das wusste sie genau. Außerdem machte der süßliche Duft sie wahnsinnig, wenn sie nichts davon abbekam. „Ich habe nur geblufft, und jetzt gib her!“

Lennon nahm einen weiteren tiefen Zug und streckte daraufhin die Hand in die Höhe.

„Du Arsch! Gib her!“, rief Jola lachend und wollte nach dem Joint greifen – dabei verlor sie das Gleichgewicht und fiel auf ihren Freund. Sie kam über ihm zum Liegen. „Was hast du vor, du wilde Hexe?“, fragte Lennon und kicherte.

Jola öffnete seinen Bademantel und begann, ihn am Schlüsselbein zu küssen, dabei passte sie auf, dass sie seine blauen Flecken nur vorsichtig streifte. „Oh, du Luder“, hörte sie Lennon leise sagen, der sich entspannte und die Augen schloss. Ihr Mund wanderte zu seiner Brust und er fing an zu stöhnen. Bei seinem Bauchnabel angelangt, hielt sie inne, denn Lennon verspannte sich wieder.

„Fuck!“, entkam es ihm und er warf sie beinahe aus dem Bett, als er sich aufrichtete. Vor lauter Entspannung hatte er den Joint vergessen, der in seiner Hand über der Matratze gebaumelt hatte. Nun hatte die Bettwäsche ein Brandloch.

„Na ja, halb so schlimm“, meinte er und zündete ihn wieder an. Er nahm einen Zug, der Jola wie eine halbe Ewigkeit vorkam. „Sorry, Süße, jetzt kannst du weitermachen.“

„Nur, wenn ich auch mal drankomme.“ Mit einem versauten Grinsen reichte Lennon ihr den Joint und sie zog gierig daran. Sie fühlte sich mit einem Mal federleicht und die Gedanken an die nächtliche Auseinandersetzung waren wie weggeblasen.

„Jetzt kommst du dran“, flüsterte Lennon ihr grinsend zu und zog sie an ihrem losen BH-Träger zu sich. So gefiel er ihr schon besser.

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