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6. Miles

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6. KAPITEL

MILES

Miles became our greatest innovator, more than even Bird. ~ RED RODNEY (SIDR, 48/2)

I just pick up my horn and play the hell out of it. ~ MILES DAVIS

In der Welt Marlon Brandos und John Osbornes war Miles der zornige junge Trompeter, attraktiv, unvorhersehbar und smart. Miles brauchte keinen Nachnamen. ~ GARY GIDDINS

Coltranes Melancholie war durch all die Erfolglosigkeit, Entschlusslosigkeit und Mittellosigkeit immer stärker geworden. Monatelang ohne festes Engagement, stieg er bei einer x-beliebigen Band ein, nur um ein paar Blues-Chorusse blasen zu können. Bis ihn eines Tages sein Freund Philly Joe Jones, der Schlagzeuger, einem neuen Arbeitgeber empfahl. »Ich hatte 1949 mit Philly Joe Jones gearbeitet und kannte Miles, und als er sich entschloss, ein Quintett zu formieren, machte ich mit. Immer habe ich gespürt, dass ich mit Miles spielen wollte. Er brachte mich wirklich ans Arbeiten. Alles, was ich bei ihm 1955 probierte, hätte ich eigentlich schon um 47/48 anpacken sollen. Zehn Jahre später war ich also endlich wieder im Geschäft. Ich versuchte, sehr vieles aufeinander-zupacken in diesen fünf Jahren, und strengte mich an, mich wieder hochzurappeln« (DeVi, 64). Der Trompeter hatte seinen Lieblingssaxophonisten Sonny Rollins verabschieden müssen. Der seinerzeit als Geheimtipp gehandelte Saxophonist John Gilmore aus Sun Ras Band kam ins Gespräch, schien Miles aber kein gleichwertiger Ersatz für Sonny. Dann lud er Trane nach New York ein, man probte ein paar Tage zusammen, doch weder musikalisch noch menschlich funkte es bei diesem ersten Treffen, worauf John erst einmal wieder nach Philadelphia zurückfuhr. Später fragte ihn ein Journalist, ob Miles ihm gesagt habe, was er hören wollte, und Trane lachte: »Miles? Mir was sagen? Das find ich gut! Nein, Miles hat mir nie was gesagt. Ich spielte immer genau so, wie ich das wollte« (Port, 100).

1955 singt Marian Anderson als erste schwarze Opernsängerin an der New Yorker Metropolitan Opera ~ Sugar Ray Robinson, ein Idol der Schwarzamerikaner, feiert nach einer dreijährigen Pause, in der er sich als Tänzer versucht hat, ein Comeback im Boxring ~

Dem Mentor von Miles und Idol Coltranes, Charlie Parker, hatten die Ärzte jahrelang ein frühes Ende prophezeit, sollte er seinen selbstzerstörerischen Lebensstil nicht drastisch ändern. Bird starb am 12. März 1955 in New York im Alter von nur 34 Jahren vor dem Fernseher in der Wohnung der Jazzmäzenin Pannonica de Koenigswarter. Er hatte den Jazz entscheidend verändert und miterleben müssen, wie sein Expartner Dizzy Gillespie zum Publikumsliebling avancierte, während er selbst - ähnlich wie das Mastermind des modernen Jazz, Thelonious Monk - letztlich ein Außenseiter blieb. Im dritten Buch seines großen Roman du Jazz - Les Modernes erzählt Philippe Gumplowicz vom Aufstieg und Fall dieses Genies der Bebopgeneration und rekonstruiert minutiös die vielen Stationen seines kurzen, bewegten Lebens.

Im September trat John Coltrane einen Job beim aufsteigenden Hammond-orgelstar Jimmy Smith in Spiders Kelly in Philadelphia an, aber auch das nur für einige Wochen. John hatte bald genug von dessen Sound: »Wow! Ich wachte mitten in der Nacht auf, Mann, und hörte diese Orgel. Ja, diese Akkorde schrien mich förmlich an« (Port, 95). Jimmy hätte ihn gerne in seiner Band behalten, doch in New York begann Miles wieder Pläne mit ihm zu haben. Im Juli 1955 wurde Miles Davis für sein Solo in »Walkin'«, einem down home swingenden Blues, beim zweiten Newport Jazz Festival im Juli begeistert gefeiert. Damit hat er nach seinem Drogenentzug ein Comeback auf einer großen Bühne. Fest entschlossen, nun eine eigene Band auf die Beine zu stellen, war es dem Trompeter auf der Suche nach einem Plattenlabel endlich gelungen, seinen Wunschpartner Columbia für sich zu interessieren. Der Produzent George Avakian hatte seinem Freund versichert: »Wenn du eine Gruppe findest und sie zusammenhalten kannst, nehme ich dich auf.« Avakian ließ das auch gleich Miles' Agenten Jack Whittemore wissen, der sich daraufhin für die neue Band mächtig ins Zeug legte. Sechs Monate war Miles jetzt »nach einer vierjährigen Horrorshow« clean; mittlerweile hatte er seinen eigenen Ton gefunden, jenen »Allein-in-Alaska-Sound«, wie ihn der Saxophonist Jackie McLean nannte. Sonny Rollins fiel als Saxophonist an seiner Seite erneut aus, er hatte sich zu einer Entziehungskur nach Kentucky in eine Suchtklinik mit vergitterten Fenstern zurückziehen müssen. So fanden Miles und Trane endlich zusammen und es begann eine der intensivsten und fruchtbarsten Beziehungen der Jazzgeschichte, die insgesamt fünf Jahre halten sollte.

Als Trane am 27. September 1955 im Club Las Vegas in Baltimore seinen Einstand in der Band von Miles gab, sprang der berühmte Funke über - wie so oft im Jazz nicht im Studio, sondern vor Publikum. »Schneller, als ich es mir vorstellen konnte, spielten wir eine unglaubliche Musik«, resümiert Miles Davis in seinen Memoiren die erste Zeit mit Coltrane. »Trane war der Einzige, der alle Stücke kannte, deshalb brauchte ich ihn. Außerdem wusste ich, dass dieser Typ unglaublich war, dass er auf dem Tenor genau den Sound brachte, der meinen Ton hervorhob ... Coltrane und ich wurden durch diese Band zur Legende« (Port, 98). Nach dem Gig in Baltimore traten sie zwei Wochen lang im New Yorker Birdland auf, dem berühmten, nach Charlie Parker benannten Club. Rasch wuchs nun die neue Gruppe zusammen und wurde bald so populär, dass ihr Agent einen prall gefüllten Terminkalender vorweisen konnte. Miles rief Avakian bei Columbia an, er solle sich die Band live anhören, und fügte noch hinzu: »Coltrane schafft sich wirklich toll rein!« Es war eine junge Formation, mit dem erst 20-jährigen Bassisten Paul Chambers, von Miles als Ersatz für Oscar Pettiford angeheuert, mit Red Garland am Klavier und dem in New York noch relativ unbekannten, enorm swingenden Schlagzeuger Philly Joe Jones, Jahrgang 1923. Garlands Blockakkorde pushten die Gruppe, während Paul Chambers - wie alle großen Instrumentalisten im Jazz an praktisch jedem Ton erkennbar - wunderbare Soli mit dem Bogen spielte und mit der Zeit das Bassspiel revolutionierte. Seine gesamte Karriere hindurch war Miles ein talent spotter, der instinktiv und früher als andere erkannte, wo die Stärken eines Spielers lagen und ob er reif für seine Band war.

Das später so genannte »erste Quintett« von Miles sollte zunächst nur bis zum Frühjahr 1957 halten. In musikalischer Hinsicht begann das neue Team zu funktionieren, rein menschlich lagen noch Welten zwischen Miles und Trane. Und während der eine seine Heroinsucht überwunden hatte, steckte der andere noch mittendrin.

Um diese Zeit erlebte der afroamerikanische Dichter Michael S. Harper den Saxophonisten zum ersten Mal live. Harper hatte gerade die Highschool beendet und versuchte eine Unterhaltung mit ihm zu führen, fand Trane aber nicht sehr gesprächig; zwar sei er freundlich gewesen, aber ganz in seine Musik vertieft. Harper, der mit viel schwarzer Musik aufgewachsen war und sich schon früh für Avantgardejazz interessierte, hatte in Los Angeles dieselbe Schule besucht wie Eric Dolphy. Eine unsichtbare Trennlinie zwischen Schwarzen und Weißen sei damals mitten durch Los Angeles verlaufen, entlang der LaBrea Avenue, erzählt er. Der Romancier Christopher Isherwood motivierte ihn zum Schreiben; später veröffentlichte er seinen Lyrikband Dear John, Dear Coltrane, der für den National Book Award nominiert wurde. 1964 unterrichtete er in San Francisco und als Coltrane in der Stadt gastierte, besuchte Michael S. Harper zwei Wochen lang Abend für Abend sämtliche Auftritte der Band i nklusive der Matineekonzerte. »Was ich an Coltrane sehr mochte, war, dass er nie die Leute runtermachte, von denen er gelernt hatte; er spielte die Stücke von Lester Young und Coleman Hawkins immer mit großem Respekt. Er huldigte ihnen, was nicht die Regel ist in einer Welt, die so stark vom Wettbewerb geprägt ist und wo jeder sich seinen Anteil holen will. (.) Bei uns kursierte dieser Witz über Coltrane. Er spielte so intensiv und seine Musik stellte so hohe Ansprüche, dass er immer schlagartig sämtliche Türen eintrat, wissen Sie. Und die Leute sagten dann: ›Mann, wir haben dich gar nicht klopfen gehört. Hättest du einfach angeklopft, hätten wir die Tür geöffnet‹« (Lock, 92).

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