Читать книгу John Coltrane - Biografie - Karl Lippegaus - Страница 13

8. The Quintet

Оглавление

8. KAPITEL

THE QUINTET

In jazz music, it's the sound that swings. ~ DON CHERRY

You can play behind the beat, but every once in a while you have to cut into the rhythm section on the beat and that keeps everybody together. ~ MILES DAVIS

Miles' rhythm makes the group come together, like a magnet. ~ GIL EVANS

Obwohl nur ein paar Monate jünger als der Trompeter, hatte Trane im Gegensatz zu Miles, vor allem was eine Plattenkarriere sowie die Erfahrungen als Bandleader betraf, bislang ein Schattendasein geführt. Allmählich jedoch überwand er die Phase seiner »verlorenen Jahre«, die ihn jahrelang gelähmt hatte, und begann in der Musikwelt Fuß zu fassen. Obwohl es für viele ausgesehen haben muss, als habe Miles dieses große neue Talent entdeckt, hatte Coltrane in Wahrheit im Alleingang lange und hart an sich gearbeitet und das begann jetzt Früchte zu tragen. Schaut man sich die spärlichen Schwarzweißfilme an, in denen die beiden zu sehen sind, gewinnt man den Eindruck, dass John sich oft unsicher gefühlt haben muss, plötzlich im Rampenlicht neben einem so charismatischen Bandleader zu stehen. Miles hatte sich angewöhnt, nach seinem Solo sofort die Bühne zu verlassen und Trane mit Rhythmusgruppe allein zu lassen, während er selbst in den Kulissen stand, rauchte und der Band scheinbar beiläufig zuhörte. Bald wurden erste kritische Stimmen laut, die John noch lange verfolgen sollten: Er versuche andere Saxophonisten zu imitieren, er überfrachte sein Spiel und jongliere mit Einfällen, die er kaum je schlüssig umzusetzen wisse. Miles ließ sich von diesen geschmäcklerischen Urteilen - die vielleicht einem Unbehagen am Neuen entsprangen - niemals in der eigenen Einschätzung seiner Mitspieler beirren. Er verteidigte sie und hielt an der Entscheidung für Coltrane als zweitem Bläser in der Frontlinie fest.

Wenigen schien damals aufzufallen, dass diese Band gerade ein neues Kapitel Jazzgeschichte schrieb, und es war ein Musiker und kein Kritiker, der die große Wende quasi über Nacht kommen sah. Der Arrangeur Sy Johnson erlebte damals einen fulminanten Auftritt des neuen Quintetts im Jazz City in Los Angeles und resümierte ihn mit dem Satz: »Das zerstörte den ganzen West-Coast-Jazz über Nacht« (Port, 99). Der Saxophonist Stan Getz, einer der Stars des Cool Jazz, wollte mit der Band jammen, worauf Miles den schüchternen Trane erst überreden musste, wegen Stan the Man nicht fluchtartig die Bühne zu verlassen, sondern sich der Herausforderung zu stellen. Unversehens lief Trane an jenem Abend zu Hochform auf und blies Getz an die Wand. 1960 trafen die beiden Tenorgiganten bei einer kurzen Jamsession in Düsseldorf noch einmal auf einer Bühne zusammen. Wieder wurde deutlich, dass Welten zwischen ihren Spielweisen lagen, dem traditionellen Stil von Stan Getz, der vieles dem Einfluss Lester Youngs verdankte, und dem unvergleichlichen Innovationsdrang Coltranes.

Nichts bereitete John solches Kopfzerbrechen wie der Zustand seines Horns und nie gab er sich mit einmal gefundenen Lösungen zufrieden. Wie alle großen Saxophonisten im Jazz - Coleman Hawkins, Lester Young oder Ben Webster - bastelte er ständig an seinem Mundstück herum, auf der Suche nach jenem charismatischen Sound, der nur ihm gehörte und an dem ihn jeder sofort erkennen würde. Trane verbrauchte Rohrblätter päckchenweise und schleppte immer eine Tasche voller Mundstücke mit sich herum. Der Saxophonist Francois Jeanneau schickte ihm aus Paris später Rohrblätter, die in Frankreich hergestellt wurden. Auch in dieser Suche nach seinem Klangideal, die ihren Anfang bei der Wahl des Rohrblattes nahm, zeigt sich Trane als ein Getriebener, immer selbstkritisch und unsicher. Einmal reiste er nach Florida, um Otto Link kennenzulernen, der Mundstücke herstellte. Link fertigte für ihn eins nach Maß und verkaufte ihm ein anderes, das angeblich aus dem Metall eines alten deutschen Panzers hergestellt war; doch auch mit dem Sound war Trane nicht zufrieden und kaufte weiter Mundstücke, die zwischen zwanzig und dreißig Dollar pro Stück kosteten. Es wurde sogar behauptet, er habe sich die Vorderzähne runder feilen lassen, um einen optimalen Ansatz - das Zusammenwirken von Mundstück, Blatt und Mundmuskeln - zu ermöglichen. »Ich höre da einen Sound. Es ist, als würdest du eine Muschel ans Ohr halten, oder wie New York um halb fünf oder fünf Uhr morgens« (Simp, 135).

»Das richtige Blatt zu finden ist sehr wichtig«, erklärte einmal Sonny Rollins. »Ich gehe oft mehrere Schachteln von Blättern durch, bevor ich das richtige finde (es sind immer fünf in einer Box). Wenn ich das richtige gefunden habe, bewirkt es, dass ich mehr spielen will, es beeinflusst, was und wie ich spiele. Gewöhnlich hält ein gutes Blatt nur ein Konzert lang. Beim nächsten muss ich die ganze Prozedur wiederholen. Aber nach dem richtigen Blatt zu suchen gleicht fast einer mystischen oder magischen Erfahrung für einen Holzbläser. Finde ich das richtige, weiß ich, dass ich die Chance habe, wirklich gut zu spielen. Ich erinnere mich, wie ich vor vielen Jahren John Coltrane besuchte, als er in der Jazz Gallery auftrat. Ich ging in seine Garderobe und er musste um die fünfzig Blätter da liegen haben, die er alle geprüft und verworfen hatte. Du musst ein Holzbläser sein, um zu verstehen, wie eminent wichtig es ist, das richtige Blatt zu finden« (Nise). Und auch der Saxophonist Dewey Redman erzählte seine Blattgeschichte: »1963 lebte ich in San Francisco und hörte John Coltrane im Jazz Workshop. Danach unterhielt ich mich mit ihm und er lud mich in sein Hotelzimmer ein, um über Mundstücke zu fachsimpeln; ich hatte mit meinem Mundstück immer Probleme und suchte seinen Rat. Als ich hinkam, kippte er zwei Plastiktaschen voller Mundstücke auf den Boden und sagte: ›Such dir eins aus!‹ Ich probierte herum, bis ich eines fand, das mir gefiel. Während ich das tat, übte John auf seinem Tenor; er stand dicht neben mir und da erst bemerkte ich, wie lang und spitz zulaufend seine Finger waren; als sie sich so über die Klappen bewegten, wirkten sie wie aus Holz geschnitzt. Für einen Saxophonisten können lange Finger problematisch sein, weil die Anordnung der Klappen für Hände mittlerer Größe geschaffen ist. Tranes Finger hingegen ähnelten denen eines Pianisten. Ich fragte: ›Darf ich mir deine Hände mal genauer ansehen?‹ Er blickte mich mit seinen großen Augen leicht verwundert an - und streckte schließlich seine Hände aus. Ich erzählte ihm, was ich darüber gedacht hatte, und er meinte: ›Hast du jemals Birds Finger gesehen?‹ ›Nein‹, sagte ich. Darauf John: ›Nun, Bird hatte kurze, dicke Finger‹« (Thom, 126 f./15).

Sein Instrument ist gleichsam eine organische Verlängerung seines Körpers; für ihn wurde endlos Saxophon spielen zur natürlichsten Sache der Welt. Es wird berichtet, Trane habe manchmal so hart geübt, dass das Blatt im Mundstück rot gefärbt war von Blut. Sein Bestreben war, sämtliche Möglichkeiten des Horns auf Abruf verfügbar zu haben; dafür arbeitete er sich zäh durch die verschiedensten Systeme und Techniken. Kontinuierlich erweiterte er die Palette der Timbres und tonalen Ressourcen. Das manische Üben diente zweifellos dem Absorbieren, Artikulieren und Transformieren all der schönen und schrecklichen Dinge, die er auf seinen vielen Reisen erlebte. Es war auch eine Flucht, die Erlösung durch Musik verhieß, das ersehnte Shangri-La.

Irgendwann sah ich sie beim Hören der alten Platten vor mir - all die schwarzen Musiker, die mit ihren Instrumentenkoffern und einem Minimum an Gepäck als moderne Nomaden Amerika bereisten. Ja, es schien, als seien diese paar Dollar für stundenlanges nächtliches Musizieren in verräucherten Clubs für viele, denen keine anderen Wege offenstanden, um ihren Lebensunterhalt in einer von Rassismus geprägten Gesellschaft zu verdienen, der einzig mögliche Weg. Das Buch Die Jazzmusiker und ihre drei Wünsche von Pannonica de Koenigswarter, jener in vielen Kompositionen verewigten Jazzbaronin »Nica«, gibt wie durch einen Türspion wertvolle Einblicke in die private Welt dieser Künstler, denen die etablierte Kunstwelt damals kaum Beachtung, geschweige denn irgendeine Form von Unterstützung gewährte. Auf ihre Frage: »Wenn du drei Wünsche frei hättest, die dir sofort erfüllt würden, wie würden diese dann lauten?«, antwortete ihr John:

»1. Dass meinem Spiel unerschöpfliche FRISCHE innewohnte ...

(Im Moment ist es ein wenig abgestanden!)

2. Vor gesundheitlichen Beschwerden oder Krankheit gefeit zu sein.

3. Dreimal mehr sexuelle Potenz, als ich jetzt habe. . Und auch noch etwas anderes. ... Von Natur aus mehr Liebe zu den Menschen zu empfinden ... (Du kannst das noch an das andere anhängen.)«

John Coltrane - Biografie

Подняться наверх