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12. Thelonious

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12. KAPITEL

THELONIOUS

Ich war mir so sicher, dass es passieren würde. Dass die Vergangenheit eine zu oft gespielte Schallplatte ist, die keine andere Wahl hat, als sich am Sprung zu wiederholen, und keine Macht der Welt kann den Arm mit der Nadel abheben . ~ TONI MORRISON (JAZZ)

Everything fits so well in Monk's work, once you get to see the inside. ~ JOHN COLTRANE

Im Oktober 1956 nahm der Pianist Randy Weston eine Liveplatte im Cafe Bohemia auf. »Liveaufnahmen waren zu der Zeit noch ungewöhnlich. Es war eigentlich eine ganz simple Prozedur: Du nahmst eine transportable Bandmaschine und bautest sie im Club auf ein oder zwei Tischen im hinteren Teil auf. Die Mikrofone platziertest du so nahe wie möglich vor den Musikern, wie im Studio. Diese Idee mit dem Bohemia war eigentlich komisch, denn der Besitzer war ein sehr arroganter Typ. In dem engen Raum gab es eine lange Bar mit wenig Platz zwischen der Theke und den Sitzplätzen. Miles spielte oft dort und viele Musiker hingen herum. Um zwei oder drei samstagnachts quetschte sich dieser fürchterliche kleine Kerl rein und schubste uns weg, damit neue Gäste sich hinsetzen konnten. Niemand sah das Bohemia als einen musikerfreundlichen Club. Aber wer Musiker anheuerte, hatte sowieso nicht unbedingt das Beste mit ihnen im Sinn« (Will, 68).

Lange hatte Trane sich vergeblich bemüht, den »Affen auf seiner Schulter«, seine Heroinabhängigkeit loszuwerden. Hatte Miles ihn nicht gewarnt, er müsse die Band wieder verlassen, wenn er seine »Gewohnheiten« nicht ändere? Dann war der Trompeter allein zu einer Europatournee aufgebrochen, und als er zurückkam, war ihm sofort klar, dass Trane noch immer an der Nadel hing. Erneut kam es zum Krach, aber - und auch das war so typisch für ihn - John nahm die Vorwürfe des Leaders schweigend zur Kenntnis, sogar dann noch ohne jede Gegenreaktion, als Miles aus lauter Wut handgreiflich wurde. Coltrane war ein gutes Stück größer als Miles, schien aber so unbeholfen und mitgenommen, dass er sich gegen seinen kleinen Arbeitgeber nicht wehrte, während Thelonious Monk zufällig Augenzeuge ihrer Auseinandersetzung wurde. In seiner Autobiografie erzählt Miles: »Die letzten Aufnahmen für Prestige fanden im Oktober 1956 statt, und danach ging ich mit der Gruppe wieder ins Cafe Bohemia. Und dort lief ziemlich viel Mist zwischen mir und Coltrane ab. Das Ganze hatte sich schon länger angebahnt. Man konnte kaum mit ansehn, was Trane mit sich anstellte; er trank viel und war jetzt wirklich voll auf Heroin. Dauernd kam er zu spät und schlief auf der Bühne ein. Eines Abends war ich so wütend auf ihn, dass ich in der Garderobe auf ihn einschlug. Thelonious Monk war an dem Abend auch da; er war nach hinten gekommen, um Hallo zu sagen, und bekam mit, was ich mit Trane machte. Als er sah, dass Trane sich überhaupt nicht wehrte und einfach nur wie ein großes Baby dasaß, platzte ihm der Kragen. ›Mann‹, sagte er zu Trane, ›wenn einer so wie du Saxophon spielt, braucht er sich so was nicht bieten zu lassen; du kannst jederzeit bei mir spielen. Und du, Miles, du solltest ihn nicht so behandeln.‹ Ich war so sauer, dass es mir scheißegal war, was Monk erzählte, weil es ihn eigentlich überhaupt nichts anging. Ich feuerte Trane noch am selben Abend und er fuhr wieder nach Philadelphia, um seine Sucht endgültig loszuwerden. Ich hatte ein schlechtes Gefühl dabei, ihn so gehn zu lassen, aber unter diesen Umständen sah ich keine andere Möglichkeit« (DaviM, 250 f.). Reggie Workman, ein junger Bassist aus Philadelphia, sagte ihm, seine Musik werde viel gewinnen, wenn er seinen Körper clean halte. Er rief ihm herausfordernd zu: »Du bist John Coltrane!«, als er sah, in welcher Verfassung er sich befand (Simp, 57).

Während der 27 Monate, in denen das erste Miles-Davis-Quintett existierte, löste Miles es viermal auf. Manchmal vergingen mehrere Monate, bevor er wieder Lust verspürte, seine vier Freaks - Coltrane, Garland, Chambers, Jones -zusammenzutelefonieren. Miles liebte jeden Einzelnen dieses einmaligen Quintetts und musikalisch liefen sie trotz der zermürbenden Nachtschichten mit jedem Mal zu noch größerer Form auf. Der Trompeter war kein großer Virtuose an seinem Instrument, spürte aber instinktiv, wie sehr diese Mitspieler und dieser Gruppensound sein Spiel aufwerteten. »Miles hatte immer einen Sinn fürs Geschäft«, sagte mir einmal der Pianist Joe Zawinul, der mit ihm unter anderem die Passion fürs Boxen teilte. Schon damals durchbrach der junge Davis die Regeln in den US-Clubs, weil er sich weigerte, forty-twenty zu spielen, wie es im Musikerjargon hieß: Allgemein üblich war, dass eine Band zwanzig Minuten nach der vollen Stunde begann, vierzig Minuten Musik lieferte und danach das Podium verließ, um zwanzig Minuten später wieder zu erscheinen und so die ganze Nacht hindurch. Miles jedoch bestand auf nur drei Sets pro Abend und reduzierte sie später sogar auf zwei. Wenn er erfuhr, dass eine Freundin in einer Bar um die Ecke auf ihn wartete, verschwand der smarte Miles nicht selten vor dem dritten Set und ließ die Band alleine weitermachen, versäumte aber nicht, vorher noch schnell die gesamte vorab vereinbarte Gage zu kassieren. Kaum hatte er ein Thema kurz angespielt, ging er von der Bühne und setzte sich neben Naima, um die Gruppe aus der Publikumsperspektive zu erleben. Wurde ihm das Publikum zu laut, zog er den Dämpfer aus dem Horn, schmiss ihn geräuschvoll zu Boden und spielte extrem leise weiter, um wieder eine Situation des konzentrierten Zuhörens herzustellen. Währenddessen stand Coltrane die ganze Zeit neben ihm auf dem Podium und lernte von dem Mann, den er the teacher nannte. John hatte immer viele Lehrer gehabt, obwohl er sich wie viele Jazzmusiker innerlich dagegen sträubte, von den Kritikern in eine Art Ahnenreihe (lineage) gestellt zu werden. Nach Miles Davis trat 1957 ein neuer Mentor in sein Leben, der keinem der früheren glich. Es war der Pianist, Komponist und Bandleader Thelonious Sphere Monk. John muss sich lange danach gesehnt haben, endlich zum »Hohepriester des Bop« vorgelassen zu werden -schließlich war der Bebop die Musik seiner Jugend gewesen. Monk hatte von Anfang an zum innersten Zirkel der Innovatoren um Charlie Parker und Dizzy Gillespie gehört und gleichzeitig eine eigene Position für sich behauptet. Diese Clique bildete seit nunmehr einer Dekade die Avantgarde des Jazz und Thelonious war einer ihrer Architekten. Er hegte große Sympathien für den neun Jahre jüngeren John, seine bescheidene Art gefiel ihm und er nahm ihn wie einen Adoptivsohn auf.

Aus materiellen Gründen hatte sich Monk, der lange Zeit kaum Jobs bekam und mit den Behörden angeeckt war, in seiner winzigen Wohnung an der 63. Straße West, wo er mit Frau Nellie und seinen beiden Kindern lebte, aufs Unterrichten verlegt und schon viele jüngere Jazzmusiker wie Bud Powell, Sonny Rollins und Jackie McLean in die Geheimnisse seiner Kunst eingeweiht. Drei oder vier Monate lang trafen sich Thelonious und John, der fast täglich zum Algonquin pilgerte, dem Apartmentblock, in dem die Monks lebten, vor ihrem legendären, mehrere Monate dauernden Gastspiel im Five Spot: »Also, ich ging zu ihm nach Hause«, erzählte Coltrane, »in sein Apartment, und holte ihn aus dem Bett oder so was (lacht). Dann ging er ans Klavier und begann zu spielen. Irgendwas, zum Beispiel eines von seinen Stücken. Er spielte und schaute mich dabei an, und wenn er mich so ansah, nahm ich mein Horn und versuchte herauszufinden, was er tat. Während er eine bestimmte Stelle immer und immer wiederholte, kapierte ich allmählich, worauf er hinauswollte, und dann gingen wir zur nächsten Stelle über. Er zeigte mir ein paar ziemlich schwierige Dinge, und wenn ich Probleme damit hatte, kramte er sein Notenheft raus und zeigte mir die Musik. Er hat nämlich alles schwarz auf weiß, er hat die Sachen alle aufgeschrieben, und ich las das und lernte es. Es war ihm lieber, wenn einer lernte, ohne abzulesen, denn so kriegte man besser ein Gefühl dafür. Du fühlst es schneller, wenn du es dir einprägst, wenn du es auswendig lernst, nach Gehör. Und wenn ich alles halbwegs kapiert hatte, ließ er mich allein damit. Dann ließ er mich allein weiter üben und ging irgendwohin, vielleicht einkaufen oder wieder ins Bett oder so. Ich blieb da und spielte das Stück durch, bis ich es ziemlich gut konnte, dann rief ich ihn und wir spielten es zusammen. So schafften wir manchmal ein Stück am Tag« (DeVi, I7 f.).

Monk machte Trane mit den komplexen Regeln vertraut, nach denen er seine Musik konstruiert hatte, die etwa in harmonischer Hinsicht völlig eigenen Regeln folgte. John sog dieses »andere Wissen« begierig auf, und nachdem sie geprobt hatten - für Trane immer zu kurz -, nahm ihn sein Freund auf lange Spaziergänge durch Manhattan mit. »Monk zeigte mir viele Dinge, die er an der Stadt besonders liebte.« Der Produzent Alfred Lion, der Ende der Vierzigerjahre die ersten Platten mit Thelonious Monk für sein Blue-Note-Label gemacht hatte, wurde einmal gefragt, wie sich diese Alben damals verkauft hätten, worauf er meinte: »Monk sold uptown« - im schwarzen Teil Manhattans hatte der Meister seine treue Klientel, nicht im weißen südlichen Teil, aber uptown kaufte auch nur eine Minderheit seine Platten.

John hielt über Jahre Kontakt zu seinem Guru und nahm manchmal Freunde mit zu ihm, um ihnen »das Größte« zu zeigen: wie Thelonious sich ankleidete, bevor er ausging. Ein anderer prominenter Schüler aus dem inneren Zirkel, der Pianist Randy Weston, beschrieb das Schauspiel: »Bevor Monk auf die Straße ging, zog er ein Hemd, eine Krawatte, sein Beret und die blank geputzten Schuhe usw. an. Wenn wir zusammen spazieren gingen, huldigte ihm jeder wie dem leibhaftigen Kaiser. In jenen Tagen waren Klamotten extrem wichtig. Ein Musiker ging sich nicht mal 'n Päckchen Zigaretten kaufen, ohne vorher Schlips und Kragen umzubinden. Ich bin sehr stolz, dass ich Monk so nahe war und diese unbeschreibliche Originalität in seinem Spiel erkennen konnte, bevor das Jazz-Establishment endlich draufkam. Wenn du dir anschautest, wie Monk Klavier spielte, er veranstaltete ein ganzes Ballett, er spielte nicht einfach nur Klavier; wenn du siehst, wie er sich dabei bewegt, das ist pures Afrika, die Art von spontaner Kreativität wie in der traditionellen afrikanischen Musik« (Will, 61 f.).

Am 16. April 1957 kam nur im Trio mit Coltrane und dem Bassisten Wilbur Ware das Meisterwerk »Monk's Mood« auf Band, das er zehn Jahre zuvor geschrieben hatte. Monk mochte sehr, wie John das Thema anging, und schon bald nach diesem ersten Studiotreffen intensivierten sie die Zusammenarbeit. Als Monk den 29-Jährigen in sein neues Quartett einlud, fasste John einen Ent-schluss, der sein Leben veränderte: Er wollte clean werden. Sein Freund Sonny Rollins hatte bereits den harten Drogen abgeschworen, als er in der fulminanten Band von Max Roach Seite an Seite mit dem genialen Trompeter Clifford Brown agierte. Da sei ihm aufgefallen, wie Brownie in nüchternem Zustand und mit klarem Kopf aus der Musik so viel Lustgewinn bezog, wie andere sich von den »künstlichen Paradiesen« erhofften. Brown verunglückte am 26. Juni 1956 mit nur fünfundzwanzig Jahren bei einem Autounfall tödlich. Er wurde danach noch mehr ein Vorbild für Rollins, der sein Leben vielen radikalen Veränderungen unterwarf, indem er harte körperliche Arbeit suchte, sich intensiv mit Philosophie beschäftigte, meditierte und dem Orden der Rosenkreuzer beitrat. Seine Familie und Freunde sollen Coltrane beim Entzug geholfen haben, er soll sich eingeschlossen haben und ein, zwei Wochen habe es gedauert, bis er im Mai 1957 tatsächlich clean war. Die Chance zu einem radikalen Neubeginn lag jetzt vor ihm wie ein Highway durch die Wüste. Auch Alkohol rührte er nicht mehr an, trank nur noch Obst- und Gemüsesäfte, am liebsten Möhrensaft, und wenn das nicht ging, einfach warmes Wasser.

Mehr denn je vertiefte er sein musikalisches Wissen, was für ihn auch den überfälligen Schritt zu mehr Autonomie bedeutete. C. O. Simpkins schreibt, dem jungen Saxophonisten Odean Pope aus Philadelphia habe er erzählt, er habe den Schöpfer angerufen, ihm zu helfen, sein Publikum zu erreichen und es zu umarmen, »während er seine Arme weit ausbreitete, um zu dieser Geste auszuholen. Er fühlte, dass durch Musik viel erreicht werden konnte, wenn sie die richtigen Qualitäten und Ziele habe« (Simp, 59).

Two things we have yet to pick up on - with the head: a feel for TIMING, a feel for SOUND. ~ ROBERT CREELEY (1950)

Nach seinem Drogenentzug begann Coltrane ernsthaft über eine eigene Plattenkarriere als Bandleader nachzudenken und schloss mit Prestige einen Vertrag über zunächst drei Alben für die bescheidene Gage von jeweils 300 Dollar ab. Die Prestige-LP Coltrane, sein erstes Soloalbum vom Mai 1957, enthält die wunderbaren Balladen »Violets for Your Furs« und »While My Lady Sleeps«, das John als eines seiner Lieblingsstücke bezeichnete. Hier erzeugt das Osti-nato von Klavier und Bass jene meditative Atmosphäre, aus der das Saxophon mit Inbrunst heraustönt. In »Lady« schafft er eine Atmosphäre, wie er sie in der späteren Periode für seine Impulse/-Platten häufig suchte; allein der Schlussakkord wirkt wie die Ankündigung zu einer Szene aus einem film noir. Bei dieser Studioversion erzielt Trane einen fantastischen Sound, es passt einfach alles zusammen und John wirkt durch die ganze Ballade hindurch sehr fokus-siert. In solchen Momenten bekommt jeder Ton die passende Kalibrierung, wobei die lang ausgehaltenen Noten sich in einer wunderbaren Ornamentik am Ende jeder Phrase fortschlängeln. In Stücken wie dem erwähnten »While My Lady Sleeps« und »Bakai« sowie einer weiteren, zur neugefundenen Abstinenz passend »Straight Street« betitelten Eigenkomposition zeigt er eine wachsende Grandeur. »Bakai« hatte sein Freund Cal Massey in Erinnerung an den 14-jährigen Emmet Till geschrieben, der 1955 von weißen Rassisten ermordet wurde. Naima erlebte ihren Mann während dieser Monate in einem wahren Schaffensdrang und meinte, er sei jetzt »neunzig Prozent Saxophon« (Kahn/Sup, 28).

Der Hardbop, wie dieser Stil bald genannt werden sollte und dessen Blütezeit zwischen 1955 und 1967 lag, wurde die Saxophonmusik, der Sound einer ganzen Generation von afroamerikanischen Künstlern, die in den Zwanziger-und frühen Dreißigerjahren zur Welt gekommen waren und nach den kopflastigen Experimenten des Bebop zu den Wurzeln des Jazz in Gospel und Blues zurück wollten.

1991 erschienen, verteilt auf 16 CDs, The Prestige Recordings mit allen Aufnahmen, an denen John Coltrane als Leader oder Sideman vom 7. März 1956 bis 26. Dezember 1958 beteiligt war. »Ein Grund, warum er so viele Platten aufnahm, war, dass er seine Drogensucht finanzieren musste, die seine Karriere lange lahmgelegt hatte und ihn sogar jetzt noch zu einem musicians' musician abzustempeln drohte«, vermutet der Kritiker Gary Giddins (Gidd, 480). Verborgen zwischen vielen eher beiläufig entstandenen Auftragsarbeiten finden sich etliche Highlights auf diesen sechzehn Alben, obwohl der ewig gleiche Rhythmus, das sich träge dahinschleppende Junkie-Tempo, die endlosen Variationen in Überlänge auf die Dauer sogar für den Hardcorefan zermürbend wirken.

Das sogenannte Hardbop-Revival der Achtziger- und Neunzigerjahre hat übrigens jene Epoche im Jazz kaum aufgewertet und Hardbop wurde zum Pausenfüller für Magazinsendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk degradiert. Wenn noch zwei Minuten oder weniger bis zu den Nachrichten übrig sind, fährt der Tontechniker in der Regie die letzten Takte »auf Zeit«, wie es im Funkjargon heißt. Keine gute Werbung für Coltrane & Co., deren Kunst sich in its own time entfaltet und durch solche Praktiken zum Klischee zu erstarren droht. Der große Baritonsaxophonist Pepper Adams meinte einmal: »Überhaupt dieses Etikett ›Hardbop‹. Ich weiß gar nicht, woher das kam. Das ist irgendeine griffige Formulierung der Diffamierung, die Schreiber wie Martin Williams und Whitney Balliett benutzten, um Leute in Gruppen zusammenzufassen, die überhaupt nicht ähnlich spielen. Aber weil sie gleichzeitig diesen Stil ablehnen, können sie ihn auf jeden anwenden, der ihnen nicht gefällt« (Sidr, 220/6).

In Van Gelders Studio begegnete Coltrane alten und jungen Könnern des Saxophonspiels. Trane arbeitete zu der Zeit mit dem noch heute unterbewerteten Hank Mobley und gestandenen Größen wie Zoot Sims und Al Cohn. (Hank Mobley schien eine glänzende Karriere vor sich zu haben, doch einmal mehr verbaute auch er sich durch seinen Drogenkonsum den Weg zur Spitze der Topspieler.) Auch bei einfachen Sessions wurde deutlich, dass von Tranes Instrument eine besondere Leuchtkraft ausging: Sein Ton klingt durchs ganze Register präsenter und moderner als der von Sims oder Cohn, keiner hatte einen so kraftvollen, fragilen und virilen Sound, niemand spielte mit so viel Inbrunst. Es war ein Sound, den man nicht mehr vergaß, obwohl Coltrane zu der Zeit noch nicht einmal seine spektakulären sheets of sound vor dem Mikrofon demonstrierte. Vom Mainstream der Saxophonisten wusste er sich fortan jedoch deutlich abzusetzen und scheint sich und seine Zuhörer zu fragen: Wozu hätte ich andern nacheifern sollen?

Die Session vom 30. November 1956 für das hervorragende Album Mating Call mit Tadd Dameron am Klavier, eine seiner frühen Lieblingsplatten, inspiriert Trane zu Balladen wie »Soultrane« und »On a Misty Night«. Am 20. April des folgenden Jahres röhren furios Seite an Seite die beiden Baritonsaxophone von Pepper Adams und Cecil Payne (in »Route 4«), während der Pianist Mal Waldron für das Album Dakar die interessante Komposition »Velvet Scene« beisteuert. Unermüdlich reiht Trane Chorus an Chorus aneinander bei einer Quartettsession vom 23. August 1957, aus der das Album Traneing In hervorgehen sollte. Dabei stößt er beim schnellen Tempo von »Soft Lights and Sweet Music« bis an die Grenzen des seinerzeit Spielbaren. Eine ansteckende Euphorie strahlt das Treffen für drei Tenoristen mit Frank Wess und Paul Quinichette sowie Trane vom 20. September 1957 aus; statt in den von Coltrane so geliebten »molligen« Welten zu schwelgen, entwickelte sich hier ein angenehm relaxtes Feeling. Ganz gleich in welcher Konstellation er in dieser Phase arbeitete: Bei all diesen Begegnungen schuf er sich einen Vorrat an wertvollen Ideen für spätere Projekte und die eigene Gruppenkonzeption. Dazu gehörte auch, in der Praxis des Plattenmachens herauszufinden, was er bei den eigenen Alben in Zukunft nicht wollte. Die Passion, die er in sein Spiel legte, hievte so manches dieser Treffen auf ein höheres Level und natürlich sind viele dieser Alben vor allem deswegen interessant, immer relativ zu dem, was später bei den Atlantic-und Impulse /-Sessions an Meisterleistungen folgte. Das zeigt zum Beispiel auch die gelungene Triosession vom 16. August 1957 (ohne Pianist ! ), aus der zwei frühe Klassiker entsprangen, »Trane's Slo Blues« und »Slowtrane«. Die Erklärung, warum er sich hier nur von Bass und Schlagzeug begleiten ließ, war ganz einfach: »Der Klavierspieler war nicht aufgekreuzt« (DeVi, 230).

John Coltrane - Biografie

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