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7. Naima

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7. KAPITEL

NAIMA

The more ways you have of thinking about music,

the more things you have to play in your solos. ~ BARRY HARRIS

Das Gedächtnis ist es, das überall etwas Unwandelbares entdeckt. Und der Gesang ist ein Refrain. ~ LOUIS PAUWELS

The best players are in a way everything from hot to cool. ~ GUNTHER SCHULLER

It bugs me when people try to analyze jazz as an intellectual theorem. It's not. It's feeling. ~ BILL EVANS

Gestärkt von seinen vielversprechenden Treffen mit Miles, schöpfte Trane auch privat neue Hoffnung durch Juanita (»Naima«) Austin, die er 1954 kennenlernte und für die er später eine seiner schönsten Kompositionen schrieb. Beide stammten aus North Carolina, waren 1926 geboren und entdeckten viele weitere Gemeinsamkeiten, besonders auf spirituellem Gebiet. Am 3. Oktober 1955 fand die Hochzeit statt und Naima brachte aus einer früheren Verbindung ihre Tochter Saeeda, die John sehr mochte, in die Ehe mit. Auch dieser Name wurde in einer Komposition verewigt, »Syeeda's Song Flute«, die 1960 auf Giant Steps erschien und etwas vom lebenslustigen und positiven Charakter Saeedas hat.

Seit den Vierzigerjahren gab es in Harlem, aber auch in Philadelphia eine wachsende Zahl von Muslimen unter den Afroamerikanern und nicht wenige waren Jazzmusiker, die dem in der Jazzszene weitverbreiteten Drogenkonsum zu entkommen versuchten. Naima war befreundet mit der Muslimin Aisha, der späteren Frau des Pianisten McCoy Tyner, sowie mit Khadijah, die mit dem Bassisten Steve Davis liiert war. Das Thema Sklaverei ist in der arabischen Welt noch heute ein Tabu; so wird gerne verschwiegen, dass der erste Muezzin ein Schwarzer war; der Schönheit seiner Stimme und seines Gesangs wegen war er auserwählt worden, die Gläubigen mehrmals täglich zum Gebet zu rufen. Es ist durchaus denkbar, dass John und Naima dies wussten und Coltrane auch Korangesänge von Platten hörte, die seinen späteren Stil auf dem Sopransaxophon, vor allem in den unzähligen Versionen von »My Favorite Things« mitprägten. Gerard de Nerval schrieb einmal in einem Gedicht, dass er im Orient »die schwarze Sonne der Melancholie« gesehen habe, und Coltrane war zweifellos ein Melancholiker, den solche Gefühlswelten anzogen. Steve Davis zählte zum engen Kreis der Musiker, mit denen Trane später für das Atlantic-Label in New York ins Studio ging; mit Davis nahm er »Naima« und »Syeeda's Song Flute« auf. Aus der Askese und dem spirituellen Bewusstsein, mit der die jungen muslimischen Afroamerikaner ihr Leben gestalteten, schöpfte John die Hoffnung, seiner Existenz einen neuen Sinn verleihen zu können.

Der Saxophonist Yusef Lateef empfahl Trane, den Koran zu lesen; andere Freunde schenkten ihm Bücher über Sufismus und indische Philosophie, Gedanken berühmter Lehrer wie Krishnamurti und die Autobiografie eines Yogi von Paramahansa Yogananda. John war sein ganzes Leben lang ein eifriger Leser, er liebte Bücher und die Kontemplation, das Eintauchen in neue Ideenwelten. Eines seiner ersten Lieblingsbücher war Language, Truth and Logic von Alfred Jules Ayer, anfangs las er oft kleine Ratgeber wie Philosophy Made Simple. Sein ständiger Begleiter war der Thesaurus of Scales and Melodic Patterns von Nicolas Slonimsky. Sein Pianist McCoy Tyner erzählt, John habe auf Tour manchmal nur sein Saxophon und Slonimskys Buch mitgenommen (BrowL, 100). Stets kehrte er mit Koffern voller Bücher und Schallplatten von seinen vielen Konzertreisen zurück. Damals entdeckte er auch die klassische indische Musik für sich, besonders die Ragas des Sitarvirtuosen Ravi Shankar, auch wenn sie (entgegen der gängigen Meinung über Coltrane und obwohl eines seiner Stücke den Titel »India« trägt) einen weniger direkten Einfluss hatte als die afrikanische Polyrhythmik. Coltrane zählte zu den ersten Jazzmusikern, die lebhaftes Interesse an Musik aller Kontinente entwickelten und den Jazz öffnen wollten für ihr Ausdrucksspektrum und die Improvisationspraxis außereuropäischer Traditionen.

Als eine lebendige Sprache absorbierte der Jazz in seiner Evolution zahlreiche Einflüsse von außen. John Coltrane liebte die verschiedenen Möglichkeiten, Musik zu organisieren. Er fühlte sich stark angezogen von der Fremdheit der Klänge, die er mit seinem Saxophon erzeugen konnte. Sidney Bechet pflegte seine täglichen Übungen auf dem Sopransaxophon durch seltsame, wie von Tieren stammende Laute zu beenden; als man ihn nach dem Grund fragte, sagte er: »Ich bin mir gar nicht sicher, ob das, was wir Musik nennen, wirklich immer Musik ist.« Als Trane immer weiter in die magische Welt der Töne vorstieß, den Tonumfang seines Tenorsaxophons beständig erweiternd, schraubte er ihn von zweieinhalb auf vier Oktaven hoch. Später übte er viel, indem er in einen transportablen Recorder spielte; es ist schade, dass diese Aufnahmen verschwunden sind, da er die Bänder immer wieder zurückspulte und neu überspielte. Die Art, wie er spielte, reflektierte sein Denken über die Welt und allmählich wurde aus diesem Sprechen oder Singen durch ein Saxophon bei Coltrane eine Art Beten - oder vielleicht zunächst ein Aufruf zum Gebet. Der späte Coltrane wurde in seinem Spiel immer flehender, immer eindringlicher und es klang gewaltig in der letzten Phase seines Schaffens, in der er sich als Pilger durch die musikalischen und mentalen Galaxien sah und seinen Kompositionen die Namen von Planeten gab. Doch schon früh war er ein Forscher, der den geheimen Gesetzen der Klänge nachspürte, auf denen die Musik gründet, und ein feines Ohr für die Wandlungen hatte, die dem Jazz zu seinen Lebzeiten widerfuhren.

John Coltrane - Biografie

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