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14. At the Five Spot

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14. KAPITEL

AT THE FIVE SPOT

Hör dir viel an. Werde nie so ichbezogen, dass du dir andere Spieler nicht mehr anhörst. Führe ein sauberes Leben ... Sei rechtschaffen ... Du kannst dich als Musiker verbessern, indem du ein besserer Mensch wirst. Es ist eine Pflicht, die wir uns selbst schuldig sind. ~ JOHN COLTRANE (DEVI, 43)

Der Maler (und gelegentliche Saxophonist) Larry Rivers besuchte regelmäßig einen neuen Club namens Five Spot. Er gehörte den Brüdern Joe und Iggie Termini, lag damals in der Bowery und bot Jazz. Rivers empfahl den Saxophonisten Allen Eager, einen talentierten (und gut aussehenden) Vertreter der Lester-Young-Schule. Auf Eagers kurzes Gastspiel folgte der allgegenwärtige David Amram mit seinem Waldhorn nebst einigen anderen weißen Musikern, laut Rivers »kaukasische Epigonen Charlie Parkers«, die das Publikum kaum in Begeisterung versetzten. Und da sagte Rivers zu Termini:

»Sieh mal, Joe, Jazz ist schwarz. Lass uns einen Meister holen.«

»Wen ?«

»Thelonious Monk.«

Also erhielt Monk das Angebot, drei Monate lang in einem New Yorker Club zu spielen. Thelonious trommelte ein paar Freunde zusammen, unter ihnen John Coltrane, und durch sie wurde das (erste) Five Spot in Lower Manhattan zum neuen Mekka der New Yorker Jazzgemeinde. Larry Rivers hatte Allen Ginsberg, LeRoi Jones und Jack Kerouac ein Jahr zuvor in diversen Coffee-shops bei ihren Lyriklesungen erlebt, was ihn auf die Idee brachte, wöchentlich Jazz und Lyrik im Five Spot in einem Programm zu präsentieren. Im neuen Five Spot in Water Mill wurde besseres Essen angeboten und der spätere ColtraneSchlagzeuger Elvin Jones ließ es sich nicht nehmen, Werbung für dieses neue Lokal nach dem Motto zu machen: »Leute, fahrt mal raus nach Long Island!«

Im Sommer 1957 startete das heute legendäre Gastspiel des neuen Thelonious-Monk-Quartetts. Wegen des nicht abreißenden Publikumsstroms wurde es x-mal verlängert, soll insgesamt sechs Monate gedauert haben und machte Jazz-Geschichte. Thelonious liebte spontane Proben auf dem Bandstand und hielt alle Anwesenden in Atem damit. Endlich wurde der Performer Monk »wiederentdeckt«. Der Grund für seine jahrelange Abwesenheit von der Bühne war ein banaler Vorfall: Nach einer Polizeikontrolle, bei der etwas Marihuana gefunden wurde, hatte man 1951 die Arbeitserlaubnis des Pianisten (cabaret card) eingezogen, weshalb Monk jahrelang nicht mehr in Clubs in Manhattan spielen konnte, in denen Alkohol ausgeschenkt wurde. Nur dem Einfluss seiner reichen Freundin Pannonica de Koenigswarter, die dem englischen Adelszweig der Rothschilds entstammte, war es zu verdanken, dass er für den Gig im Five Spot die unverzichtbare Card zurückbekam.

In der Szene machte die Nachricht die Runde, dass in diesen Nächten mit Trane (sowie Wilbur Ware oder Ahmed Abdul-Malik am Bass, neben Shadow Wilson oder Roy Haynes am Schlagzeug) große Dinge passierten. Der Besitzer Joe Termini konnte den Andrang kaum fassen: »Jetzt sind wir im Showbusiness, Leute!« Unter die Gäste mischte sich diskret auch ein Talentsucher mit dunkler Sonnenbrille: Voilà, Miles! Schon nach ein paar Tönen aus Tranes Horn war ihm klar, dass John durch das Privatstudium bei Monk enorme Fortschritte gemacht hatte. In den Soli kam er präziser auf den Punkt, sein Ton hatte sich gehärtet, während die Improvisationen live eine abenteuerliche Länge und Komplexität erreichten. »Monk gab mir die völlige Freiheit. Er vollführte seinen Tanz oder ging an die Bar auf einen Drink und ich konnte in Ruhe fünfzehn oder zwanzig Minuten improvisieren, bis er zurückkam« (Thom, 73 f./6). Die Auftritte von Monk und Trane im Five Spot zogen sich bis in den Herbst hin, doch leider kam niemals ein Tontechniker, um sie für die Nachwelt zu dokumentieren, welch ein Versäumnis. Der Sopransaxophonist Steve Lacy erlebte dort Monks Quartett und war hingerissen. »Wer auch immer je mit Monk gearbeitet hat, lernte eine ganze Menge und verbesserte seine Musikalität, seinen Geschmack und seine Vorstellungskraft. Ich sah es bei John Coltrane, im Five Spot, im Quartett mit Thelonious Monk. Anfangs Ungeschicklichkeit, dann Erwachen, Streben, Zweifel, Mut, Beharrlichkeit, Durchdringen, Entdeckung, Transzendenz. Den gesamten Prozess, in sechs Wochen durchlaufen! Für mich war das unvergesslich. Monk sagte mir: ›Es ist sehr wichtig, was du nicht spielst. Spiel nicht alles. Lass Dinge vorbeigehen‹« (Weis, 251).

Der Kornettist Don Cherry beschrieb das Ambiente, als er selbst anschließend mit Ornette Colemans Quartett dort auftrat, das zum talk of the town wurde: »Wir bekamen vor allem Unterstützung von der ganzen Kunstszene. Maler aus der Cedar Bar waren da, de Kooning und Bob Thompson und Larry Rivers, LeRoi Jones und andere Poeten wie Ginsberg. Es war einfach die ganze Szene versammelt. Und Musiker von Thelonious Monk und Miles Davis und Coltrane kamen sehr oft. Mingus und Phineas Newborn und Max Roach, sie kamen manchmal und stiegen bei uns ein. Sogar Lionel Hampton kam eines Abends und stieg mit ein« (Sidr, 410 f./10).

Einmal saß Tranes Frau Naima mit einem kleinen tragbaren Tonbandgerät im Publikum und nahm einen Abend lang die Musik auf. John sagte später, er habe sich diese Bänder immer wieder angehört. 1993 bekam der Sohn T. S. Monk von Naima jenes private Tape geschenkt, das bei Blue Note als CD erschien. Es stammte zwar nicht aus jenem glorreichen Jahr 1957, sondern war ein Jahr später entstanden, als Trane einmal kurzfristig für Johnny Griffin eingesprungen war. In dem unverwüstlichen »Trinkle, Tinkle« bekommt man trotz der schlechten Tonqualität eine lebhafte Vorstellung vom inspirierten I nterplay zwischen Monk und seinem Meisterschüler. Faszinierend, wie viel Trane mit seinem Faible für vertikales musikalisches Denken zu diesen Harmonien einfällt: Über weite Strecken steigert er - im doppelten Tempo agierend -die Intensität durch sein Spiel im Altissimoregister, während das Klavier dazu »typisch Monk-isch« schweigt. Und garantiert war Thelonious wie üblich aufgesprungen, um sich wie ein Tanzbär verzückt um die eigene Achse zu drehen.

»Es hat unheimlich Spaß gemacht. Manchmal spielten Wilbur Ware und ich alterierte Akkorde. Und Wilburs Akkorde aus dem Zyklus waren andere als die, die ich spielte, und keiner von uns beiden spielte die changes aus dem Thema, bevor wir an einen bestimmten Punkt gelangten, und dann kamen wir zusammen dort an. Mit viel Glück (lacht). Und dann kommt Monk wieder dazu und rettet alle. Und kein Mensch weiß, wo er ist ! Monk macht immer etwas, das so mysteriös ist. Eigentlich ist es gar nicht so geheimnisvoll, wenn du weißt, was er tut. Es sind diese alten Sachen, simple Wahrheiten. Zum Beispiel nimmt er einen Dur- oder Mollakkord und lässt die Terz weg. Trotzdem sagt er: ›Das ist ein Mollakkord, Mann.‹ Wenn die kleine Terz fehlt, weißt du nicht, was es ist. Wie weiß man, dass es ein Mollakkord ist?‹ - ›Das isses eben, ein Mollakkord ohne die Terz.‹ Und wenn er das spielt, ist es genau an der richtigen Stelle und hat dieses Moll-Feeling. Aber Moll ist es trotzdem nicht, weil ja die Terz fehlt« (DeVi, 20).

Im Winter 1957, genauer lässt sich das nicht datieren, ging das Gastspiel des Quartetts im Five Spot zu Ende. Thelonious Monk konnte durch eine Serie von erstaunlichen Alben für Prestige und Riverside - vor allem aber durch den Erfolg im Five Spot - an seine große Zeit Ende der Vierzigerjahre anknüpfen. Für John war sein Mentor, der tiefschwarze Mann mit den abenteuerlichen Kopfbedeckungen und den dunklen Sonnenbrillen, in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Miles Davis. Jeder dieser Abende mit Thelonious bedeutete für Trane eine neue Herausforderung an sein Können, für ihn war es ein halsbrecherisches On-the-job-Training. »Mit Monk zu arbeiten brachte mich in Kontakt mit einem musikalischen Architekten höchsten Niveaus. Ich ging so weit ich konnte, bis mir die Ideen ausgingen. Diese ganze Sache mit den Akkorden wurde zu meiner Obsession. Thelonious gab mir totale Freiheit wie noch nie jemand vor ihm« (Port, 111).

Erstaunlich ist, aus welchen Quellen auch nach Jahrzehnten immer noch Mitschnitte von Jazzgrößen auftauchen: Zum Beispiel, als 2005 die Monk-Erben Schlagzeilen machten mit einer CD, die zwei Sets eines Monk-Quartetts mit John Coltrane enthielt, aufgenommen in der Carnegie Hall im Rahmen eines Benefizabends mit Billie Holiday, Ray Charles, Chet Baker und Sonny Rollins am 29. November 1957. Das Album trägt den Titel Thelonious Monk Quartet with John Coltrane at Carnegie Hall. Die Bänder hatten viele Jahre im Archiv der Library of Congress unentdeckt Staub angesammelt. Von den ersten Tönen an stellt sich einmal mehr der Eindruck einer magischen Begegnung ein. Obwohl das Quartett entspannter wirkt als in den Studioversionen von »Nutty« und »Trinkle, Tinkle«, ist die Musik keineswegs konventioneller, sondern abenteuerlich, eigensinnig und voller Überraschungen. Besonders gelingen dem Saxophonisten die mitreißenden Blues-Chorusse in »Blue Monk«, worauf Monk munter während seines ganzen Solos mitsingt. Die interessantesten Dinge aber passieren im zweiten Set, etwa in »Sweet and Lovely«, dem einzigen Standard des Programms. Das kommt zunächst ganz gemächlich daher, während Monk die Melodie spielt und Tranes Horn ihn streckenweise stur so begleitet, als wäre es ein gestrichener Kontrabass und kein Tenor; nach dreieinhalb Minuten Verwirrspiel jedoch legt er ein Solo hin, das nie aus der Spur gerät, bis das Tempo ganz plötzlich nicht doppelt, sondern fast dreimal so schnell wird und Trane mit Akkorden jongliert, die »Giant Steps« vorahnen lassen. Unversehens ist aus dem beschaulichen »Sweet and Lovely« sozusagen ein heftig pulsierendes »Crazy and Passionate« geworden. Und dann, anderthalb Minuten vor Schluss, endet der Trip, als wäre nichts gewesen und alles in schönster Ordnung.

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