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Die theologische Deutung

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Eine umfassende theologische Deutung der biblischen Schöpfungstexte ist mir hier aus Platzgründen nicht möglich. Deshalb möchte ich die theologische Deutung des biblischen Schöpfungsberichtes am besten durch einen Vergleich der biblischen Weltentstehungsgeschichten mit der babylonischen Schöpfungsgeschichte, dem Enuma Elisch, herauszuarbeiten versuchen.

Man muss zunächst berücksichtigen, dass ein großer Teil des jüdischen Volkes im sechsten Jahrhundert v. Chr. von den Babyloniern aus Palästina an Euphrat und Tigris ins Exil weggeführt wurde und dort jahrzehntelang in Gefangenschaft blieb. Hier sahen sich die monotheistischen Juden mit den polytheistischen Vorstellungen der Babylonier konfrontiert, was zu einer weltanschaulichen Abgrenzung führte. Diese Abgrenzung hat sich offensichtlich auch in den unterschiedlichen Weltentstehungsmythen niedergeschlagen.

Die biblischen Schöpfungsgeschichten, die ja Traditionen der hebräischen Kultur und Religion darstellen, grenzen sich inhaltlich gegen die Vorstellungswelt der Babylonier ab. Während im Enuma Elisch zahlreiche Götter vorkommen – männliche und weibliche, dazu mehrere Generationen von Göttern: Großväter und Großmütter, Götterväter und Göttermütter, Göttersöhne und Göttertöchter – beschränken sich die hebräischen Texte auf nur einen einzigen Gott, der in Gen 1 Elohim (ein singulär verwendeter Plural) genannt und in Gen 2f. als Jahweh bezeichnet wird.

Im babylonischen Schöpfungsbericht scheint ein Verschwimmen von Göttern und Schöpfung vorzuliegen, denn es müssen auch die Götter erst erschaffen werden; teilweise werden sie mit den Elementen Luft und Wasser identifiziert. Diese Götter sind sozusagen Teil der Schöpfung. Das unterirdische Wasser wird mit dem Gott Apsu gleichgesetzt, während das Urmeer mit der Göttin Tiâmat in eins gesetzt wird. Auch die Kinder von Apsu und Tiâmat werden Bereichen dieser Welt zugeordnet. Es gibt Anu, den Gott des Himmels; Enlil, den Gott des Windes und des Weltalls; Ea, den Gott des Wassers; Sin, den Gott des Mondes; Schamasch, den Gott der Sonne; und schließlich auch Marduk, den Gott Babels, den herrlichsten und mächtigsten der Götter.

Im biblischen Bericht hingegen wird Gott gänzlich vor und außerhalb der Schöpfung gedacht. Allenfalls schwebt sein Geist einem Nebel gleich über den Urwassern, doch im Wesentlichen muss Gott als Hervorbringer seiner Schöpfung und nicht Teil derselben gedacht werden. Nach Gen 1 bringt er die Welt allein durch sein gesprochenes Wort hervor, nach Gen 2 scheint seine Schöpfungshandlung konkreter: Er „machte“ den Menschen „aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase.“ (Gen 2,7) Ähnlich pragmatisch die Erschaffung Evas: „Und Gott Jahweh baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.“ (Vers 22) Auch wenn Gott hier sehr anthropomorph (d.h. menschengestaltig) beschrieben wird, wird er nie Teil der Schöpfung, sondern bleibt stets jenseits von ihr, auch wenn er in der Kühle des ausgehenden Tages noch einen Abendspaziergang durch des Menschen Paradies zu machen beliebt (Gen 3,8).

Während nach dem Enuma Elisch die Welt teilweise durch gewaltbeladene Vorgänge entsteht und es einige fürchterliche Götterkämpfe gibt, bei denen die jüngeren Götter die älteren auf grausame Weise abschlachten, um hernach die Menschen zu erschaffen, macht der biblische Gott eine vollkommene Welt und einen vollkommenen Menschen, „denn Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe es war sehr gut.“ (Gen 1,31). Auch der Garten Eden, in den hinein Gott das Menschenpaar setzt, ist ein makelloses Habitat, dessen Idylle einzig und allein durch den Menschen getrübt wird, der sich dazu hinreißen lässt, von der verbotenen Frucht zu essen. Der Allmacht Gottes und der Vollkommenheit seiner Schöpfung steht der sündige Mensch gegenüber, durch den nicht nur die Sünde in die Welt kommt, sondern auch die Scham, die Mühsal und der Tod. Bei alledem bleibt Gott als der erhabene, vollkommene und allmächtige über aller Schöpfung und über aller Sünde.

Im Enuma Elisch wird der Mensch erschaffen, „damit er den Göttern diene und sie es bequem haben“. In der Bibel hingegen überträgt Gott dem Menschen die Verantwortung für die Schöpfung: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“ (Gen 1,28) Nach der Bibel ist der Mensch Hauptzweck und Mittelpunkt der Schöpfung, während der Mensch im Enuma Elisch eher als Beiwerk der Schöpfungsvorgänge erscheint, bei denen doch die Götter sehr viel mehr im Mittelpunkt stehen.

In den biblischen Schöpfungstexten zeigt sich Gott als ein fürsorglicher Gott, der nicht nur einen vollkommenen Menschen erschafft, ihm sogar eine Gehilfin zur Seite gibt, ihm die Benennung der Tiere aufträgt und sogar die Herrschaft über alle Pflanzen und Lebewesen, sondern hier kümmert sich Gott auch noch nach dem Sündenfall um die Menschen, denen er Felle zur Bekleidung macht und deren Nachkommen er zugleich mit Wohlwollen und mit Sorge begleitet. Bei aller Erhabenheit des biblischen Schöpfergottes bleibt dieser Gott der Menschheit doch als ständiger fürsorglicher Begleiter verbunden. Der biblische Schöpfungsvorgang ist somit weniger als Weltentstehungserklärung zu verstehen denn als Hintergrund für das Drama des Menschen mit seiner ursprünglichen Vollkommenheit und seinem tragischen Sündenfall, aus dem sich die mühevolle Lebenswirklichkeit des jetzigen Menschen ergibt, wie sie sich dem Leser oder Hörer des Schöpfungsberichts darstellt.

Und sie dreht sich doch!

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