Читать книгу Und sie dreht sich doch! - Kurt Bangert - Страница 31

DIE SINTFLUT

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Das Erdbeben der Stärke 9 vor Sumatra am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 2004 und die nachfolgenden Tsunami-Flutwellen in Indonesien, Sri Lanka, Indien, Thailand und anderen Ländern mit mehr als 200.000 Toten, zahlreichen Überlebenden, Verletzten und Obdachlosen hat uns nicht nur erschüttert und betroffen gemacht, sondern auch bewusst werden lassen, wie sehr der Mensch von den Segnungen der Schöpfung abhängig und dem ungeheuren Gewaltpotential der Natur ausgeliefert ist. Berichterstatter sprachen von der größten Katastrophe seit Menschengedenken. Weil die modernen Medien uns dieses schreckliche Ereignis so hautnah ins Wohnzimmer hinein dokumentiert haben, gab es im Anschluss an die Tsunami-Welle auch eine Welle der Hilfsbereitschaft, wie sie die Welt wohl noch nie gesehen hatte. Wir werden dieses Geschehen so schnell nicht vergessen.

In grauer Vorzeit gab es eine andere, vermutlich noch größere Naturkatastrophe, die sich als traumatisches Erlebnis tief ins menschliche Bewusstsein eingegraben hat: die sogenannte Sintflut, von der im ersten Buch der Bibel berichtet wird und die deshalb auch ein fester Bestandteil des jüdisch-christlichen Kulturerbes geworden ist. Nach diesem biblischen Zeugnisbericht soll eine Flut die ganze Erde bedeckt haben, einschließlich der höchsten Berge, und nur eine einzige Familie soll die Katastrophe überlebt haben. Noahs Familie galt lange Zeit als der Nukleus, aus dem sich nach der Katastrophe die ganze Menschheit entwickelte. Das Gebirge Ararat, in dem nach dem Genesis-Bericht Noahs Arche gelandet sein soll (Gen 8,4), galt somit als der Erdmittelpunkt, von dem aus sich Noahs Nachkommen über den ganzen Erdkreis ausbreiteten. Aber war das wirklich so? Wenn nicht, wie war es dann?

Steigt man vom Gebirge Ararat und wandert gen Südwesten hinunter, so kommt man unweigerlich in das fruchtbare Tal der Flüsse Euphrat und Tigris. Die beiden Ströme schlengeln sich von der Türkei gen Süden durch Syrien und den Irak, bis sie sich in den Persischen Golf ergießen. Hier in Mesopotamien nehmen auch die weiteren biblischen Geschichten ihren Anfang. Stammvater Abraham etwa soll zunächst in Ur (zwischen Bagdad und Basra) und später in Harran (nahe Urfa, dem früheren Edessa im Süden der heutigen Türkei) gelebt haben17, bevor er nach Palästina wanderte und dort zum „Vater vieler Völker“ wurde.

Viele von uns haben noch in der Schule gelernt, dass die „Wiege der Zivilisation“ in Mesopotamien lag. Die alte Archäologie hat uns gelehrt, dass ca. 3500 v. Chr. sowohl im Zweistromland als auch im Nildelta nahezu gleichzeitig zwei erstaunliche Hochkulturen auftauchten, die ihresgleichen suchten: die sumerisch-babylonische Hochkultur im Gebiet des heutigen Irak sowie die ägyptische Hochkultur mit ihren zahlreichen Dynastien und Pharaonen-Generationen. Die Sumerer kannten bereits eine sogenannte Keilschrift, die vermeintlich erste Schrift überhaupt, und aus Ägypten sind uns die Hieroglyphen und die Pyramiden wohlbekannt. Im Zweistromland sollen auch das Rad, der Wagen und die Töpferscheibe erfunden worden sein.

Warum diese Hochkulturen ausgerechnet in Mesopotamien und in Ägypten angesiedelt waren, erklärt sich vor allem aus der Bedeutung der dortigen Flusssysteme, denn seit es Menschen gibt, siedelten sich diese aus offenkundigem Grund schon immer dort an, wo es genug Süßwasser gab: in Oasen, an Flüssen sowie an Süßwasserseen. Wasser ist seit jeher das Lebenselixier des Menschen gewesen, das er zum Trinken, Waschen, Kochen, Tränken der domestizierten Tiere und zum Bewässern der Felder brauchte. Nur wo es ausreichend Wasser gab, konnte auch die Landwirtschaft mit den für eine ertragreiche Ernte nötigen Bewässerungssystemen gedeihen. Nur wo es genug Wasser gab, wurden Menschen sesshaft. Wo das Wasser hingegen spärlich vorhanden war, blieben die Menschen weitgehend Nomaden, weil sie ihr Vieh immer wieder an die wenigen verfügbaren – und je nach Jahreszeit versiegenden – Wasserstellen bringen mussten. Der Mensch, der nach Auffassung der heutigen paläontologischen und genetischen Wissenschaften ursprünglich aus Afrika stammt und vor rund 40.000 Jahren über die Sinai-Halbinsel oder die arabische Halbinsel in den Nahen Osten und von dort nach Asien und Europa gelangte, siedelte also vor allem an Flüssen und Seen und vorzugsweise an den Flussdeltas großer Flusssysteme.

Entstanden die sumerischen und ägyptischen Hochkulturen um etwa 3500 v. Chr., so dauerte es noch ungefähr 1000 Jahre, bis sich um das Jahr 2500 v. Chr. die Indus-Kultur jenseits des heutigen Afghanistan im Indus-Delta niederließ. Weitere 1000 Jahre vergingen, bis an den Flussläufen Chinas die ersten chinesischen Hochkulturen auftauchten. Entlang des Gelben Flusses und des Jangtsekiang entstanden die ersten chinesischen Dynastien, die Landwirtschaft betrieben und auch eine Schriftsprache entwickelten.

Doch das, was viele von uns in der Schule über die ersten Hochkulturen gelernt haben, ist inzwischen gründlich überholt. Es gilt umzudenken. Nicht in Mesopotamien, nicht in Ägypten entstanden die ersten Hochkulturen, sondern am Schwarzen Meer. Woher wissen wir das?

Und sie dreht sich doch!

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