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Das alte und das moderne Weltbild

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Wir sehen: Die Unterschiede zwischen den beiden Schöpfungserzählungen der Genesis sind nicht zu leugnen, auch wenn diese Abweichungen über viele Jahrhunderte nicht als widersprüchlich zueinander empfunden, sondern als komplementäre Ergänzungen verstanden wurden. Gleichwohl kommen wir nicht umhin, nicht nur die Verschiedenheit der biblischen Schöpfungsberichte zueinander festzustellen, sondern darüber hinaus auch ihre grundsätzliche Unvereinbarkeit miteinander sowie auch mit den modernen naturwissenschaftlichen Weltentstehungserklärungen. Auch wenn diese Unvereinbarkeit offensichtlich sein sollte, will ich sie hier der Vollständigkeit halber ganz kurz skizzieren.

Nach Gen 1 existiert das Urmeer vor allem anderen, sogar vor der Erschaffung der Erde, der Gestirne und der Sonne. Am ersten Tag wird zwar das „Licht“ erschaffen, das eine Qualität ganz eigener Art darstellt und nicht in einen direkten Zusammenhang mit der Sonne, dem Mond oder den Sternen gebracht wird, die ja erst am vierten Tag erschaffen werden.

In Gen 1 ist der Mensch zwar Endpunkt und Höhepunkt der Schöpfung (wiewohl man auch die Sabbatruhe als Kulminationspunkt verstehen könnte), er steht jedoch keineswegs im Zentrum der Schöpfungsgeschichte. Vielmehr scheint in Gen 1 zunächst die Erschaffung der Elemente Licht, Wasser, Luft und Erde im Vordergrund zu stehen, bevor mit der Erschaffung der Pflanzen, der Fische und Vögel, der Landtiere und schließlich des Menschenpaares die Belebung der Welt vollendet wird.

In dieser Abfolge der Schöpfungsvorgänge haben manche Leser einen Hinweis auf die evolutionäre Entstehung des biologischen Lebens gesehen, doch sollte man diesbezüglich nicht allzu viel hineinlesen, da es auch dem unaufgeklärten Menschen der Vorzeit nicht entgangen sein wird, dass es einen Unterschied zwischen der unbelebten und der belebten Welt gibt sowie zwischen dem primitiveren und dem höheren Leben. Außerdem scheint der Schöpfungsbericht von Gen 2 diese schöne Reihenfolge zu durchqueren, indem er den (männlichen) Menschen noch vor den Pflanzen und Tieren entstehen lässt. Anders als in Gen 1 steht der Mensch von Gen 2 ganz offensichtlich im Mittelpunkt und am Anfang des Schöpfungsaktes und der Welterschaffung. Alles rankt sich um ihn. Für ihn werden die Pflanzen und die Tiere erschaffen. Auf ihn ist alles Erschaffene ausgerichtet.

Ganz anders nun das heutige Weltbild, auf das wir sehr viel später noch ausführlicher zu sprechen kommen werden. Hier nur eine kurze Skizze: Nach dem derzeitigen naturwissenschaftlichen Weltbild steht am Anfang unseres sichtbaren Universums (vor knapp 14 Milliarden Jahren) vermutlich eine punktuelle Singularität, die Urknall bezeichnet wird, aus der sich der bis heute expandierende Kosmos entwickelte, wobei sich nach einer gewissen Zeit der Abkühlung nicht nur Energie und Materie herausbildeten, sondern auch der Raum. Durch Unebenheiten bei der Ausbreitung entstanden dank der Schwerkraft materielle Zusammenballungen, die schließlich die ersten leuchtenden Sterne und Sternhaufen, sogenannte Galaxien, ergaben. Die Sterne der ersten Generation verbrannten, explodierten und ergaben so jenen Sternenstaub, aus dem wiederum neue Sterne und auch Planeten entstehen konnten. In einer von vielen Milliarden von Galaxien verdichtete sich vor rund 5 Milliarden Jahren eine Staubwolke zu unserer Sonne und zu den uns bekannten Planeten unseres Sonnensystems, einschheßlich unserer Erde. Das Alter unseres Heimatplaneten wird auf rund viereinhalb Milliarden Jahre geschätzt. Innerhalb der ersten zwei bis drei Milliarden Jahre der Erde hat sich nach den Vorstellungen der Naturwissenschaftler primitives Leben (vermutlich im Wasser) gebildet, das sich in einem unaufhörlichen Prozess der Entwicklung, der Anpassung und des Überlebenskampfes zu immer höheren Lebewesen und schließlich zum geistbeseelten Menschen entwickelt hat.

Der biblische Schöpfungsbericht weiß von alledem nichts; er weiß nichts von Urknall und Milchstraßen, nichts von Supernovae und Neutronensternen, nichts von Fusionsprozessen, welche die Sonne zum Leuchten bringen, nichts von Kontinentalverschiebungen und von Evolutionsgesetzen. Es ist hier die grundsätzliche Unvereinbarkeit zwischen dem modernen Weltbild und den biblischen Weltenstehungsgeschichten festzustellen, und wir sind gut beraten, den biblischen Text nicht als naturwissenschaftliche, sondern als theologische Wahrheit und als ein kulturhistorisches Zeugnis zu betrachten. Aber worin, so ist zu fragen, besteht die theologische Botschaft des biblischen Berichtes?

Und sie dreht sich doch!

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