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Moderne Mythen

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Wir modernen Menschen bilden uns zuweilen ein, wir hätten keinen Bedarf an Mythen mehr und hätten unsere Vorstellungswelt von den alten Mythologien weitgehend bereinigt, also „entmythologisiert“. Doch auch diese Meinung dürfte ein Mythos sein (hier im saloppen Sinn gebraucht). Insbesondere die Naturwissenschaften haben ja den Anspruch, alte Mythen durch moderne empirische Erkenntnisse und strenge wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu ersetzen. Doch wage ich zu behaupten, dass auch die modernen Wissenschaften nicht ohne mythisch-angehauchte Bilder auskommen können, weil die empirischen Befunde und theoretischen Überlegungen der Wissenschaften im Grunde nur dann einen Sinn ergeben, wenn sie jeweils in modellhafte Konstrukte, die „Theorien“ genannt werden, einfließen, die in sich rund und stimmig sein müssen, um dem menschlichen Bedürfnis nach Plausibilität, Bildhaftigkeit und Abgeschlossenheit zu entsprechen. Je griffiger und anschaulicher diese modellhaften Vorstellungen sind, desto größer die Chance, dass sich solche wissenschaftlichen Theorien im allgemeinen Bewusstsein durchsetzen.

Man denke nur an solche Begriffe wie Atom, Milchstraße, Urknall, Schwarzes Loch, um zu verstehen, wie wir uns die Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung in einer geradezu mythologisch anmutenden Weise begreifbar und verständlich zu machen suchen. Ohne solche vereinfachenden Bilder oder „Mythen“ hätte es die Wissenschaft sehr viel schwerer, ihre oft abstrakten mathematischen Theorien beim Laienvolk zu popularisieren. Mythisch angehauchte Bilder erleichtern es, wissenschaftliche Theorien zu verstehen; sie laufen aber auch Gefahr, die oft noch unzureichend belegten Erklärungsmodelle für „bare Münze“ zu nehmen. So überzeugend und eingängig die modernen wissenschaftlichen Weltbilder und Modelle auch sein mögen, wir müssen uns bewusst bleiben, dass auch die modernen Weltbilder nur Modelle oder Mythen sind, die wir nicht mit der Wirklichkeit verwechseln dürfen.

Indem ich hier wissenschaftliche Weltbilder als moderne „Mythen“ bezeichne, will ich aber die naturwissenschaftlichen Weltentstehungsmodelle nicht mit den althergebrachten Schöpfungsmythen auf eine Stufe stellen. Während die alten Mythologien vor allem Reflexionen menschlicher Urerfahrungen und traumatischer Erlebnisse gewesen sein dürften, stellen moderne wissenschaftliche Sprachmythen immerhin griffige Veranschaulichungen von genauen Beobachtungen beziehungsweise gut fundierten und weithin überprüften Forschungstheorien dar, die ernst genommen werden wollen.

Bevor wir uns nun gemeinsam auf die Suche nach neuen Weltbildern begeben und nach weiteren modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Entstehung der Welt und des Menschen Ausschau halten, möchte ich mich im nächsten Kapitel zunächst noch der Bedeutung des biblischen Schöpfungsberichts widmen.

Und sie dreht sich doch!

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