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Nur eine Innensicht

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Und noch eins ist zum Weltbild zu sagen: Unsere Weltbilder bieten – wie alle Bilder – immer nur einen kleinen Ausschnitt des Ganzen. Wir erfassen stets nur den für uns sichtbaren, zugänglichen Teil der Welt. Die Gesamtschau bleibt uns verhüllt. Zu einer Vogelperspektive oder einer „Draufsicht“ sind wir kaum in der Lage, weil wir nicht über allem stehen und wir uns in unserer verstrickten Egozentrik vielmehr selbst als Mittelpunkt wähnen. Unser Weltbild kann deshalb immer nur eine Weltinnenansicht sein, nie eine Außenansicht, bei der wir – gleichsam von einem Raumschiff aus – um die Welt herumflögen und sie von außen betrachteten, so als wären wir nicht ein Teil von ihr. Zwar können unsere Astronauten und Kosmonauten mit ihren Raumschiffen mittlerweile tatsächlich um die Erde fliegen und vom Weltraum unseren Heimatplaneten in seinen wunderschönen blau-weißen Farben bewundern und fotografieren, doch ist auch dieser wunderbare Planet ja nur ein winziger Teil des Kosmos – ein Staubkorn in einem unbedeutenden Viertel einer riesigen Galaxien-Metropole, die ihrerseits nur eine von unzählig vielen Galaxien ist. Und wir selbst bleiben stets Teil dieses kleinen blauen Planeten am Rande unserer Milchstraße.

Wir sehen die Welt also nie, wie sie wirklich ist, sondern immer nur so, wie wir sie uns vorstellen und ausmalen. Somit müssen wir unterscheiden zwischen der Welt, wie sie ist, und der Welt, wie wir sie sehen. Der Unterschied zwischen Welt und Weltbild bleibt bestehen. Wir dürfen unsere Wahrnehmung nicht mit der Wirklichkeit verwechseln. Es ist die Unterscheidung zwischen Sein und Wahrnehmung, Realität und Vorstellung, Objektivität und Subjektivität. Darum erfordert die Beschäftigung mit unserem Weltbild immer auch eine Auseinandersetzung mit unseren eigenen Denkvoraussetzungen und Vorverständnissen, die wiederum abhängig sind von unseren Vorprägungen, unserer Sozialisation, unserer religiösen Einbettung und unseren emotionalen Gemütszuständen. Die Beschäftigung mit Weltbildern nötigt uns die Auseinandersetzung mit uns selbst und unserem Platz in der Welt ab.

Selbst für uns moderne Menschen, die wir uns mit den naturwissenschaftlichen Weltbildern des 20. und 21. Jahrhunderts einigermaßen vertraut gemacht und die wir uns von dem geschlossenen Weltbild unserer Kindertage weitgehend verabschiedet haben, bleibt die Welt immer noch etwas, das sich um uns herum dreht. Denn in fast allem, was wir tun, denken, sagen und fühlen, stellen wir uns meistens selbst in den Mittelpunkt. Selbst wenn wir uns ein sozialverträgliches, altruistisches Verhalten zugelegt haben sollten, tun wir dies vor allem um unserer selbst willen. Wir Menschen bleiben im Zentrum unserer Beziehungen, unserer Wahrnehmungen, unseres Verstehens und unseres Agierens. In unserer eigenen Wahrnehmung sind und bleiben wir der Mittelpunkt unserer Welt, das Zentrum des Universums.

Die bittere Wahrheit ist jedoch, dass wir es nicht sind; dass wir nur eines von rund sieben Milliarden Menschlein sind; dass wir angesichts der Dimensionen des Universums nur ein unbedeutendes, vernachlässigbares Staubkorn im All sind. Gibt es außerhalb der Erde irgendjemanden, der sich um diese Erde schert oder der sich um uns irgendwelche Sorgen macht? Kräht irgendein Hahn nach uns, wenn wir gestorben sind? Kümmert es überhaupt irgendjemanden, dass wir da sind? Drehen sich die Galaxien nicht unendlich weiter, lange nachdem es die Erde nicht mehr geben wird? Ist die Bedeutung, die wir unserer eigenen Existenz zuzuschreiben geneigt sind, nicht eine einzige überdimensionierte, aber für uns gleichwohl unaufgebbare Illusion? Dieses Buch wird diese Fragen nicht alle beantworten, aber es wird Sie, den Leser und die Leserin, mitnehmen auf eine spannende Reise durch Zeit und Raum und von der Mitte der Welt zum Zentrum des Universums. Nehmen Sie Platz, es kann losgehen.

Kurt Bangert

Und sie dreht sich doch!

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