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Die zwei Schöpfungsgeschichten

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Wer die Bibel kennt, weiß, dass manche biblischen Geschichten mehr als einmal erzählt werden. Einige Geschichten Jesu beispielsweise sind uns im Neuen Testament bis zu vier- oder fünfmal überliefert. Die vier Evangelien berichten über diverse Begebenheiten des Lebens Jesu teils mit identischen Worten, teils in abweichender, um nicht zu sagen: widersprüchlicher Weise. Auch im Alten Testament gibt es ähnlich lautende Passagen, die über dieselben Ereignisse unterschiedlich berichten, etwa wenn man die zwei Königsbücher mit den zwei Chronikbüchern vergleicht. Auch von der Weltentstehung und der Erschaffung des Menschen gibt es mehrere Erzählstränge. Die bekanntesten Schöpfungsgeschichten befinden sich in Genesis 1 und Genesis 2.

In Gen 1 wird die Weltentstehung im Rahmen der weithin bekannten Sechstageschöpfung erzählt, bei der Gott den Menschen am Abend des sechsten Tages erschafft, bevor sich der Schöpfer am siebten Tag von seiner Arbeit ausruht. In Gen 2 steht die Erschaffung des Menschen ganz im Vordergrund, während die übrige Schöpfung weitgehend im Hintergrund bleibt. Bei dieser zweiten Version spielt der Sündenfall eine große Rolle. Ich will hier kurz herausarbeiten, worin sich diese beiden Schöpfungsberichte noch unterscheiden.

Dass es sich bei diesen beiden Weltentstehungsberichten um zwei unterschiedliche Traditionen handelt, zeigt sich schon an sprachlichen Besonderheiten. Beispielsweise lesen wir in Gen 1 von Gott als Elohim, einer hebräischen Pluralform von Eloh oder Eloah, in dem auch das arabische Allah anklingt. In Gen 2 und den nachfolgenden Kapiteln wird von Gott als dem JHWH oder Jahweh gesprochen (je nachdem, ob man die hebräischen Vokale mitliest oder nicht). Man hat deshalb von diesen beiden Traditionssträngen als dem Elohisten und Jahwisten gesprochen und neigt dazu, den Elohisten dem Nordreich Israel zuzuordnen und den Jahwisten dem Südreich Juda. Die unterschiedlichen Erzählstränge wurden offenbar durch einen späteren Editor, in der Fachsprache „Redaktor“ genannt, ineinander verwoben, um inhaltliche Parallelen zusammenzubinden. Jedenfalls scheinen sich die verschiedenen Quellen durch das ganze Buch Genesis zu ziehen.5

Schauen wir uns die Schöpfungstexte etwas genauer an. Der Elohist von Gen 1 beginnt mit den bekannten Worten:

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde

Und die Erde war wüst und leer [hebräisch: tohu wa bohu]

Und es war finster auf der Tiefe;

Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.

Und Gott sprach: Es werde Licht!

Und es ward Licht.

Und Gott sah, dass das Licht gut war.

Da schied Gott das Licht von der Finsternis

Und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.

Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

(nach der Luther-Übersetzung)

An diesem ersten Tag scheidet Gott also das Licht von der Finsternis. Ein erster Trennungsprozess erfolgt.

In diesem Stil geht es nun weiter in der Erzählung. Am zweiten Tag macht Gott eine „Feste“ oder „Firmament“ (vermutlich ein festes Gewölbe), um die Wasser über dieser Feste von den Wassern unterhalb der Feste zu scheiden. Die Feste nannte Gott „Himmel“.

Am dritten Tag lässt er aus den unteren Wassern das trockene Land, die Erde erstehen, um so Wasser und Erde voneinander zu trennen. So kann er auf der Erde Sträucher und Bäume wachsen lassen. Am vierten Tag setzt er Sonne, Mond und Sterne an die Feste, „die da scheiden Tag und Nacht“. Am fünften Tag erschafft Gott allerlei Getier und Fische im Wasser sowie die Vögel unter der Feste des Himmels. Auch hier zeigt sich eine Zweiteilung von Wasser und Luftraum.

Am sechsten Tag schließlich macht Gott „die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art“. Danach beschließt Gott, den Menschen zu machen, „ein Bild, das uns gleich sei“. Und „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib.“ Wiederum erkennen wir Zweiteilungen: von Tier und Mensch, von Mann und Frau.

Und Gott „ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.“ Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn. Und so schließt der Bericht mit den Worten: „So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden.“ (Gen 2,4)

Und sie dreht sich doch!

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