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Kapitel 14

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Der Hubschrauber brachte seine Fracht reibungslos nach New York. In Anns Klinik wurde Bodo in ein künstliches Koma versetzt.

Marco charterte zwei Jets.

Der erste Jet flog Bodo, Iris und Sylvia nach Frankfurt. Bei dem Verwundeten handelte es sich offiziell um Ewald Falland.

Der zweite Jet brachte Marco und Ole nach Sizilien. Die Piloten sollten nicht in Schwierigkeiten gebracht werden. Sowohl Marco als auch Bodo hätten sich als ehemalige Little-Guantanamo-Insassen nicht in den Staaten aufhalten dürfen.

In Iris‘ Klinik holte man Bodo erst eine Woche später aus dem Koma.

Erst vier Wochen nach dem Erwachen aus dem künstlichen Koma erlaubte es Iris, dass Marco und Ole wieder zu Bodo durften. Bodo brauchte Ruhe und nochmals Ruhe. Jede noch so kleine Aufregung konnte seine Genesung gefährden. Marco akzeptierte diese Regelung widerspruchslos.

Doch Ole entwickelte sich zunehmend zum Problem. Iris verlegte Bodo in ein sehr großes Appartement im obersten Stock der Psychiatrie. Im Vorzimmer ließ sie eine Schlafgelegenheit für Ole einrichten. Dieser küsste weinend ihre Hand und war fortan aus diesem Zimmer nicht mehr herauszubekommen. Oles kleines Apartment hatte ein eigenes Bad mit Toilette. Auch sein Essen ließ sich er sich auf sein Zimmer bringen. Als ihn Iris nach einigen Tagen tadelte, dass er seinen Körper vernachlässigte, und Bodo darüber nicht erfreut sein würde, wenn er aufwache, ließ sich Ole einige Fitnessgeräte auf sein Zimmer bringen.

Nur Iris durfte unbehelligt zu Bodo. Sylvias Besuche ließ er äußerst wider­willig zu. Ole schaute die Ärztin nur noch von der Seite an. Sie hatte ihm damals die Spritze gegeben, wodurch es ihm nicht möglich gewesen war, Bodo zu begleiten. Dass der Hubschrauber ihn nicht zusätzlich hatte aufnehmen kön­nen, ließ er nicht gelten. Dann hätte eine von euch Weibern eben zurückbleiben müssen, war seine Antwort gewesen.

Iris genoss es, Bodo täglich nahe zu sein. Nach dem Erwachen aus dem Koma hatte sie ihm starke Beruhigungsmittel verabreicht. Er sollte langsam und schrittweise in dieser Welt wieder Fuß fassen. Wann immer es ihr möglich war, saß sie an Bodos Bett, und streichelte seine Wangen und seine Hände. Und sie gab ihm zum Abschied immer einen kleinen, zarten Kuss auf die Lippen.

Einige Male wachte Bodo kurz auf, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Iris war glücklich. Ihre Mitarbeiter tuschelten:

»Die Chefin summt neuerdings vor sich hin.«

Das war eine völlig neue Erfahrung.

Erst vier Wochen nach Bodos Zusammenbruch verringerte Iris die Medika­mentendosis; nach Rücksprache mit Sylvia. Eine Stunde am Tag standen leichte Gespräche auf dem Plan. Als Bodo zu bestimmten Themen Antworten haben wollte, sagte Iris immer: »Später Bodo. Später. Wir müssen uns Zeit nehmen. Die Welt läuft nicht davon.«

Marco hielt sich an alle Vorschriften von Iris. Er verbrachte nur einige Minuten bei Bodo. Allerdings beantwortete er keine schwierigen Fragen. Er gab sich betont locker und erntete von Bodo dafür ein Lächeln - und ab und zu ein „Danke mein Freund“.

Ole war weniger diszipliniert. Als Iris ihn eines Tages zu Bodo ließ, kniete er sofort vor Bodos Bett. Er küsste seine Hand und wollte diese nicht mehr los­lassen.

»Er wacht seit drei Wochen im Nachbarzimmer und knurrt jeden an, der zu dir will«, sagte Iris mit ärgerlicher Miene. »Ein Schäferhund kann nicht schlimmer sein.«

Bodo lachte zum ersten Mal und strich sanft über Oles Haare. Dicke Tränen rollten über die Wangen des Norwegers, und er lachte dabei. Als ihn Iris wieder nach draußen komplimentieren wollte, war Ole erst dann dazu bereit, als Bodo nur einmal kurz die Augen schloss.

Ab der sechsten Woche erweiterte Iris die Gespräche von Tag zu Tag um jeweils eine Stunde. Auch Sylvia turtelte wieder mit Bodo. Marco durfte einige geschäftliche Dinge besprechen, und Ole saß stundenlang in Bodos Zimmer - schweigend. Das genügte ihm. Iris schüttelte mit einem Lächeln den Kopf über diese Szene. Solche Dinge schreibt nur das Leben, dachte sie.

Iris wusste, dass sie keine Fehler machen durfte. Bodo verbrachte bereits über vier Monate in ihrer Klinik. Da er zunehmend unruhiger wurde, musste sie eine Entscheidung fällen. Unzählige Male hatte sie sich in den letzten Wochen dabei ertappt, dass sie versuchte, sich selbst zu manipulieren und zu belügen. Nein, Bodo war beileibe noch nicht gesund. Allerdings verlief die Grenze in solchen Fällen äußerst fließend. Immer wieder stellte sie sich die Frage, zu welcher abschließenden Einschätzung sie kommen müsste, wenn sie diesen Mann nicht seit vielen Jahren abgöttisch lieben würde. Sie, Iris Saß, Inhaberin und Leiterin einer angesehenen Psychiatrie, war befangen. Weitaus schlimmer wog die Tatsache, dass sie viele der Philosophien und Ansichten Bodos inzwischen nachvollziehen konnte. War sie inzwischen selbst krank; infiziert?

Die Ansprache dieses charismatischen und engagierten Umweltaktivisten an jenem denkwürdigen Abend in Biloxi hatte sich tief in ihre Seele eingegraben. Es war für sie unendlich schwer gewesen, sich an jenem Abend nicht aus­schließlich auf Bodo zu konzentrieren, sondern gezielt zu versuchen, in den Gesichtern der über einhundert Aktivisten zu lesen. Er hatte sie in den Bann gezogen. Alle. Ausnahmslos. Diese Menschen hatten an seinen Lippen gehangen. Iris hatte keinen Zweifel daran, dass viele von ihnen bereit gewesen wären, ihr Leben für die von Bodo vorgegebenen Ziele zu opfern. Und einige attraktive Frauen hätten alles dafür geben, mit diesem Mann zu schlafen … falls dies einige von ihnen nicht schon längst getan hatten. Vor allem dieser Gedanke ließ sie in jener Nacht in Biloxi keinen Schlaf finden. Während sie wach lag und an die Decke stierte, versuchte sie, jeden einzelnen Satz dieses Charismatikers zu analysieren. Dieser Mann war wie ein Vulkan, der jederzeit zu einem katastrophalen Ausbruch kommen konnte. Sie hätte viel dafür gegeben, wenn es ihr damals gelungen wäre, alle diese Szenen, und vor allem Bodos Ansprache, aufzunehmen. Die fachliche Meinung von Kolleginnen und Kollegen wäre ihr ungemein wichtig gewesen. Sie war, wie alle Aktivisten an diesem Abend, von Bodo fasziniert gewesen. Als anerkannte Psychologin war sie gleichzeitig tief entsetzt.

Dieser Mann, ihr Bodo, ihr Geliebter - war krank; vielleicht sogar gefährlich krank. Die Wahrscheinlichkeit war äußerst groß, dass er sich langsam, aber sicher, zu einer Gefahr für sich und seine Umwelt entwickeln könnte. Die Schöpfung schien für ihn einen weitaus gewichtigeren Stellenwert zu haben als Menschen. Wie oft hatte er allein das Wort „hassen“ oder gar „abgrundtief hassen“ erwähnt; dies mit einer Gestik und Mimik, die ihr das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen müssen. Doch nein. Ihr Blut kochte. Ihr Puls raste. Verdammt. Auch sie hing an seinen Lippen. Sie hatte sich gefragt, ob auch sie bereit wäre, ihr Leben für Bodos Ziele einzusetzen. Nein. Priorität hatte für sie stets das Seelenleben von Menschen. Schließlich waren Menschen auch Teil der Schöpfung.

Wenn Bodo an diesem Abend einen Sparren in der Krone hatte, dann hatten es die über hundert Personen im kleinen Saal ebenfalls. Aber als weitaus schlimmer hätte eingestuft werden müssen, dass Ann Chandler aus Amerika, Solange Colin aus Frankreich, Blanca Barreras aus Spanien, Mayana Robles aus Mexiko und die junge Tussi aus England ganz offensichtlich ihr Gehirn ausgeschaltet hatten. Sie alle leiteten ebenfalls Psychiatrische Kliniken oder hatten dort herausgehobene Positionen inne. Ach da war ja noch diese Sue aus China, die Bodo kannte; allerdings an diesem Abend nicht dabei sein konnte. Sie alle waren Frauen! Nur Frauen! War das ein Zufall?

Wie um alles in der Welt war das zu erklären? Hatte Bodo zum Schluss mit all diesen Frauen geschlafen? Irgendwann?

Iris schauderte es immer noch. Genau genommen wusste sie noch nicht einmal einen Bruchteil über Bodos Leben. Warum hatte er die meisten dieser Informationen vor ihr verheimlicht? Wollte er sie vielleicht damit schützen? Oder misstraute er ihr gar? Wie konnte sie ihm unter diesen Umständen helfen? Sie musste ihm helfen. Doch wenn sie dabei einen Fehler machen sollte, würde sie Bodo verlieren; höchstwahrscheinlich für immer. Daran bestand nicht der geringste Zweifel. Sylvia war pragmatischer. Sie bat Marco, das Obergeschoss mit winzi­gen Kameras auszustatten. Von ihrem Büro aus war es ihrer Freundin nun möglich, alle Gänge der Klinik zu überblicken.

Vor zwei Wochen gelang es Sylvia, nicht weit von Bodos Appartement entfernt, einen bis dahin leerstehenden Raum wohnlich ausstatten zu lassen. Darin dominierte ein großes Doppelbett.

Marco war zunächst geschmeichelt gewesen, als er mit der attraktiven Ärztin dieses Doppelbett einweihen durfte. Bereits zwei Wochen nach dem ersten Liebesrausch bereute er es, Ole bei dessen Fitnesstraining nicht oft genug begleitet zu haben. Diese Frau, welche auf ihn immer einen distinguierten Eindruck gemacht hatte, war hemmungslos - und ihr Hunger schien sich von Tag zu Tag zu steigern.

Iris konnte ebenfalls von ihrem Vorzimmer aus alle Gänge und viele sensible Räume überwachen. Sie lächelte in sich hinein, als es Marco wieder einmal nicht gelang, sich heimlich aus der Klinik zu schleichen.

Ehe er sich versah, hatte ihn Sylvia in das kleine Appartement gelotst. Marco sah einige Stunden später mitgenommen aus, als er sich aus der Klinik davonstehlen wollte.

»Hast du ein paar Minuten Zeit für mich«, begrüßte Iris den armen Burschen im Eingangsbereich.

»Ich brauche deinen Rat.«

Marco, der sich nach seinem Bett und viel Ruhe sehnte, zuckte zusammen.

»Bodo hatte wieder einmal tausend Fragen«, sagte er etwas verlegen. »Können wir das nicht auf morgen verschieben?« Iris hakte sich bei Marco unter.

»Komm mein Freund. Nur ein paar Minuten«, gurrte sie. »Für mich ist es wichtig, deine Meinung zu wissen.«

Der müde Marco ergab sich seinem Schicksal. Er wusste, dass es unklug gewesen wäre, Iris einen Gefallen abzuschlagen. Deshalb ließ er sich unaufgefordert in den gemütlichen Bürostuhl vor dem Schreibtisch von Iris fallen.

Iris setzte sich lächelnd auf ihren großen und modernen Bürostuhl und schlug die Beine übereinander.

»Du siehst aus, als ob Ole dort oben mit dir einen Boxkampf veranstaltet hat«, sagte sie mit einer Miene des Mitleids.

»Worüber wolltest du mit mir sprechen?« Marco versuchte, mit diesen Worten zu signalisieren, dass er heute nicht zum Small Talk aufgelegt war.

»Gut. Lass uns gleich zum Punkt kommen«, sagte Iris.

»Wie schätzt du Bodos Gesundheitszustand ein?«

Blitzartig wusste Marco, warum Iris ihn in ihr Büro gebeten hatte. Er hob abwehrend beide Hände.

»Wie du weißt, ist Bodo mehr als ein Freund für mich. Das solltest du respektieren.«

»Mich beschäftigt momentan nur eine Frage. Ab wann können wir es gemeinsam verantworten, Bodo als geheilt zu entlassen?«

»Was verstehst du unter „geheilt«, antwortete Marco erkennbar gereizt.

Iris lächelte in sich hinein. Marco reagierte genauso, wie sie dies vorausgesehen hatte.

»Gut, dann erkläre es mir mit deinen Worten. Was ist aus deiner Sicht in Biloxi mit Bodo passiert?«

»Er hatte einen Nervenzusammenbruch. Das hast du damals doch selbst gesagt.«

Iris hob beschwichtigend beide Hände.

»Einverstanden. Aber ich brauche es dir nicht zu erklären, dass ein Zusammenbruch nicht wie eine göttliche Eingebung auf Menschen her­niederkommt. Wenn du sein Freund sein willst, so solltest du mir dabei helfen, die genauen Gründe hierfür herauszufinden.«

Marco winkte ab.

»Wie auch immer. Bodo ist jetzt wieder top fit. Nur das zählt. Alles Übrige ist jetzt nicht mehr wichtig.«

Auch darauf hatte sich Iris vorbereitet. Sie beugte sich angriffslustig nach vorn.

»Wie es in Bodo aussieht, scheint für dich nicht besonders wichtig zu sein«, polterte sie.

Marco schnellte aus dem Bürostuhl.

»Was bildest du dir ein? Wenn Bodo herausbekommt, dass wir über sein Seelenleben gesprochen haben, bekommen wir beide großen Ärger. Du solltest vorsichtig sein mit diesen Dingen.«

Jetzt erhob sich auch Iris aus ihrem Stuhl. Ihr Gesicht wurde finster.

»Wer, bitte sehr, gibt dir die Garantie, dass Bodo in einer Woche oder in einem Monat nicht wieder zusammenklappt? Wie soll ich meinen Job machen, wenn ihr alle gemeinsam mauert?«

Es entstand Stille. Nach einigen Sekunden klopfte es an der Tür. Weder Iris noch Marco reagierten. Schließlich öffnete sich die Tür einen Spalt breit. Es war Sylvia. Sie blickte die beiden neugierig an.

»Na ihr Kampfhähne. Braucht ihr einen Schlichter?«

Iris winkte mit weitausholenden Bewegungen.

»Komm rein. Vielleicht kannst du uns weiterhelfen.«

Erst als alle wieder Platz genommen hatten, blickte Iris Sylvia an.

»Ich will es abkürzen. Ist Bodo aus deiner Sicht völlig gesund?«

Sylvia lehnte sich ruckartig zurück, und hob beschwichtigend beide Hände.

»Moment. Wir befinden uns in deiner Klinik. Physisch ist Bodo, wenn er einige Wochen mit Ole trainiert, wieder fähig, an einem Marathonlauf teilzunehmen.«

»Du weißt ganz genau, was ich meinte«, sagte Iris gereizt.

»Ich habe dich, als meine Ärztin und Freundin, die seit vielen Jahren in dieser Klinik arbeitet, um deine Meinung gebeten. Schleiche dich jetzt nicht aus dieser Verantwortung. Du hast Bodo in den letzten vier Monaten jeden Tag besucht; verdammt viele Stunden übrigens, wenn ich das hier einmal einflechten darf.«

Marco musste unwillkürlich grinsen. Doch Bruchteile später blickte er mit ernster Miene in Richtung Sylvia.

»Zuerst einmal deine Meinung.«

Die Ärztin zuckte mit den Schultern.

»Lasst es mich einmal so sagen: Fünf Minuten in Biloxi haben mir mehr über euren Männerverein gesagt, als die letzten Jahre hier in Frankfurt.«

Sie stand auf, ging zum Fenster und blickte in die kleine Parkanlage. Bei den folgenden Sätzen wollte sie offensichtlich weder Iris noch Marco in die Augen schauen.

»Aus meiner Sicht ist Bodo schon sehr lange krank. Ihr alle wisst ganz genau, dass er unendlich mauert. Bodo ist, wie er ist. Doch solange er selbst nicht daran interessiert ist, dass sich daran etwas ändern sollte, besteht zweifelsohne das Risiko, dass sich dieser Prozess bei jedem größeren Ereignis verschlechtert. Das ist meine Meinung als Ärztin.

Als Freundin und Mitstreiterin von Bodo, fühle ich mit ihm. Ich bin traurig und ratlos. Aber auf eine mir völlig unerklärliche Weise bin ich auch erwartungsvoll.«

Erst jetzt drehte sie sich wieder zu Iris und Marco um.

»He Leute, erwartet von mir bitte keine Wunderbotschaft. Empathie ist ganz bestimmt nicht seine Stärke.« Sie lachte bitter.

»Robben, Wale, Vögel und Schmetterlinge haben in seinen Augen – es fällt mir äußerst schwer, dies sagen zu müssen - einen weitaus höheren Stellenwert als Menschen. Ich habe keine Ahnung, ob wir uns deshalb Sorgen machen sollten. Das ist schließlich dein Zuständigkeitsbereich.«

Dabei blickte sie Iris herausfordernd an.

Bodos Freunde waren einige Minuten ratlos. Jeder brütete vor sich hin. Draußen im Park wurde der Rasen gemäht. Wahrscheinlich das letzte Mal in diesem Jahr. Viele rote und gelbe Blätter von einigen Kirschbäumen hatten bereits den Rasen verziert.

Das tiefe Schnaufen von Marco durchbrach die Stille.

»Ich kann mir vorstellen, in welche Richtung ihr denkt«, begann er mit seinem Monolog.

»Da haben es Ole und ich leichter. Was wir zusammen erlebt haben, lässt sich nicht in Worte fassen. Ich glaube, dass jeder Mensch nur ein Schicksal hat. Und diesem Schicksal muss jeder für sich folgen. Bodo liebt die Farben der Schöpfung. Darüber hinaus kennt Bodo nur Schwarz und Weiß. Um es genauer auszudrücken: Für oder gegen die Schöpfung. Hierbei sind die Menschen lediglich Teil der gesamten Schöpfung. Der Mensch, das einzige intelligente Wesen auf diesem Planeten, sollte darauf bedacht sein, diese Schöpfung zu bewahren. Schon allein aus egoistischen Gründen. Wenn die Schöpfung stirbt, stirbt auch der Mensch. Das ist Bodos unumstößliche Philosophie und Ausrich­tung. Ihr habt das doch in Biloxi gehört. Er hat vielleicht eine etwas unge­wöhnliche Sichtweise. Er hat sich vielleicht in manchen Dingen verdammt hart ausgedrückt. Was er gesagt hat, sind doch zum allergrößten Teil unumstößliche Fakten. Er hat sich in diese Thematik über viele Jahre hineingesteigert.

Wenn ihr das alles gesehen hättet, was er mit seinen eigenen Augen gesehen hat, würdet ihr auch etwas andere Menschen geworden sein. Verdammt. Ich weiß nicht, warum er sich diese Scheiße antut. Das ist eigentlich unmenschlich. Ich erkenne auch nicht, wohin er mit all diesem Wissen will. Ole und ich könnten euch sicher über einige erhellende Erlebnisse berichten. Doch das werden wir nicht tun. Wir beide sind bereit, Bodos Weg mitzugehen. Wir ahnen, dass dieser Weg vielleicht nicht einfach sein wird. Doch nicht nur wir beide würden ihn auf diesem Weg bis zum letzten Blutstropfen begleiten. Mindestens die Hälfte der Leute an diesem Abend in Biloxi denken und fühlen artähnlich.«

Er blickte Iris bohrend in die Augen.

»Welche Kriterien entscheiden darüber, ob jemand psychisch krank oder gesund ist?«

Er machte eine Pause, um den beiden Frauen nacheinander in die Augen zu schauen.

»Ist ein Rauschgiftsüchtiger krank? Im Prinzip schadet er sich doch nur selbst damit. Wenn ein netter Zeitgenosse jedoch mit zweihundert Stundenkilometern in eine dicke Nebelwand hineindonnert, kann man diesen Zeitgenossen dann noch als völlig gesund bezeichnen? Er kann damit viele Menschenleben in Gefahr bringen. Ist ja alles schon viele Male passiert. Aber wenn ein Manager eines großen Konzernes, ganz bewusst und lediglich aus Kostengründen, aus reiner Raffgier eine unmissverständliche Anweisung gibt, die primitivsten Sicherheitsvorschriften außer Kraft zu setzen, wie es nicht nur bei der Deepwater-Horizon-Katastrophe der Fall war - und in der Folge sterben viele Menschen. Ist dieser Mensch dann nur noch gierig? Oder ist dieser Mann da facto dann ein Mörder? Und wenn er sich sogar als Wiederholungstäter outet, so müssten eure Kolleginnen oder Kollegen ihn doch in eine Psychiatrie einweisen. Oder sehe ich das völlig falsch? Ist es nachvollziehbar, dass eine Kassiererin wegen einer Unterschla­gung von ein paar Euro in den Knast muss - und der Manager der Deepwater-Katastrophe bekommt eine Millionenabfindung und hat obendrein einen lebenslangen sehr hohen Pensionsanspruch? Ob Menschen aufgrund von vorhersehbaren Unfällen sterben, oder durch eine Salve aus einer Maschinen­pistole - wo um alles in der Welt gibt es da einen Unterschied? Tot ist tot.«

Tränen schossen über Marcos Wangen.

»Verdammt. Ich kann Bodo mittlerweile verstehen«, schluchzte er leise. »Nie würde ich Bodo in den Rücken fallen.

Sylvia erhob sich, um Marco wortlos in die Arme zu nehmen. Marco schob sie nach einigen Sekunden sanft von sich.

»Ihr werdet euch bald entscheiden müssen, ob sich unsere Wege trennen. Auch ihr habt nur ein Schicksal. Und diesem Schicksal könnt auch ihr nicht entrinnen.«

Einige Tage zuvor hatte Marco alles darangesetzt, die ganze Wahrheit über den weiteren Verlauf und den Ausgang der Deepwater-Horizon-Katastrophe in Erfahrung zu bringen. Er recherchierte im Internet und telefonierte mit Bradly sowie mit vielen Aktivisten und Experten. Die Auswirkungen waren weitaus größer und nachhaltiger, als dies aus Zeitungsberichten hervorging oder hervorgehen konnte. Die Reporter wurden mit Expertisen und Gutachten gekaufter Wissenschaftler bombardiert. So entstanden hunderte von „Wahrheiten“.

Lediglich der erfolgreichste Schadenersatzanwalt, Mike Papantonio, stellte sich der Armee von über 300 Anwälten des Konzerns entgegen und plädierte auf die juristische Höchststrafe in den USA; den »Strafschadenersatz«. Dazu musste er beweisen, dass der Konzern sich mit Vorsatz betrügerisch und rück­sichtslos verhalten hatte. Das Heer der Anwälte des Konzerns behauptete, 75 Prozent des Öls seien verdunstet, verbrannt, abgeschöpft und von Chemikalien zersetzt worden.

Doch der Staranwalt, der seine kampferprobten Rechercheure ausgesandt hatte, konnte sich auf Expertisen von Umweltschutzorganisationen und deren Experten beziehen. Eben diese 75 Prozent, gab er zu Protokoll, würden sich verheerend auf unsere Umwelt auswirken – und seien sogar noch gefährlicher als zuvor.

In Kombination mit Corexit potenzierte sich die Giftigkeit und würde sich voraussichtlich noch in mehr als zwanzig Jahren verheerend im Golf von Mexiko auswirken. Dies attestierte der Meeresbiologe und ehemalige Professor der Universität von Alaska.

Die altgedienten und seelenlosen Anwälte des Konzerns taten das, womit sie Jahre und Jahrzehnte zuvor immer Erfolge verbuchen konnten: Sie spielten auf Zeit – zehn Jahre, zwanzig Jahre, dreißig Jahre. Papantonio, der David gegen den Goliath, hielt mutig dagegen.

»Der Konzern hat betrügerische, ja sogar hochkriminelle Züge an den Tag gelegt. Nur weil die Verantwortlichen Anzüge von Armani trügen, sich Rolex-Uhren leisteten, und mit einem britischen Akzent sprächen, würde das noch lange nicht bedeuten, dass es keine Krimi­nellen seien«, sagte er bei einer der vielen Gerichtsverhandlungen.

Er untermauerte diese Charakterisierung mit Fakten:

Allein die Bilanz der letzten fünf Jahre würde die Vermutung zulassen, dass das Gericht es nicht nur mit Kriminellen, sondern gar mit Soziopathen, mit kranken Menschen, zu tun zu habe. Die Bilanz in diesen Jahren: 26 Tote und 170 Verletzte.

Und wer noch weiter in die Geschichte zurückblicken wolle, dem stünden die Haare zu Berge. All dies zeige, dass diese Kriminellen in Nadelstreifen nichts dazu lernen wollten. Sie hatten sich ihr eigenes Parallelreich geschaffen, und fühlten sich unangreifbar. Welche Macht würde es schon versuchen, sich mit über drei­hundert Anwälten anzulegen, von denen jeder viele tausend Dollar am Tag verdienten; war in vielen Zeitungen weltweit zu lesen.

Insider wetteten zum damaligen Zeitpunkt darauf, dass der Konzern diesen Kampf verlieren würde. Sie verwiesen darauf, dass der neue Vorstands­vorsitzende des Konzerns bereits hohe Rücklagen durchgesetzt hatte.

Der MMS vergab noch im gleichen Jahr neue Bohrlizenzen an verschiedene Konzerne. Noch nicht einmal zwei Jahre nach der Explosion der Deepwater Horizon vermeldete der neue Vorstandsvorsitzende bereits wieder einen Nettogewinn von 23,9 Milliarden Dollar. Ein britisch-niederländischer Konzern ließ im Mai 2013 wissen, dass er 320 Kilometer südwestlich von New Orleans einen neuen Bohrrekord aufstellen wolle; in 2.896 Meter Tiefe.

Nein, diese gie­rigen Konzerne, eingebettet in ein Geflecht aus Unternehmen, einem Meer aus hochbezahlten Lobbyisten, großen Anwaltskanzleien, Banken und willfährigen Politikern – sie würden weitermachen, als sei nichts geschehen. Sie würden noch größere Schäden anrichten, und der Mutter Erde weitere riesige Wunden zufügen. Allein die Fracking-Technologie würde jegliches Vorstellungsver­mögen sprengen. Einige Affen- und Hundearten weisen eine höhere Empathie auf, als viele Manager multinationaler Konzerne, dachte Bodo. Diese Burschen verbargen ihre Defizite geschickt hinter anerlernten Rhetoriktechniken. Dem Vorstandsvorsitzenden des englischen Konzerns attestierte die Fachpresse ein gewinnendes Wesen und einen jungenhaften Charme. Dieser gleiche, joviale und charismatische Mann vergnügte sich auf seiner großen Yacht in klaren, englischen Gewässern, während im Golf von Mexiko unzählige Menschen um ihre Existenzen kämpften, während tausende Helfer die giftige, braune Brühe in große Behälter schöpften, und später in Krankenhäuser eingeliefert wurden; während hochbezahlte Manager nur ein Ziel kannten: Die Wahrheit vor der Öffentlichkeit zu verschleiern, und hierfür riesige Summen auszugeben. Wie blanker Hohn klang der Satz dieses gefeierten Topmanagers mit den freundlichen Augen: »Die Menge an Öl und Chemikalien im Meer ist doch sehr gering im Vergleich zum Wasser, das es dort gibt.« Besser konnte sich der Vorstandsvorsitzende eines der größten Konzerne weltweit nicht charakteri­sieren.

Doch sie waren in der Überzahl. Wer sollte diese Heerscharen an gierigen, egoistischen und vor allem mächtigen Parasiten aufhalten? Ein Gebirge, so hoch wie das Himalaya-Massiv, lastete auf Bodos Seele.

Bodo hatte Iris nicht kommen hören. Wortlos kam sie näher, und setzte sich auf die Bettkante. Wie so oft lag Bodo angezogen auf dem Bett und blickte zur Decke. Ohne seinen Kopf zu wenden, tastete seine rechte Hand nach Iris. Sanft nahm sie seine Hand. Beide schwiegen.

Es mochten vielleicht fünf Minuten vergangen sein, als Bodo plötzlich im großen Bett etwas zur Seite rückte. Instinktiv kuschelte sich Iris vorsichtig an seine Seite. Sie spürte die Wärme seines Körpers. Um nichts auf der Welt wollte sie diesen Moment zerstören. Sie wagte kaum, zu atmen. Diese wohltuende Geste ihres Geliebten wollte sie so lange wie möglich auskosten. Sie hätte allerdings Jahre ihres Lebens geopfert, wenn eine Stimme ihr verraten würde, was in diesem Moment in Bodo vor sich ging. Die in Fachkreisen anerkannte Psychologin wäre über die Wahrheit erschrocken und höchst erstaunt gewesen. Iris kam gerade in einem wichtigen und richtigen Moment. Ihre Anwesenheit tat ihm gut – wie noch nie in all den vielen Jahren. Sie verströmte Wärme und Geborgenheit; eine Wärme, die er nur von seiner Mutter in seiner frühen Kindheit kannte.

In den zurückliegenden Jahren hatte Bodo Höllenqualen durchlitten. Selten fand er Ruhe.

In seinem Kopf spulten sich Bilder ab, rauschten unzählige Eindrücke von seinen vielen Aktionen an ihm vorbei, hörte er die Schreie von gequälten Kreaturen. Es rumorte und es kochte – unablässig. Diese Bilder verfolgten ihn vor allem in der Nacht. Seit Jahren konnte er nur vier Stunden pro Nacht schlafen. Und heute - empfand er Stille. Es war eine wohltuende Stille, herrliche Stille - eine Stille, die seine Seele streichelte.

Ein Geräusch ließ Iris aufhorchen. Sie öffnete die Augen. Es war inzwischen dunkel geworden. Als sie zur Tür blickte, erkannte sie Oles Gesicht. Mit einer beruhigenden Geste schloss er von draußen leise die Tür. Für Iris gab es nur eine Erklärung. Sie musste eingeschlafen sein. Sie horchte angestrengt in das Dunkel hinein. Bodo atmete tief und gleichmäßig. Nach einigen Minuten der Stille stellte sie fest, dass es sie fröstelte. Vorsichtig versuchte sie, die Bettdecke nach oben zu ziehen.

»Sag bloß, ich habe geschlafen«, hörte sie Bodos Stimme. »Jetzt liege ich mit einer attraktiven Frau im Bett - und schlafe ein.« Er lachte leise.

»Wir werden es nachholen. Ganze Nächte lang«, flüsterte Iris.

Bodo tastete nach seiner Nachttischlampe.

»Lass das Licht noch eine Weile aus«, bat Iris.

»Darf ich dich in Bad Vilbel besuchen?«, fragte sie schließlich leise, und tastete erneut nach Bodos Hand.

»Willst du damit sagen, dass ich nach Hause gehen darf?« Bodos Stimme klang sichtlich erregt.

»Auch das hier war die ganze Zeit dein Zuhause.«

Iris beugte sich rasch zu Bodo hinüber. Sie gab ihm einen Kuss auf die Lippen, um anschließend flink aufzustehen. »

»Bis morgen«, sagte sie leise und huschte hinaus. In ihrem Zimmer warf sie sich auf ihr Bett und weinte. Es waren leise Tränen; Tränen der Leere und der Hilflosigkeit.

Am darauffolgenden Morgen, Ole hatte Bodos Koffer bereits nach unten gebracht, schaute Iris, es war kurz vor neun Uhr, nach Bodo. Er hatte schon gefrühstückt. Ole und Marco blickten Iris fragend und suchend an.

»So Jungs, ab nach Hause«, versuchte sie, die Situation zu überspielen.

Marco atmete sichtlich erleichtert auf.

»Tja, ihr habt es gehört Boys. Machen wir uns ab«, sagte Bodo strahlend.

Iris lachte ich sich hinein. Immer wenn Bodo besonders nervös war, verfiel er in diesen hessischen Dialekt. Wortlos nahm der Hüne sie in die Arme und gab ihr einen langen Kuss.

»He, ich bekomme keine Luft mehr.« Die Psychiaterin löste sich aus der Umarmung, um sich mit ihrem Handrücken rasch einige Tränen von den Wangen zu wischen.

Marco umarmte Iris ebenfalls kurz.

»Danke,« sagte er leise und fügte fragend hinzu: »Wir bleiben Freunde?«

»Auf ewig«, sagte Iris lächelnd.

Bodo und Marco verließen das Appartement.

Ole stand wie angewurzelt. Iris blickte ihn fragend an. Sie wusste nie, was im Kopf dieses überaus verschlossenen Mannes vor sich ging. Oftmals beschlichen sie in seiner Nähe Angstgefühle.

Langsam ging Ole nun auf sie zu. Iris erschrak, als Bodos Wachhund, wie sie ihn heimlich für sich getauft hatte, vor ihr auf die Knie ging. Er nahm mit einer Sanftheit, die sie diesem Muskelprotz niemals zugetraut hätte, ihre Hand, und hauchte einen Kuss darauf. Seine graugrünen Katzenaugen blickten sie dabei von unten demutsvoll an. Doch bevor sie sich aus der Erstarrung erholt hatte, war Ole verschwunden; blitzschnell und katzenhaft. Sie hatte noch nicht einmal gehört, wie er die Türe hinter sich zuzog.

Ole war überglücklich, als Bodo beschlossen hatte, ihn bei seinen täglichen Fitnessprogrammen zu begleiten. Der Hüne musste sich dabei eingestehen, dass seine Muskulatur im letzten halben Jahr deutlich gelitten hatte. Sie absolvierten täglich ein stundenlanges Lauftraining durch die herbstlichen Wälder nordöstlich von Bad Vilbel. Danach trainierten sie im Fitness-Studio, welches Bodo für seinen Freund gekauft hatte. Es war amüsant zu beobachten, wie die Blicke einiger Damen gierig über Oles muskulösen Oberkörper wanderten. Ganz bestimmt wird dieser Bursche diesen Damen noch andere Muskelpakete zeigen, dachte Bodo obszön. Er gönnte es seinem Freund.

Nordwestlich von Bad Vilbel hatte der Norweger vor einigen Wochen ein alleinstehendes und unbewohntes Bauernhaus entdeckt. Im Rahmen des Lauftrainings zeigte er nun seinem Chef dieses Objekt. Es lag unweit der A3. Über einen verwilderten Weg unter der Autobahn hindurch erreichte man von dort aus einen kleinen Rastplatz an der A3 in südlicher Richtung. In wenigen Minuten konnte man von hier aus den Flughafen Frankfurt oder in fünfzehn Minuten den Sportflughafen Egelsbach erreichen.

Bodo war von diesem Kleinod sofort fasziniert. Er wies Dr. Henninger an, nicht nur dieses Bauernhaus zu kaufen, sondern das weiträumige Areal und die Felder östlich des Hauses bis zu einer wenig befahrenen Landstraße. Knapp fünf Kilometer Wald zwischen den gekauften Grundstücken und der Autobahn A3 stellten sich als unverkäuflich heraus. Allerdings gelang es, diese Wälder, es waren vornehmlich Nadelwälder, für fünfzig Jahre zu pachten. Ole musste rasch einen Jagdschein vorweisen, damit auch die Jagd für diese Wälder auf viele Jahre hinaus gepachtet werden konnte. Kein Fremder sollte einen rechtlich nachvollziehbaren Grund vorweisen können, nur einen Quadratmeter dieses Bodens zu betreten.

Einige Räume des alten Bauernhauses wurden durch ein polnisches Unter­nehmen sehr wohnlich eingerichtet. Dies sollte Marcos künftiges IT-Reich werden. In einem nicht einsehbaren Bereich auf einem kleinen Hügel installierte das IT-Genie einige Antennen, welche selbst auf guten Luftaufnahmen nicht auszu­machen waren.

Das Haus sowie das dazu gehörige Gelände musste weiterhin einen verlassenen und heruntergekommenen Eindruck machen; mit einer alten und verrosteten Umzäunung, riesigen Brombeerhecken und alten Holunderbäumen.

Das 29 Meter lange Kellergewölbe, worin früher große Mengen Zuckerrüben, Kartoffeln und Apfelwein gehortet worden waren, dämmte Ole innerhalb von drei Wochen äußerst aufwändig selbst.

Lediglich Marco und Bodo wurden eingeweiht, dass dies seine künftige Schießanlage werden sollte.

Dorthin beglei­tete ihn neuerdings auch Bodo. In der Hare Bay hatte er zwar bewiesen, dass er mit dem Gewehr gut schießen konnte. In dieser Privatkatakombe wollte er in erster Linie lernen, auch mit einer Pistole und mit einem Revolver umzugehen. Man konnte ja nie wissen.

Ende Oktober hatte Bodo mit Marco einen Termin bei seinem väterlichen Freund Dr. Lars Henninger. Es war der Vorschlag des Hausanwaltes, der Anfang kommenden Jahres seinen siebzigsten Geburtstag feiern würde.

Nein. Einen externen Rechtsanwalt wollte Dr. Henninger zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht einarbeiten.

Vor allem Bodo bestand darauf, dass nur äußerst enge Vertraute Einblick in dieses mittlerweile weitverzweigte Netz haben durften. Und Marco konnte er vertrauen; blind.

Marco fiel sofort auf, dass sich Bodo und der Neunundsechzigjährige duzten. Erst bei diesem Gespräch wurde es dem IT-Mann bewusst, dass sein Freund Bodo ein ungemein wohlhabender Mann war.

Und je länger er darüber nachdachte, erschrak er, dass er so gut wie nichts über Bodos Vergangenheit wusste. Über seine Kindheit und Jugend hatte Bodo nie gesprochen. Kein einziges Wort.

Bodos zornige Seele

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