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2.1.3.1 Besonderheiten der Erwachsenen-Kind-Kommunikation

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Konversationsanalytische sprachwissenschaftliche Untersuchungen über Erwachsenen-Kind-Kommunikation sind in der Regel an die Forschung der Sprachentwicklung der Kinder gebunden. Erwachsene spielen eine wesentliche Rolle bei der kindlichen Sprachentwicklung, indem sie beispielsweise die Kinder zum Sprechen motivieren, gesprächsstrukturelle Unterstützungen bieten oder auch mit ihnen in unterschiedlichen Kontexten verschiedene Themen besprechen. Was geschieht, wenn Erwachsene mit Kindern sprechen? Wie wird das Sprachenlernen der Kinder durch ihre Interaktion mit den Erwachsenen gefördert? Welche Unterstützungen bieten die sprachlich kompetenten Erwachsenen ihren kindlichen Gesprächspartnern? Wie werden potenzielle sprachlernfördernde Sequenzen in der Erwachsenen-Kind-Kommunikation organisiert? Dies sind die Themen, die man in der Forschung häufig behandelt.

Morek (2012) analysiert z.B. die Eltern-Kind-Interaktion in familiären Tischgesprächen und Hausaufgabensituationen. Ihr Korpus umfasst 41 Aufnahmen aus den Familien von sechs Erstklässlern in fünf Familien mit einer Gesamtlänge von 16 Stunden. In ihrer empirischen Untersuchung analysiert sie das kindseitige Erklären. Aufgrund ihrer Ergebnisse fasst sie bei Tischgesprächen drei Interaktionsmuster (Fordern und Unterstützen, Übernehmen und Reparieren, Dulden und Tilgen) zusammen. Das Interaktionsmuster Fordern und Unterstützen zeichnet sich dadurch aus, dass die Eltern den Kindern immer neue Gesprächsräume zu deren entfaltender Darstellung geben, indem sie gesprächsstrukturelle Unterstützungen bieten. Daraus ergeben sich zahlreiche Gelegenheiten für kindliches Erklären. Im Gegensatz dazu erhalten die Kinder im Muster Übernehmen und Reparieren keinen Raum zur weiteren Produktion narrativer und explanativer Beiträge, weil die Eltern immer das Rederecht selbst ergreifen und die Erklärung anstelle der Kinder hervorbringen. Auch das Muster Dulden und Tilgen ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kinder keine Gelegenheiten für ihre Erklärungsaktivitäten bekommen. Ihre erklärhaft strukturierten Sequenzen werden zwar von den Eltern als stille Zuhörer geduldet, aber anschließende Rückmeldungen bzw. Würdigungen oder Korrekturen bleiben aus.

Bei Hausaufgabeninteraktionen lassen sich in Moreks (2012) Studie ebenfalls drei Interaktionsmuster (Überlassen und Helfen, Reparieren und Übernehmen, Fordern und Unterstützen) beobachten. Im Muster Überlassen und Helfen wird zuerst den Kindern überlassen, auf die elternseitigen Fragen wie „was musst du hier machen?“ mit einer Erklärung zu reagieren oder auf alternative Weise zu zeigen, dass sie verstanden haben. In diesem Fall bekommen die Kinder mehr Autonomie als in den anderen zwei Fällen zugeteilt. Das Muster Reparieren und Übernehmen ist ähnlich dem der Tischgespräche. Im Muster Fordern und Unterstützen finden sich deutliche Erklärungsaufforderungen seitens der Eltern. Im Verlauf der kindlichen Erkläraktivitäten beteiligt sich ein Elternteil unterstützend mit Strukturierungs- und Formulierungshilfen.

Morek (2012) stellt in ihrer Untersuchung fest, dass die Schaffung der Erklärungsmöglichkeiten und die elternseitige Unterstützung dafür in unterschiedlichen Familien ganz verschieden ausfallen. In Anbetracht der Familieninteraktion für die Entwicklung der kindlichen Diskurskompetenz zieht die Forscherin daraus die Schlußfolgerung, dass diese Kinder unter Umständen unterschiedliche Erklärungsfähigkeiten erwerben.

Die familiäre Prägung für die sprachliche Entwicklung der Kinder heben Ely et al. (2001) besonders hervor. Anhand empirischer Daten von Tischgesprächen in 22 Mittelschichtfamilien, die jeweils ein Kind zwischen zwei bis fünfeinhalb Jahren haben, stellen die Forscher fest, dass in Eltern-Kind-Konversationen aus der Mittelschicht häufig metasprachliche Diskurseinheiten vorkommen. Im Gesprächsverlauf produzieren die Eltern oft Sequenzen über sprachliche Phänomene. Sie erklären den Kindern, wann und wie man sprechen soll. Sie kommentieren Sprechaktivitäten und thematisieren die Fähigkeiten zum Lesen und Schreiben. Das zentrale Ergebnis dieser Studie lautet, dass amerikanische Mittelschichteltern sich in ihren Gesprächen mit den Kindern oft mit sprachorientierten Themen beschäftigen.

Neben familiären Kontexten nehmen schulische Situationen auch einen wichtigen Platz in der konversationsanalytischen Forschung der Erwachsenen-Kind-Kommunikation ein. Mit Daten der Unterrichtsstunden von sechs Erstklässlern, die aus dem Sach- und Sprachunterricht zweier Grundschulen stammen, setzt sich Morek (2012) mit der schülerseitigen Erklärungsinteraktion auseinander. Dabei unterscheidet sie orchestriertes Erklärungsmuster vom solistischen Interaktionsmuster der Erklärungsaktivitäten. Unter orchestriertem Erklären versteht er das gemeinsame Erklären, wobei die lehrerseitige Frage mit einer Erklärungsaufforderung nicht von einem einzigen Schüler beantwortet, sondern ausgedehnt auf verschiedene Schüler verteilt wird. Im Gegensatz dazu zeichnet sich das solistische Erklären dadurch aus, dass ein einzelnes Kind eine Erklärung strukturiert und formuliert. Unter Umständen kann das Kind als zuständig für die Erklärung eines bestimmten Sachverhalts präsentiert werden. Nach Morek (2012) bietet die Unterrichtsinteraktion eine Vielzahl von Möglichkeiten, mit denen die Kinder sprachlich-kommunikative Erklärungserfahrungen sammeln können. Auch für die Kinder, die in ihren familiären Kontexten unzureichende Gelegenheiten zu interaktiven Erklärungsaktivitäten bekommen können, stellt der Unterricht einen neuen Gesprächsraum dar.

Kommunikation mit Migrationskindern steht im Vordergrund dieses Forschungsbereichs. Kern/Lingnau/Paul (2015) befassen sich mit der Lehrer-Kind-Interaktion beim schulischen Morgenkreis, bei dem Kinder und Lehrer zusammensitzen und bestimmte Aufgaben (Fragen und Antworten, Erzählen, Berichten) erledigen. Dabei wird die Performanz eines Kindes von den anderen bewertet. Auch die Lehrer nehmen an solchen routinisierten Aktivitäten teil. Der Korpus umfasst Videodaten von drei Morgenkreisen. Die Kinder sind Migrationskinder mit verschiedenen Muttersprachen (wie Kurdisch, Polnisch und Arabisch) und weisen defizitäre deutsche Sprachfähigkeiten auf. Mit transkribierten Daten untersuchen die Forscher, ob und wie die sogennante Bildungssprache in der Lehrer-Kind-Interaktion interaktiv thematisiert wird. Der Befund verdeutlicht, dass im Morgenkreis häufig sprachliche Behandlungen vorkommen, auch wenn sie den Interaktionsverlauf beeinträchtigen. Die Lehrer greifen die von der Bildungssprache abweichenden sprachlichen Defizite auf und helfen den Kindern, ihre problematischen Formulierungen zu bewältigen. Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung lautet, dass die Lehrer nicht nur Unterstützungen bezüglich sprachlicher Form, sondern auch Pragmatik berücksichtigen. Sie signalisieren den Kindern, wie man die Sprache in welchen situativen Kontexten verwenden soll. Dafür bietet der aufgabenorietierte Morgenkreis einen guten Kontext.

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