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3.1.1 Die Struktur kommunikativer Gattungen

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In der Gattungsanalyse wird die Struktur der kommunikativen Vorgänge auf der Grundlage natürlicher Interaktionsdaten untersucht. Dabei handelt es sich um verschiedene Ebenen. Zunächst wird eine Differenzierung zwischen „Binnenstruktur“ textueller Elemente und „Außenstruktur“ sozialstruktureller Aspekte vorgenommen (Luckmann 1986: 203). Dazwischen liegt die „strukturelle Zwischenebene“ (Günthner/Knoblauch 1997: 288). Im Folgenden erläutern wir diese Ebenen.

Unter Binnenstruktur kommunikativer Gattungen sind textinterne Elemente, verbal und nonverbal, zu verstehen. Sie sind konstitutiv für die betreffenden Gattungen. Dazu zählen phonologische Variationen und prosodische Mittel, wie Intonation, Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Pausen, Rhythmus, Akzentrierung, Stimmqualität. Die Auswahl einer spezifischen Sprachvarietät (z.B. Hochsprache, Jargon, Dialekt, Soziolekt, Sprachregister) wie auch der Einsatz expressiver Ausdrücke (z.B. mimische, gestische Elemente) gehört ebenfalls dazu. Syntaktische Konstruktionen (z.B. Frageformate, Imperativformen, Pronomen, Passivkonstruktionen, Konjunktionen) sind auf der binnenstrukturellen Ebene angesiedelt. Ferner gehören stilistische und rhetorische Figuren (z.B. Metaphern, Ellipsen, Wortspiele, Lautmalereien, hyperbolische Ausdrücke) sowie die bereits verfestigten Klein- und Kleinstformen (z.B. Sprichwörter, formularische Ausdrücke, idiomatische Redewendungen, verbale Stereotype) zum Repertoire der Binnenstruktur kommunikativer Gattungen. Gliederungsmerkmale sind ebenfalls der binnenstrukturellen Ebene zuzuordnen. Inhaltliche Verfestigungen, die Themen oder Motive betreffen, sowie die Rahmung (wie die Formen des Adressatenbezugs, in/direkte Adressierung der Hörer, das „recipient-design“), die die Beziehung zwischen Sprechenden und Rezipienten indiziert, können konstitutive Merkmale kommunikativer Gattungen sein. Darüber hinaus bildet die Interaktionsmodalität (ernst, spaßhaft, lustig, seriös, fiktiv usw.) ein Merkmal der Binnenstruktur kommunikativer Gattungen. In der Analyse der Binnenstruktur müssen auch die Besonderheiten des Mediums (mündlich, face-to-face, medial usw.) berücksichtigt werden.

Die strukturelle Zwischenebene kommunikativer Gattungen umfasst die Aspekte der dialogischen Konstruktion. Dabei ist die Konversationsanalyse, die sich mit Gesprächsorganisation (wie Redewechsel, Paarsequenzen, Prä-, Post- und Einschubsequenzen, Präferenzstrukturen) auseinander setzt, für die Analyse dieser Ebene besonders wichtig. Darüber hinaus zählen Rituale – wie Kontaktaufnahme und -beendigung, Begrüßung und Verabschiedung, Einladung, Entschuldigung, Danken und Wünschen – auch zum Repertoire der strukturellen Zwischenebene kommunikativer Gattungen.

Die Außenstruktur kommunikativer Gattungen bezeichnet die Beziehungen zwischen Gattungen und sozialen Milieus, kommunikativen Situationen, Geschlechterkonstellationen, Alter und Status der Handelnden, der Institutionen usw. Nach Bergmann/Luckmann (1995) geht es hier um die Strukturebene, die aus dem Zusammenhang zwischen kommunikativen Handlungen und der Sozialstruktur abzuleiten ist.

Zur Außenstruktur gehört erstens die Beziehung zwischen Gattungen und kulturellen Gruppen. Kommunikative Gattungen sind häufig kulturellen Gruppen oder sozialen Milieus (z.B. Familien, Studentengruppen, Sportclubs usw.) zugeordnet. Außerdem zeichnen sie sich auch durch typische soziale Veranstaltungen aus. Mit sozialen Veranstaltungen sind strukturierte Handlungen gemeint, die zeitlich und räumlich festgelegt und teilweise institutionalisiert sind. Dazu zählen z.B. Hochschulseminare, Eltern-Lehrer-Gespräche wie auch informelle Tischgespräche in Familien und unter Freunden. Die Verwendung bestimmter Gattungen in solchen sozialen Situationen fördert die Konstruktion der Gruppenzugehörigkeit bzw. der Identifikation.

Andererseits tragen kommunikative Gattungen zur Herstellung institutioneller Kontexte bei. Beispielsweise zeichnet sich die religiöse Kommunikation durch spezifische Gattungen wie Gebet, Predigt, Gottesdienst usw. aus, während die Kommunikation im universitär-akademischen Bereich aus Gattungen wie Seminaren, Vorlesungen, Vorträgen, Referaten, Klausuren, Kolloquien usw. besteht.

Weiterhin ist die Beziehung zwischen kommunikativen Gattungen und der Sozialstruktur einer Gesellschaft auf der außenstrukturellen Ebene angesiedelt. Viele soziale Beziehungen entstehen durch Kommunikation. Macht, Geld und Wahrheit werden nicht nur durch Wissen zugänglich gemacht. Wichtig ist, dass das Wissen in bestimmten Situationen kommuniziert werden kann (Günthner/Knoblauch 1997: 299). Mit der Zunahme der Bedeutung der Kommunikation sind kommunikative Gattungen, die konstitutiv für soziale Handlungen sind, besonders wichtig. Ihre Distribution in verschiedenen sozialen Milieus und ihre Zugänglichkeit für die Mitglieder der Gesellschaft spielen eine erhebliche Rolle. Der Erwerb kommunikativer Gattungen wird als eine gesellschaftlich kommunikative Kompetenz betrachtet. Das Repertoire einzelner Mitglieder an kommunikativen Gattungen übt wiederum einen Einfluss auf den Zugang zu Milieus, Institutionen, Status, Macht usw. aus.

Die oben beschriebenen Ebenen (die Binnenstruktur, die strukturelle Zwischenebene und die Außenstruktur) stellen die grundlegenden Analyseebenen des Gesamtmusters kommunikativer Gattungen dar. Die Gattungsforschung ist zwar relativ jung, jedoch bestehen bereits verschiedene Studien dazu. Im Folgenden wird ein allgemeiner Überblick über diesen Forschungsbereich geboten.

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