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3.2 Alltägliche Gespräche

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Alltagsgespräche bilden als Forschungsgegenstand eine grundlegende und umfassende Kategorie in der Konversationsanalyse. Die führenden Vertreter dieses Forschungsansatzes sehen „in Alltagsgesprächen einen besonders geeigneten Gegenstand, um soziales Handeln im Detail zu beobachten und zu beschreiben“ (Gülich/Mondada 2008: 1). Unter diesem Aspekt betritt die Linguistikforschung Neuland, wenn sie sich der Untersuchung der gesprochenen Sprache und der mündlichen Kommunikation widmet.

Was die Definition der alltäglichen Gespräche betrifft, ist diese Ausrichtung in der Wissenschaft nicht unumstritten. Ehlich (1980) bezeichnet in seiner Studie zum Erzählen im Alltag den Begriff „Alltag“ als „die Lebenswelt der Mehrheit“ (Ehlich 1980: 16). Dazu schreibt er wie folgt:

Erzählen im Alltag zielt auf die Analyse eine Tätigkeit ab, die sich gerade in jener Sphäre des Üblichen, des Gewöhnlichen, des Tagtäglichen abspielt. Alltag ist ein Bereich, der die nicht-literarische, triviale Öffentlichkeit der Massen ausmacht, all jene Monotonie, scheinbare Bedeutungslosigkeit, Unscheinbarkeit, über die sich die Wissenschaften der Kultur lange, der Literaturwissenschaft als Leitwissenschaft folgend, einig waren. (Ehlich 1980: 16)

Für Ehlich (1980) wird „Alltag“ in das allgemeine soziale Leben integriert. Er ist in der Gesellschaft üblich, gewöhnlich und daher scheinbar bedeutungslos bzw. unauffällig, und er unterscheidet sich beispielsweise von der Literatur, die sich durch ihre Besonderheit aus dem tagtäglichen sozialen Handeln heraushebt. Die Literatur dient nach Ehlich (1980: 15) als eine der sogenannten „Illusionsindustrien“, andere Dimensionen dem Alltag gegenüberzustellen.

Im Hinblick auf die Beziehung zwischen dem Alltag und der Arbeit formuliert Ehlich (1980: 15), dass Alltag Werktag und Werktag Arbeit sei. Demzufolge wird also die Arbeitstätigkeit in den allgemeinen täglichen Lebensprozess miteinbezogen.

Eine genauere Definition des Alltagsgesprächs formuliert Lindemann (1990) folgendermaßen:

Traditionell wird dem Alltagsgespräch im Wesentlichen der gesamte Bereich der nicht-offiziellen Kommunikation, vor allem die private Lebenssphäre zugeordnet. Alltagsgespräche werden als spontane, zufällige, lockere und in einem umgangssprachlichen Ton geführte Gespräche verstanden (…), die zwischen Partnern stattfinden, deren Beziehungen zueinander keinen offiziellen Charakter haben, wodurch die sozialen Rollenunterschiede weitgehend in den Hintergrund rücken. Unter Alltagsgesprächen werden beispielsweise Gespräche mit Freunden und Bekannten, Gespräche in der Familie, Partygespräche oder small talks, wie etwa der Schwatz mit dem Nachbarn, oder zufällige Gespräche im Zugabteil verstanden. Aber auch Wegeauskünfte und in den institutionellen und öffentlichen Bereich hineinreichende Einkaufs-/Verkaufsgespräche bzw. Dienstleistungsgespräche im Allgemeinen, werden zu dieser Kategorie gezählt. (Lindemann 1990: 201)

Neben der konkreten Charakterisierung des Alltagsgesprächs (z.B. Spontaneität, Zufälligkeit, Umgangssprachlichkeit usw.) sind in Lindemanns (1990) Definition zwei Lesarten bezüglich der Arbeitstätigkeit zu beobachten. Man kann einerseits die Arbeitstätigkeit aus dem Alltagsgespräch, dem „die nicht-offizielle Kommunikation, vor allem die private Lebenssphäre zugeordnet wird“ (Lindemann 1990: 201), ausschließen. Andererseits können aber Einkauf-/Verkaufsgespräche bzw. Dienstleistungsgespräche, die im institutionellen und öffentlichen Bereich stattfinden, zu dem Begriff des Alltagsgesprächs gezählt werden. Es besteht zwar eine Gegenüberstellung zwischen dem alltäglichen Gespräch und der institutionellen Kommunikation, aber eine scharfe Grenze gibt es dabei nicht.

Schütte (2000) charakterisiert die alltäglichen Gespräche aus einer anderen Perspektive. Nach seiner Meinung sind Alltagsgespräche diejenigen Gespräche, „denen zusätzliche Kriterien zur Gesprächssortenbestimmung fehlen“ (Schütte 2000: 1488). Mit „Gesprächssorten“ meint Schütte (2000: 1488) vor allem folgende Interaktionstypen:

 Institutionelle Kommunikation. Sie zeichnet sich durch ihre Gesprächsregeln für den Sprecherwechsel, die Rederechtsverteilung, die Rolle des Gesprächspartners, die kontextuelle Situation, die Sprechakte und die Sprechaktsequenzen aus.

 Gespräche mit einem Zweck oder einer kommunikativen Funktion. Diese Gesprächssorte dient entweder zu einem bestimmenden Zweck, der im Verlauf der sprachlichen Handlung interaktiv ausgehandelt und ratifiziert wird, oder zur Erfüllung einer kommunikativen Funktion. Dazu zählen z.B. Verkaufsgespräche, Beratungsgespräche.

 Medienkommunikation. Dabei handelt es sich hauptsächlich um „inszenierte Gespräche“ (Schütte 2000: 1488). Die Interaktion dabei dient in erster Linie nicht der alltagsweltlichen Kommunikation, sondern der Vorführung. Die Äußerungen sind „mehrfachadressiert“ (Schütte 2000: 1489), nämlich die die Interagierenden in den Mediengesprächen selbst und das Publikum.

Anders als diese drei Gesprächssorten zeichnen sich Alltagsgespräche nach Schütte (2000) dadurch aus, dass sie nicht vorgeplant und primär zielorientiert sind. Außerdem lassen sich ihnen keine vorherige Rederechtsverteilung oder inhaltliche Eingrenzungen zuschreiben. Im Gegensatz zu den obengenannten Interaktionstypen bieten sie „einen Raum für freies ad-hoc-Formulieren“ (Schütte 2000: 1486).

In den oben genannten Definitionen in der Sprachwissenschaft ist zu beobachten, dass Alltagsgespräche sich nicht erschöpfend definieren lassen. Jedoch kann man auf der Grundlage der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Begriff allgemeine wesentliche Merkmale zusammenfassen, die für die Konstruktion der Alltagsgespräche in der Konversationsanalyse konstitutiv sind. Bei der empirischen Analyse der Tandemgespräche werde ich auf folgende vier Merkmale zurückgreifen:

 Alltagsgespräche werden unmittelbar, spontan und interaktiv erzeugt

 Die Gesprächspartner in der alltäglichen Interaktion sind häufig gleichberechtigt

 Es gibt in der Regel keine Eingrenzung des Gesprächsthemas

 Sie finden meistens in nicht-offiziellen kommunikativen Situationen statt.

Davon ausgehend wird die kommunikative Gattung der Tandemgespräche, die zwischen den Alltagsgesprächen und der Unterrichtsinteraktion liegt, empirisch anhand der konversationsanalytischen Methode konstruiert und untersucht. Im Folgenden möchte ich die gattungsspezifischen Merkmale der Unterrichtsinteraktion vorstellen.

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