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2.1.3.3 Fremdsprachenunterrichtliche Kommunikation

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Ein weiteres Gebiet der Kommunikation mit nicht kompetenten Sprechern ist die Interaktion mit Sprachlernern im Unterricht, wo der Zweitspracherwerb als das Hauptziel gesetzt wird. Angeregt von Firth und Wagner (1997), die behaupten, dass sich die Zweitspracherwerbsforschung statt mentalistischer und kognitivistischer Ansätze vermehrt sozial und kontextuell orientieren soll, lenkt man für diese Forschungsrichtung seit Ende der 1990er Jahre zunehmend Aufmerksamkeit auf die Konversationsanalyse. Die detaillierte Erforschung mit konversationsanalytischer Methode zielt darauf ab, einen Blick auf den Lernprozess zu ermöglichen und damit die soziokulturelle Grundlage für den Zweitspracherwerb herauszufinden.

Mit dem starken Zulauf der Konversationsanalyse in der Zweitspracherwerbsforschung entstehen in den letzten Jahren zahlreiche Untersuchungen von Unterrichtsdiskursen. Dabei werden fremdsprachenunterrichtliche Interaktionen auf einer Mikroebene erforscht. Konkret lassen sich diese Studien auf drei Ebenen (Lehrerverhalten, Lerneraktivitäten, Organisation der Gespräche) zusammenfassen. Im Folgenden werde ich anhand ausgewählter Arbeiten auf diese wichtigen Themenbereiche eingehen, die in der Konversationsanalyse für den Zweitspracherwerb behandelt werden.

Konversationsanalytische Studien zur Kommunikation im Fremdsprachenunterricht verdeutlichen das Verhalten der Lehrperson aus einer interaktionalen Perspektive. Schwab (2009) analysiert die Funktion der Lehrperson bei Gesprächsinitiativen im lehrerzentrierten Fremdsprachenunterricht einer deutschen Hauptschule. Seine Daten bestehen aus 13 digitalen Video- und Audioaufnahmen des Englischunterrichts im Abstand von ca. vier Wochen. Aus sequenzieller Perspektive fasst er seine Untersuchungsergebnisse in zwei Kategorien von Sprachhandlungen, die die Lehrperson initiiert, zusammen. Dabei geht es zum einen um den pädagogischen Austausch. Damit meint er das sogennante IRF-Modell (Initiation-Response-Feedback). Das heißt, die Lehrperson stellt zuerst eine Frage, auf die sie meinstens schon die Antwort weiß. Die Lerner reagieren darauf mit einer kurzen Antwort und schließlich bewertet die Lehrperson die Antwort der Lerner. Zum anderen handelt es sich um das sogennante Nachbarschaftspaar (adjacency pair), das als eine der häufigsten Formen von Konversationssequenzen im Alltag erachtet wird (Sacks et al. 1974). Konkret bezeichnet man mit Nachbarschaftspaar die minimale Einheit einer Konversation. Es besteht aus einem initiativen und einem reaktiven Sprechakt. Dazu gehören beispielsweise Begrüßung-Begrüßung, Kompliment-Annahme/Rückweisung Frage-Antwort. Bei den meisten Beispielen in seinem Korpus geht es um Nachbarschaftspaare mit offenen Fragesequenzen. Schwab (2009) ist der Auffassung, dass Nachbarschaftspaare in der Regel offen für die Weiterführung eines Gesprächs sind, während es im pädagogischen Austausch eher um ein in sich geschlossenes Schema handelt.

Während Schwab (2009) sich mit dem Lehrerverhalten bei Gesprächsinitiativen im allgemeinen Fremdsprachenunterricht befasst, beschäftigt sich Koshik (2002) mit den spezifischen Sequenzen der Fehlerkorrektur im fremdsprachenunterrichtlichen Kontext. Konkret setzt sie sich mit den sogenannten DIUs (Designedly Incomplete Utterances) auseinander. Unter DIUs versteht man einen besonderen Typ von Äußerungen der Lehrperson, mit denen die Lerner elizitiert werden können. DIUs sind weder syntaktische Fragen noch vollständige Formulierungseinheiten. Sie treten in unvollständiger Form auf. Die Lehrperson formuliert eine unvollständige Äußerung mit den Worten des Lerners und motiviert ihn damit, diese Äußerung zu vervollständigen. Koshiks (2002) Korpus besteht aus Videoaufnahmen von acht Sitzungen für das fremdsprachliche Schreiben (Englisch), in denen die Lehrperson die Lerner zur Selbstkorrektur elizitiert. Mit konversationsanalytischer Methode verdeutlich sie mehrere Typen von DIUs in spezifisch situativen Kontexten. Ferner vergleicht sie diese mit ähnlichen sprachlichen Handlungen in alltäglichen Konversationen und zeigt damit, wie die alltäglichen DIUs modifiziert im institutionellen fremdsprachlichen Unterricht verwendet werden.

Mit der soziokontextuellen Wende in der Zweitspracherwerbsforschung wird das Sprachenlernen nicht nur als ein individuell kognitiver Lernprozess, sondern auch als eine situative Praxis betrachtet. Die Bedeutung der lernerseitigen Partizipation am Lernprozess wird besonders hervorgehoben. Dazu schreiben Mondada/Pekarek Doehler (2004) folgendermaßen:

language leaning is rooted in learners’ participation in organizing talk-in-interaction, structuring participation frameworks, configuring discourse tasks, interactionally defining identities, and becoming competent members of the community (or communities) in which they participate, whether as students, immigrants, professionals, or indeed any other locally relevant identities. (Mondada /Pekarek Doehler 2004: 504)

In dieser Hinsicht geht das Sprachenlernen über den kognitiven Erwerb der sprachlichen Form hinaus und bezieht den situativen Lernprozess als einen relevanten Bestandteil beim Zweitspracherwerb mit ein. Young/Miller (2004) untersuchen beispielsweise die Entwicklung der interaktionalen Kompetenz im fremdsprachlichen Lehr-Lern-Kontext. Als Untersuchungsgegenstand nehmen sie „revision talk“ zwischen einer Lehrperson und einem vietnamesischen Studierenden, der Englisch lernt. Mit „revision talk“ bezeichnet man eine institutionelle Lehr-Lern-Situation, in der die Lehrperson und der Lerner gemeinsam den vom Lerner verfassten englischen Text überarbeiten. Für den Korpus zeichnen sie vier wöchentlich stattfindende „revision talks“ mittels Videotechnik auf. Die transkribierten Daten untersuchen sie aus konversationsanalytischer Perspektive. Ihr Befund zeigt eine deutliche Entwicklung der lernerseitigen Partizipation an dem Lernprozess. In der ersten Aufnahme spielt vor allem die Lehrperson eine aktive Rolle, indem sie die Probleme im Text identifiziert, erklärt und Hinweise gibt, wie der Lerner seinen Text korrigieren bzw. verbessern kann. Dagegen beteiligt sich der Studierende nur beschränkt an der Interaktion. Er fasst hautpsächlich seinen Text nach den Vorschlägen der Lehrperson neu. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Studierende in den späteren Aufnahmen eine deutlich aktivere Rolle übernimmt, ohne auf die Hinweise der Lehrperson zu warten. Nach Young/Miller (2004) ist diese Entwicklung der interaktionellen Kompetenz des Lerners zum Teil auf das Lehrerverhalten zurückzuführen. Die veränderten Strategien der Lehrperson leisten einen Beitrag zur Förderung der lernerseitigen Beteiligung und somit für seinen Lernprozess. Zur Bedeutung der Lehrperson für die Entwicklung der interaktionalen Kompetenz schreiben Young/Miller (2004):

in fact, the effectiveness of the instructor is precisely in how she manages a division of participation that allows for growth on the part of the student. (Young/Miller 2004: 533)

Neben der Analyse des Lehrerverhaltens zählt in der konversationsanalytischen Fremdsprachenunterrichtsforschung das Thema der Lerneraktivitäten zu den häufig untersuchten Forschungsfeldern. Eine Übersicht über die Rolle der Lerner im Fremdsprachenunterricht aus der sozio-interaktionalen Perspektive liefern Mondada/Pekarek Doehler (2004). Für ihre konversationsanalytische Untersuchung benutzen sie Daten von Diskursen im Fremdsprachenunterricht (Französisch als Fremdsprache) in zwei schweizerischen Schulen. Die Durchführung der „tasks“ (wie z.B. Grammatikübung) in Lehr-Lern-Situationen wird detailliert analysiert. Ihnen zufolge unterliegen solche Situationen weder deduktiven Definitionen, noch lösen sie individuell vorbestimmte Leistungsfähigkeiten aus. Vielmehr bearbeiten die Lerner variable Ressourcen und verwenden sie dann angepasst an verschiedenen Stellen im Lernprozess. So wird die Durchführung der Zielsetzung eher als ein dynamischer sozialer Interaktionsprozess betrachtet, in dem neue Lernobjekte und potenzielle Lernsequenzen durch die Aktivitäten der Lerner entstehen können.

Ebenfalls davon ausgehend, dass sich die Beteiligung der Lerner an der fremdsprachenunterrichtlichen Kommunikation nicht auf ihre Reaktion auf die lehrerseitigen Fragen beschränken, untersucht Schwab (2009) die Lerneraktivitäten bei den Gesprächsinitiativen. Aufgrund seiner empirischen Untersuchung weist der Autor darauf hin, dass die lernerseitigen Beitragsinitiativen spontansprachlich und im Kontext von lehrerinitiierten Rahmenhandlungen als Einschubseqeunzen eingebettet sind. Konkret analysiert er die Lernerinitiativen unter vier Aspekten, nämlich in ihrer sequenziellen Positionierung, in ihrer semantischen bzw. inhaltlichen Positionierung, in ihrer relationalen Positionierung (im Verhältnis zu den sprachlichen Aktivitäten der Lehrkraft und der Mitschüler) und in ihrer räumlich-interaktionalen Positionierung. Damit ermöglicht Schwab (2009) ein Gesamtbild, mit dem man die lernerinitiierten Gesprächssequenzen als eigenständige Sprachhandlungen innerhalb des lehrerzentrierten Unterrichts betrachten kann.

Bezogen auf die Organisation der Gespräche im Fremdsprachenunterricht werden in der Konversationsanalyse vor allem Sprecherwechsel (turn taking) und Reparatur erforscht. Das System des Sprecherwechsels gilt als ein grundsätzliches Element der Konversation. Die Organisation des Sprecherwechsels gehört zu den frühesten Forschungsgebieten der Konversationsanalyse (Sacks et al. 1974). Diese Methode zeigt, dass sich der Fremdsprachenunterricht durch seine spezifischen Systeme des Sprecherwechsels auszeichnet. Eine der bisher umfassendsten Studien dazu stellt Seedhouses (2004) empirische Forschung dar. Er arbeitet heraus, dass es unmöglich ist, von einem einzigen System des Sprecherwechsels in der fremdsprachenunterrichtlichen Kommunikation auszugehen. Die Organisation des Sprecherwechsels im Fremdsprachenunterricht hängt vom pädagogischen Fokus ab. In Kontexten mit unterschiedlichen pädagogischen Zielen sind verschiedene Systeme des Sprecherwechsels zu beobachten. In seiner Studie findet Seedhouse (2004) vier fremdsprachenunterrichtliche Kontexte, die verschiedene pädagogische Fokusse verfolgen:

 Form und Exaktheit

 Bedeutung und Fluss

 aufgabenorientiert

 prozedural.

Nach seinem Befund variieren die Systeme des Sprecherwechsels deutlich in diesen verschiedenen Kontexten. Während im prozeduralen Unterrichtskontext z.B. die lehrerseitigen Monologe ohne Sprecherwechsel einen großen Anteil ausmachen, sind im Kontext, der sich an Bedeutung und Fluss orientiert, zahlreiche Sequenzen mit Sprecherwechsel zu sehen. Des Weiteren lässt sich in dieser Studie feststellen, dass die Organisation des Sprecherwechsels im Fremdsprachenunterricht nicht ausschließlich der Steuerung der Lehrperson unterliegt. Die Lerner leisten lokal und kreativ auch einen Beitrag zur Gestaltung des Sprecherwechsels.

Ein besonderes Thema, das in der Kommunikation mit nicht kompetenten Sprechern häufig behandelt wird, ist die Reparatur. Während die Reparaturhandlungen in nicht-institutionellen MS-NMS-Konversationen eher spontan und interapersonal sind, verdeutlicht die konversationsanalytische Zweitspracherwerbsforschung, wie die Reparatursequenzen im Fremdsprachenunterricht systematisch organisiert werden.

Jung (1999) untersucht Reparatursequenzen anhand von Videodaten (60 Minuten) aus einem Fremdsprachenunterricht (Englisch als Fremdsprache) an einer amerikanischen Universität für Erwachsene aus Afrika, Ostasien und Südamerika. Der Fokus des aufgenommenen Unterrichts liegt darin, das Hörverständnis und die Sprechfähigkeit der Lerner zu fördern und damit ihre kommunikative Kompetenz voranzutreiben. Die empirische Untersuchung mit konversationsanalytischer Methode zeigt, dass die „participation frameworks“ (Jung 1999: 167) eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Reparatursequenzen im Fremdsprachenunterricht spielen. Jung (1999) unterscheidet dabei „learner role-playing activities“ von „teacher-fronted activities“ und beschreibt die Organisation der Reparatursequenzen in dem jeweiligen Kontext. In „learner role-playing activities“, in denen die Lerner Dialoge in Form vom Rollenspiel durchführen, manifestieren sich verschiedene Variationen der Reparatursequenzen, wie selbstinitiiert und selbstdurchgeführt, selbstinitiiert und fremddurchgeführt, fremdinitiiert und fremddurchgeführt. Dagegen zeichnen sich „teacher-fronted activities“, in denen die Lehrperson den Lernern Fragen stellen, durch fremdinitiierte und fremddurchgeführte Reparatursequenzen aus.

Angeregt von Jung (1999) und Kasper (1986), die ausführen, dass die Organisation der Reparatursequenzen nicht monolithisch, sondern im Zusammenhang mit dem pädagogischen Fokus steht, führt Seedhouse (2004) eine weitere empirische Studie mit konversationsanalytischer Methode an. Konkret analysiert er die Gestaltung der Reparatursequenzen in drei fremdsprachenunterrichtlichen Kontexten, die jeweils Form und Exaktheit, Bedeutung und Fluss und aufgabenorientierte Interaktion als ihre pädagogischen Ziele setzen. Anhand seiner Daten beschreibt er die Reparatursequenzen im Fremdsprachenunterricht unter den folgenden vier Gesichtspunkten:

 typische Beteiligten bei der Reparatur

 typische Trajektorien der Reparatur

 typische Typen der Reparatur

 typischer Fokus der Reparatur (d.h. was ist reparierbar) (Seedhouse 2004: 142).

Seine Untersuchung bestätigt, dass es zwischen dem pädagogischen Fokus und der Organisation der Reparaturen eine reflexive Beziehung gibt. Ändert sich der pädagogische Fokus, kommt eine veränderte Reparaturgestaltung vor.

Ein Blick auf die Forschungslage zeigt, dass die konversationsanalytische Methodologie ein hilfreiches Instrumentarium bietet, um die Interaktionsorganisation im Fremdsprachenunterricht zu rekonstruieren und die enge Verknüpfung von sozialer Interaktion und Spracherwerb zu erfassen. Zur Bedeutung der Konversationsanalyse für die Fremdspracherwerbsforschung schreibt Schwab (2009):

Die konversationsanalytische Methodologie kann also keine unmittelbaren Antworten auf die in der Psycholinguistik gestellten Fragen nach Lernen/Erwerben als individuell-kognitivem Prozess geben. Sie kann aber helfen, fremdsprachliches Lernen/Erwerben zu erklären, indem das Bild von Spracherwerb um eine sozial-interaktive Ebene erweitert wird. (Schwab 2009: 109)

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