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Das christliche Alexandria

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Die deutlichsten Veränderungen im Stadtbild Alexandrias gegenüber den von Ammianus Marcellinus beschriebenen großen Bauten aus lange zurückliegenden Zeiten stellten die christlichen Gotteshäuser dar, die seit dem 3. Jahrhundert entstanden waren und von denen es bereits im 4. Jahrhundert nicht wenige gab. Bischof Alexander hat in den Auseinandersetzungen mit seinem Gegenspieler Arius fünf Priester abgesetzt, 16 haben den Beschluss mitunterzeichnet, unter ihnen wahrscheinlich bereits die Nachfolger der Entlassenen, so dass wir insgesamt von 16 Kirchen ausgehen können; zu Beginn des 4. Jahrhunderts war dies eine große Gemeinde. Der Kirchenschriftsteller Sozomenus (5. Jahrhundert) nennt eine ganze Reihe von alexandrinischen Kirchen, die bemerkenswerterweise nach zeitgenössischen Lehrern benannt waren.9

Bei einem Überblick über die Kirchen sind wir ausschließlich auf schriftliche Quellen angewiesen. Epiphanius von Salamis (310/20–403) notiert am Ende des 4. Jahrhunderts vor allem jene drei großen Gotteshäuser, die eine herausragende Rolle in der Geschichte Alexandrias spielen: die Kirche des Dionysius, die des Theonas und die sogenannte Kaiser-Kirche (S. 135). Die Dionysius-Kirche war eine Gründung des gleichnamigen Bischofs; in ihr residierte von 357 bis 358 der arianische Bischof Georg und seit 364 Athanasius. Die Theonas-Kirche am Westende der Stadt war nach dem Bischof der Jahre 282 bis 300 benannt, der an dieser Stelle ein kleines Gotteshaus errichtet hatte. Bischof Alexander vergrößerte es erheblich, was einerseits den Anforderungen einer wachsenden christlichen Gemeinschaft entsprochen haben mag, andererseits auch als Demonstration neuer Möglichkeiten nach der erneuten Anerkennung der Christen durch Kaiser Galerius (305–311) im Jahre 311 und der Förderung durch Konstantin diente. Die Lage dieser Kirche an der „Breiten Straße“, Alexandrias Hauptverkehrsader, war ideal. Sie befand sich unmittelbar beim Mondtor, so |20|dass sie den zahlreichen Besuchern, die hier von Westen kommend die Stadt betraten, sogleich ins Auge fiel; später wurde sie zur „Moschee der 1 000 Säulen“ umgebaut. Als Bischofssitz diente sie bis zum Bau der Kaiser-Kirche unter Constantius II. Letztere verdankte ihren Namen der Tatsache, dass sie innerhalb des Areals des einstigen Caesareum errichtet worden war; die Erlaubnis dazu hatte der Kaiser dem arianischen Bischof Gregor (339–345) erteilt. Aufgrund ihrer Ausmaße wurde sie die „Große Kirche“ genannt.10 Mit ihrer Verwendung als Bischofskirche verlegte später Athanasius seine Residenz von der Peripherie der Stadt ins Zentrum. Nun hatte auch der Reisende, der mit dem Schiff direkt in Alexandria ankam, schon vom Meer aus ein herausragendes christliches Gebäude vor Augen. Neben diesen Gotteshäusern existierte eine Reihe von kleineren ‚Pfarrkirchen‘. Ihre Zahl vergrößerte sich durch private Schenkungen, aber auch durch die Zerstörung oder den Umbau heidnischer Tempel (S. 215).

Seit Beginn des 3. Jahrhunderts kennen wir auch eine Katechetenschule in Alexandria. Einer ihrer herausragenden Lehrer war Origenes. Er war nicht nur einer der wichtigsten Denker des Christentums, der weit über seine Zeit hinaus wirkte; sein Schicksal als Christ ist auch symptomatisch für das antike Christentum. Er war von seinem Vater von Kindheit an sowohl in griechischer Wissenschaft und Literatur unterrichtet wie auch mit der Bibel vertraut gemacht worden. Noch als junger Mann übernahm er die Leitung einer christlich-philosophischen Schule in Alexandria.11 Dies geschah zwar mit Zustimmung des dortigen Bischofs Demetrius (189–232), der aber offenbar nicht bereit war, Origenes zum Priester zu weihen. Als dieser sich daraufhin in Palästina weihen ließ, kam es zum Konflikt mit Demetrius, der Origenes auf einer Synode in Alexandria die Priesterwürde aberkennen ließ und ihn aus der Stadt vertrieb. Die Distanz, ja der Hass auf Origenes blieb eine Konstante für die alexandrinischen Bischöfe der folgenden Jahrhunderte. Man wird feststellen dürfen, dass die Verbindung von Philosophie und Theologie zu einer christlichphilosophischen Schule in Alexandria sehr früh im Gegensatz zu den kirchlichen Autoritäten trat. Der sich später als Orthodoxie bezeichnenden kirchlichen Hierarchie der Stadt galten viele Schulhäupter, nicht nur Origenes, als häretisch. Als die kirchlichen Strukturen zu Beginn des 4. Jahrhunderts in Alexandria etabliert waren, verlor die Schule daher auch rasch an Bedeutung.

|21|Der Bischof, der Origenes aus Alexandria vertrieb, war zugleich der erste für uns historisch nachweisbare: Demetrius. Die Bedeutung des Bischofs von Alexandria für ganz Ägypten resultierte aus der Tatsache, dass die Gemeinden außerhalb der Stadt von Presbytern geleitet worden waren, ehe mit Demetrius der Bischof der Metropole auch auf dem Land Bischöfe einsetzte, was dazu führte, dass im Laufe des 3. Jahrhunderts zahlreiche Bischofssitze entstanden, die von Alexandria abhängig waren. Überregionale Bedeutung erlangte im Laufe des 3. Jahrhunderts Dionysius, der als erster Bischof Alexandrias den griechischen Titel papas, Papst, führte. In seine Zeit fällt das Duldungsedikt des Kaisers Gallienus (260–268) des Jahres 260, das den christlichen Gruppierungen reichsweit ein weiteres Wachstum ermöglichte. Die diocletianische Provinzreform am Ende des 3. Jahrhunderts hatte Ägypten zwar in drei Provinzen aufgeteilt: Ägypten, Thebaïs und Libyen, und Konstantin teilte dann Ägypten nochmals in zwei Provinzen auf. Das Bistum Alexandria blieb aber bei all diesen Reformen unverändert; dies führte zu einer nochmaligen Erhöhung der Zahl von Bischofsstühlen zu Beginn des 4. Jahrhunderts. Das Konzil von Nicäa 325 bestätigte schließlich die besondere Stellung der Kirche Alexandrias in Ägypten, Libyen und der Pentapolis als alte Gewohnheit: „Der Bischof von Alexandria hat Gewalt über sie alle.“12

Zu Beginn des 4. Jahrhunderts sind unter Petrus (300–311) in dessen Amtsbereich 74 Bischofssitze belegt, um 320 konnte Alexander rund 100 Bischöfe in Alexandria versammeln, die zum Teil auch aus Libyen und der Pentapolis kamen. Im Jahre 342 verzeichnet die Liste der Synode von Serdica 94 ägyptische Vertreter. Mit dem Namen des Bischofs Petrus sind Probleme verbunden, die uns unmittelbar in die Zeit des Athanasius führen.

Der Blick auf das Alexandria zur Zeit des Athanasius soll ausklingen mit einer Episode aus längst vergangener Zeit, aus der Mitte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts, die allerdings eine Konstante des alexandrinischen Alltags offenlegt; der griechische Geschichtsschreiber Diodor (1. Jahrhundert v. Chr.) hat sie überliefert. Er stellt zunächst die Religiosität der Ägypter und besonders die heiligen Tiere vor. „Wer aber eines von diesen Tieren tötet, begeht ein todeswürdiges Verbrechen, falls er dies mit Absicht tut.“ Als einmal ein Römer aus Versehen eine Katze tötete, „da lief das Volk vor dem Haus des Übeltäters zusammen, und weder die vom König geschickten Stadtbehörden noch |22|die Furcht vor Rom war mächtig genug, diesen Mann der Rache zu entziehen“.13 Aus dem 2. vorchristlichen lässt sich mühelos der Bogen ins 4. nachchristliche Jahrhundert schlagen. „Die Statthalter ziehen in jene Stadt (Alexandria) mit Angst und Zittern ein, denn sie fürchten die Gerechtigkeit der Bevölkerung. Diese scheut sich nämlich nicht, Fackeln und Steine gegen einen Statthalter zu werfen, wenn sie ihn für schuldig halten.“14 Hinsichtlich der Streitlust war Athanasius ein Kind seiner Vaterstadt. Und wenn wir nicht immer alle Reaktionen der christlichen Gruppen und ihrer Bischöfe in Alexandria verstehen, können wir uns mit einem anonymen Besucher trösten, der die pulsierende Metropole in der Mitte des 4. Jahrhunderts sah und sein Fazit zog: „Es ist insgesamt eine unverständliche Stadt und Gegend.“15

Athanasius der Große

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