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Die Kindheit des Athanasius

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Wir sollten die Bischofsweihe zum Anlass nehmen, auf das bisherige Leben des Athanasius zurückzublicken, ein leider etwas unergiebiges Unterfangen. Was wissen wir über das Elternhaus des Athanasius, seine Kindheit, seine Erziehung und Ausbildung? Nichts. Dies unterscheidet ihn zwar kaum von vielen später berühmt gewordenen Persönlichkeiten, deren Kindheit und Jugend außerhalb der Aufmerksamkeit späterer Geschichtsschreiber verlief, war aber für die damaligen Leser so unbefriedigend, wie es für die heutigen ist. So galt es, solche Lücken zu füllen.

Ein beliebtes Mittel besteht in der Rückprojizierung des späteren Erfolgs in die Kindheit. Liest man etwa die Evangelien, die ins Neue Testament Eingang gefunden haben, mit Neugier durch, um zu erfahren, was Klein Jesus so getan oder gesagt hat, wird man enttäuscht. Man erfährt: nichts. Also muss man zu anderer Lektüre greifen. Da gibt es beispielsweise das Thomas-Evangelium, das weitaus mehr am Alltäglichen interessiert war. Und so lernen wir den jungen |56|Jesus im Umgang mit seinen Altersgenossen kennen. Für die war es keineswegs immer nur vergnüglich, mit dem zukünftigen Messias zu spielen. Wenn Jesus etwas nicht passte, streckte er seine Hand aus – nicht etwa, um ein fremdes Spielzeug zu bekommen, sondern um den anderen zu töten. Dann hatte Jesus Ruhe und spielte ungestört weiter; er war schon als Kind mit unglaublichen Wunderkräften ausgestattet.

„Schon als Kind wurde er von einem brennenden Verlangen nach Herrschaft getrieben“, schrieb der spätantike Geschichtsschreiber Aurelius Victor (320–390) über den späteren Kaiser Konstantin. Für den Biographen eines Bischofs bedeutet dies, dass er ebenfalls die spätere Profession in die Kindheit verlegen musste. Schon als Kind wurde er von einem brennenden Verlangen getrieben, die anderen Kinder zu taufen, könnte man von Athanasius schreiben. Der Kirchenschriftsteller Rufinus (345–412) überliefert eine Geschichte, wonach Athanasius seit frühester Kindheit zum Bischof bestimmt war: Am Festtag des alexandrinischen Märtyrerbischofs Petrus verfolgt dessen Nachfolger Alexander ein Spiel von Kindern. Sie spielen Kirche, wobei auch „Verborgenes und Mysterienhaftes“, also die eucharistische Wandlung, nachgestellt worden sein soll. In diesem Spiel ist Athanasius der Bischof, der andere Kinder als Katechumenen tauft. Den Eltern der Kinder trägt Alexander auf, diese für die Kirche aufzuziehen. Er selbst nimmt den kleinen Athanasius in bischöfliche Obhut. Auf diese Weise kann Alexander später die Offenbarung erhalten, Athanasius sei sein geeigneter Nachfolger.

Über das Elternhaus schreiben die späteren Erzähler, es sei ein christliches gewesen. Dass seine verwitwete Mutter versucht habe, ihn zu verheiraten, Athanasius dies aber abgelehnt habe, gehört zum üblichen Sagenschatz. Die Standhaftigkeit des späteren Bischofs wird durch die Feststellung unterstrichen, seine Mutter habe regelmäßig sehr attraktive Mädchen eingeladen. Athanasius widerstand, „weil der Herr ihn für Größeres aufbewahrt hatte“.29

Wenn man sich hinsichtlich der Ausbildung und Bildung des Athanasius nicht auf die üblichen Topoi verlassen will, ist man auf eine Analyse seiner Schriften angewiesen. Hierbei fällt auf, dass Klassikerzitate selten sind. Entweder hat Athanasius keine entsprechende Bildung erfahren oder solche Zitate gemieden. Es scheint eher darauf hinauszulaufen, dass der spätere Bischof sich weitgehend an der Lektüre |57|christlicher Schriftsteller schulte.30 Wenn man bei Gregor von Nazianz zwischen den Zeilen liest, wird dieses Urteil bestärkt: Athanasius habe es verschmäht, seine Geistesgaben an nutzlose Studien zu verschwenden und sich stattdessen mit den Heiligen Schriften vertraut gemacht.31 Er war also, wie Peter Gemeinhardt feststellt, eher „moderat gebildet“.32


Der Heilige Athanasius auf einer russischen Ikone aus dem Jahr 1810 (Hannover, Sammlung Helmut Brenske).

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Mosaik des Athanasius im Mittelschiff der Capella Palatina in Palermo.

Geboren wurde Athanasius wohl um 300 in Alexandria. Es wäre interessant, sein genaues Geburtsjahr zu kennen, interessant deshalb, weil man ihm später vorwarf, das für die Bischofsweihe vorgeschriebene kanonische Alter noch nicht gehabt zu haben; die Feststellung scheint richtig.33 Athanasius war noch jung, als er in den Haushalt des Bischofs Alexander kam und irgendwann dessen Sekretär wurde. Im Jahre 318 erscheint er als Diakon und Mitunterzeichner eines Rundschreibens seines Bischofs „an alle Bischöfe der katholischen Kirche“.34 Im Jahre 328 war er noch immer Diakon, weil er das vorgeschriebene Mindestalter für die Priesterweihe (und damit auch für das Bischofsamt), 30 Jahre, noch nicht erreicht hatte.35 Als Reaktion darauf, dass |59|man dies Athanasius zum Vorwurf machte, sollte einer seiner späteren Nachfolger, Cyrill (412–444), schreiben, Athanasius sei bei seiner Bischofswahl 33 Jahre alt gewesen.36 Die Aufmerksamkeit der Kirchenschriftsteller erhielt er schlagartig mit dem 8. Juni des Jahres 328.

Athanasius war klein und von dunkler Hautfarbe, von seinen Gegnern als Homunculus, als „Menschlein“, verspottet. Dieser Charakterisierung entspricht die Darstellung auf dem Schutzumschlag, die ich hier wiederhole. Erst lange nach seinem Tod, als Bilder des alexandrinischen Oberhirten immer häufiger nachgefragt waren, beschäftigte man sich mit seinem Aussehen. In einem Malerhandbuch aus dem 9. Jahrhundert aus Byzanz findet sich folgende Beschreibung, die gewiss nichts mit der Realität zu tun hat: „Athanasius von Alexandria war ein Mann mittleren Alters, ein wenig breitschultrig, gebeugt, mit anmutigem Gesicht, von gesunder Farbe, mit Stirnglatze, mit Habichtsnase, mit einem nicht langen, aber breiten dichten Kinnbart und breitem Mund, ganz grau, nicht in feinem Weiß, sondern etwas blond.“37 So wird er dann auch in der Folgezeit häufig dargestellt.

Athanasius der Große

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