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Konstantin greift ein

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Die alles entscheidende Person auf dem Konzil von Nicäa sollte allerdings Kaiser Konstantin sein. Nach der erneuten rechtlichen Gleichstellung der christlichen Kulte mit den bis dahin bestehenden Kultvereinen durch den Kaiser Galerius im Jahre 311 hatte Konstantin den |34|einmal beschrittenen Weg konsequent und ab etwa 326 als auch persönlich engagierter Herrscher mit großem Schwung fortgesetzt. Er hatte ‚seinem‘ Gott, der ihm als Schlachtenhelfer auf seinem blutigen Weg zur Alleinherrschaft treu zur Seite gestanden hatte, wie es eine jahrhundertelange Tradition erforderte, mit beträchtlichen finanziellen Mitteln gedankt. Nun war es seine Aufgabe, diesem Gott auch mit einem einheitlichen Glauben die ihm gebührende Ehre zu erweisen.

Wie schwierig dies werden konnte, hatte der Kaiser durch einen Streit zwischen zwei nordafrikanischen christlichen Gruppierungen, den Donatistenstreit, erfahren. Er hatte sich für eine Gruppe entschieden und wohl gehofft, die unterlegenen Christen würden sich seinem Urteil beugen. Dies war nicht der Fall gewesen. Um seine Entscheidung durchzusetzen, hätte es eines nicht unbeträchtlichen militärischen Einsatzes bedurft. Nordafrika war eine der beiden Kornkammern des römischen Reiches, was selbst die kleinsten Schwierigkeiten zu einem Problem machen konnte. Nun sah Konstantin etwas Ähnliches in der östlichen Reichshälfte auf sich zukommen, wobei dem Kaiser rasch klar wurde, dass die innerhalb der östlichen Kirche entstandene Uneinigkeit schlimmer war als die Streitigkeiten, die er aus Nordafrika kennengelernt hatte. Neben allen kultpolitischen Aspekten hatte der Streit zwischen dem Priester Arius und seinem Bischof Alexander in Alexandria auch eine realpolitische Dimension. Auch wenn die Christen in der Stadt eine kleine Minderheit bildeten, konnte jede Unruhe dort und in Ägypten Folgen für die Getreideversorgung des römischen Reiches haben. Daher war Konstantin in dieser Hinsicht gleichsam doppelt gefordert.

Nachdem Appelle an die streitenden Kleriker zur friedlichen Einigung keinen Erfolg zeigten, beorderte Konstantin noch im Oktober 324 seinen damals wichtigsten christlichen Berater, Bischof Ossius von Spanien (300–357),28 meist Ossius von Cordoba genannt, in den Osten, um die Kircheneinheit wiederherzustellen. Der Bischof überbrachte den beiden alexandrinischen Kontrahenten ein Schreiben des Kaisers. Konstantin betrachtete die ganze Angelegenheit als Geplänkel überspannter Intellektueller. Sympathisch und naiv zugleich teilte der Kaiser den Kontrahenten mit: „Als ich mir aber Gedanken über den Anlass und den Gegenstand des Streites machte, zeigte sich der Grund als sehr geringfügig und einer solchen Streitsucht nicht wert … Wo aber der Streitpunkt, der dem Ganzen im Wege steht, hier klein und ziemlich geringfügig |35|ist, wie sollte es mir da nicht schneller und um vieles leichter möglich sein, die Sache in Ordnung zu bringen?“29 Der Kaiser sieht die Sache so: Alexander hat nach einem „unwichtigen Aspekt“ gefragt, Arius hat voreilig geantwortet. Es wäre, so Konstantin, besser gewesen, zu diesen Themen „weder Fragen zu stellen noch auf Fragen zu antworten“, zumal es Fragen waren, die ohnehin nur aus nutzloser Faulheit gestellt worden seien. So etwas passe eher zu unvernünftigen Kindern.30 Beiden Klerikern schärfte er ein, es handele sich bei ihrem Dissens um Haarspaltereien, die kein Mensch begreife. Das Schreiben verdeutlicht, dass offensichtlich auch seine westlichen Ratgeber keine Ahnung von der Tragweite der Auseinandersetzungen in der alexandrinischen Kirche hatten, die bald den ganzen Osten überschwemmen sollten. Erste Erfahrungen ‚vor Ort‘, nachdem er Herrscher auch über den griechischen Bereich geworden war, sollten rasch zeigen, dass es mit Forderungen wie „Gebt euch die Hände!“ nicht getan war.

Ossius agierte anschließend in tradierten Bahnen und berief eine Synode nach Antiochia. Diese beschritt den keineswegs originellen Weg, mehrere Bischöfe, darunter Eusebius von Caesarea in Palästina, zu exkommunizieren. Nun hatte Konstantin vollends ins Wespennest gestochen, und er sah keinen anderen Ausweg, als eine reichsweite Bischofssynode einzuberufen, um die Angelegenheit zu erledigen. Als seine Appelle zur Versöhnung keinen Erfolg zeigten, wählte er einen nicht nur bei Entscheidungen in kultischen Angelegenheiten erprobten Weg; der Kaiser ließ sich beraten, wie er das bei allen wichtigen Fragen tat. So wie in den meisten Fällen Verwaltungs- oder Militärexperten im Staatsrat zusammenkamen, so waren es in Nicäa Fachleute im Bereich der christlichen Kulte, nämlich Bischöfe. Konstantin übernahm mit den christlichen Synoden eine Institution, die es längst gab, deutete sie aber in seinem Sinne um. So berief er für den Juni 325 eine Synode nach Nicäa, weil die Bischöfe selbst nicht in der Lage waren, ihre Streitigkeiten zu regeln. Wie sehr Religionspolitik das Handeln des Kaisers bestimmte, zeigte sich daran, dass die in Antiochia exkommunizierten Bischöfe nach Nicäa mit der Aufforderung eingeladen wurden, ihre Rechtgläubigkeit zu beweisen.

Es gab eine Reihe von Themen – vor allem organisatorischer Art – zu klären, aber im Zentrum stand aus kaiserlicher Sicht die Durchsetzung des einen Glaubens. Folglich kamen vor allem Bischöfe nach Nicäa, welche die Problematik kannten und verstanden und an diesem |36|Thema interessiert waren; das hatte zur Folge, dass es nur wenige aus dem Westen waren. Wenn die Synode von 325 letzten Endes die Lage der christlichen Gemeinschaften nicht beruhigen konnte, lag dies neben der schwierigen theologischen Thematik auch daran, dass Nicäa zwar die bis dahin größte Kirchenversammlung sah, aber dennoch nur ein Bruchteil der damaligen Bischöfe zusammenkam. Gleichgültig, wie hoch man insgesamt deren Zahl einschätzt – vielleicht zwischen 1 000 und 1 500 –, die etwa 250 in Nicäa waren eine Minderheit. Allein die donatistische Kirche Nordafrikas konnte wenig später etwa 400 Bischöfe versammeln.

Nicäa, „die Siegreiche“, selbst beherbergte damals einen Bischofssitz und einen Kaiserpalast. Offizielle Akten der Synode oder des Konzils besitzen wir nicht. Eusebius schildert aber ausführlich die Eröffnung der Versammlungen: „Als aber der festgesetzte Tag, an dem die Synode die Streitigkeiten endlich beheben sollte, angebrochen war, kamen alle, die zur Versammlung berufen worden waren, in dem Saal mitten im kaiserlichen Palast zusammen … und nahmen den ihnen zukommenden Platz ein. Als sich aber die ganze Versammlung mit der geziemenden Würde niedergelassen hatte, herrschte in der Erwartung des Einzugs des Kaisers allgemeines Schweigen. Es zog nun erst einer, dann noch ein zweiter und dritter aus der Umgebung des Kaisers ein. Voran gingen auch noch andere, nicht aus der Zahl seiner gewöhnlichen Begleiter und Leibwächter, sondern aus dem Kreis seiner Glaubensfreunde. Auf ein Zeichen hin, welches die Ankunft des Kaisers verkündete, erhoben sich alle und nun trat er selber mitten in die Versammlung wie ein Engel Gottes vom Himmel her, leuchtend in seinem glänzenden Gewand, strahlend in der feurigen Glut des Purpurs und geschmückt mit dem hellen Schimmer von Gold und Edelstein … Seine ganze Gestalt überragte an Größe ebenso seine Begleiter wie an blühender Schönheit, an majestätischer Würde und an unüberwindbarer Körperkraft.“31

Damit beschreibt Eusebius, was beispielsweise auch bei der Eröffnung einer Sitzung des römischen Senats geschah. Für Konstantin war dies die Demonstration des Alltäglichen in einer neuen Rolle. Traditionell war der Ort des Geschehens: sein eigener Palast. Traditionell war ebenso der Einzug des Herrschers. Traditionell war schließlich der eingeschlagene Weg. Und wie der Kaiser die Sitzungen des Senats geleitet haben dürfte, wenn er daran teilnahm, so war es auch in Nicäa.

|37|Konstantin hatte bei dieser Versammlung, die später als erstes ökumenisches Konzil gezählt wurde, den Vorsitz wie in jedem seiner Beratergremien und leitete die Verhandlungen. Er setzte eine Glaubensformel durch, deren Herkunft nicht näher bekannt ist; sie wurde um einige gegen Arius gerichtete Wendungen erweitert.

Der Text von Nicäa lautet: „Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allesbeherrscher, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren; und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn des Gottes, gezeugt aus dem Vater als Einziggeborener, also aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen (gemacht), wesenseins (ὁμοούσιος) dem Vater, durch den alles gezeugt wurde, das im Himmel und auf der Erde ist, der unseretwegen, der Menschen wegen und unserer Erlösung wegen herabgestiegen und Fleisch geworden ist, der Mensch geworden ist, gelitten hat und auferstanden ist am dritten Tag, aufgestiegen in die Himmel, der kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten. Und an den Heiligen Geist.“ Mit diesem Glaubensbekenntnis wollte das Konzil im Jahre 325 die christologischen Streitigkeiten beseitigen. Daran schloss sich ein gegen bestimmte Lehrmeinungen gerichteter Absatz an: „Diejenigen, die sagen ‚Es war einmal, dass er nicht war‘ und ‚Ehe er gezeugt wurde, war er nicht‘ und dass ‚er aus Nichtseiendem gezeugt sei‘, oder sagen, er sei aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit oder geschaffen oder wandelbar oder veränderlich als Sohn des Gottes, die verdammt die katholische und apostolische Kirche.“32 Hatte man die bisherige Diskussion verfolgt, so konnte man feststellen, gegen wen sich welche Formulierung wandte.

Um eine Einigung unter den Bischöfen zu erreichen, sollten sie das Glaubensbekenntnis unterschreiben. Manchem von ihnen, der sein Bekenntnis zu Christus während der diocletianischen Zeit bei Folter und Gefängnis unter Beweis gestellt hatte, dürfte es gewundert haben, was man nun über Christus glauben sollte. Zuständig für die Zusammenstellung der Unterschriftenlisten war Philumenus,33 der Minister für Kirchenfragen. Er legte den Bischöfen reihum das Bekenntnis zur Unterzeichnung vor und stellte sie vor die Wahl, zu unterschreiben oder ins Exil zu gehen; die Androhung der Verbannung ‚überzeugte‘ auch 15 Bischöfe, die lange gezögert hatten. Nur Arius und zwei ägyptische Bischöfe verweigerten sich und wählten das Exil. Wenn Athanasius in der seit der Mitte des Jahrhunderts einsetzenden Diskussion nichts |38|über die Rolle Konstantins in Nicäa sagte, so hat dies keine Bedeutung; er hat dem Kaiser seine eigene spätere Verbannung nie verziehen.

So schwärmerisch wie Eusebius sahen ein Jahrhundert später die Kirchengeschichtsschreiber Konstantin nicht mehr. Sie lassen den Kaiser deutlich hinter den Bischöfen zurücktreten. Aber sowohl für Sokrates, der sich am engsten an Eusebius anlehnte, wie auch für Theodoret (423–466), dem es vor allem um die Darstellung der Bischöfe ging, spielt Konstantin bei der Einführung des berühmten „wesenseins“ die entscheidende Rolle:34 „Unser gelehrtester und gottesfürchtigster Kaiser hat so philosophiert.“35 Er war es, der nach Sokrates die Einführung des später so umstrittenen Begriffs in das Glaubensbekenntnis veranlasste.36 Und auch für Theodoret war der Kaiser „der Erfinder der Zauberformel“, die da lautete: wesenseins.37

Ebenso wichtig wie der Beginn einer langen theologischen Kontroverse war die Tatsache, dass die Verbindung von Staat und christlicher Religion jetzt eine neue Dimension gewann. Der römische Kaiser hatte als oberster Hüter aller Kulte die theologischen Auseinandersetzungen auf eine politische Ebene gehoben, um es einmal in moderner Begrifflichkeit zu sagen. Dabei gefiel es der Kirche noch, dass mit Konstantin der Kaiser es übernommen hatte, das Reich Gottes auszubreiten. So ließ man es zunächst gelten, wenn er seine Meinung auch in der Lehre durchsetzte. Von Konstantin zieht sich hier eine direkte Linie bis zu Kaiser Justinian (527–565). Was bislang teilweise von lokalem Interesse gewesen war, war spätestens seit Nicäa Diskussionsgegenstand aller christlichen Gruppierungen, auch wenn es im Westen etwas länger dauern sollte, bis man dies begriff. Der römische Kaiser trat in der Gestalt Konstantins, der aus christlicher Sicht nahezu jeder Kritik entrückt war, hinter das Bekenntnis von Nicäa, machte es gleichsam amtlich. Wenn die theologischen Debatten der Folgezeit die immense Wirkung entfalten konnten, wie sie es taten, dann war das vor allem dieser Globalisierung und Politisierung zu verdanken.

Athanasius der Große

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