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Alexander und Arius

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Des Arius Gegenspieler war sein Vorgesetzter, Bischof Alexander. Zwischen Arius und Alexander lag insofern eine Welt, als jener nur Priester, dieser aber Bischof war. Die Bischöfe einer Synode in Antiochia verteidigten sich später einmal: „Wir sind keineswegs Gefolgsleute des Arius geworden; denn wie könnten wir als Bischöfe einem Priester folgen.“11 Schließlich war der Bischof von Alexandria einer von nur drei Patriarchen, denen die Anrede „Pabst“ (papa) zustand. Zudem war Alexander einer der angesehensten Kirchenführer seiner Zeit, was sich vor allem auf dem Konzil von Nicäa bemerkbar machen sollte, wo alle behandelten Probleme in seinem Sinne entschieden wurden. Was die Möglichkeiten des Bischofs betraf, sich in seiner eigenen Stadt durchzusetzen, sah es anders aus. Der Kirchenvater Epiphanius berichtet, |28|dass die Priester in Alexandria nach den Bedürfnissen ihrer Kirchengemeinde ausgesucht worden seien. Dies habe zu einer sehr engen Bindung der Gemeinde an ihren Priester beigetragen und zu Rivalitäten zwischen den Gemeinden. Priester und Gemeinde führten mitunter ein Eigenleben, das es dem alexandrinischen Bischof gelegentlich schwer machte, seinen Willen in der Stadt durchzusetzen. Damit war eine gewisse aggressive Grundhaltung innerhalb der Christen Alexandrias vorhanden, da es Sondermeinungen in der Stadt auch schon vor Arius gab.

Zurück zur Diskussion zwischen Arius und seinem Bischof. Alexander sah den entscheidenden Unterschied zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn darin, dass der Vater ungezeugt, der Sohn dagegen gezeugt war; auch für Alexander stand der Sohn dem Vater nach. Allesamt waren dies eben Vorstellungen, die sich bei einer Übertragung des alltäglichen Vater-Sohn-Verständnisses auf Gott-Vater und Gott-Sohn ohnehin einstellten. Der Unterschied zwischen den beiden Klerikern lag in der Beschreibung – oder sagen wir Definition – des Unterschieds oder Gegensatzes zwischen Vater und Sohn, dessen Vorhandensein beide nicht bestritten. Arius hatte den Unterschied als extrem groß beschrieben, Alexander fasste ihn so gering wie möglich. Um diesen geringen Unterschied deutlich zu machen, formuliert Alexander, der Sohn sei dem Vater eigentlich gleich. In immer neuen Bildern beschreibt er diese äußerst starke Ähnlichkeit. Der Sohn ist ein genaues Abbild des Vaters, ist Widerschein des Vaters, ist Ausdruck des Vaters. Der wichtigste Gegensatz zu Arius bestand darin, dass dieser, um die Differenz zu betonen, den Sohn als aus dem Nichts geschaffen bezeichnet hatte, Alexander dagegen ihn aus dem seienden Vater und darüber hinaus ewig gezeugt worden sein ließ. Wie diese ewige Zeugung zu denken ist, das entzieht sich, so versicherte Alexander, menschlicher Vorstellungskraft. Die Schwäche des bischöflichen Ansatzes, und dies sahen auch einige Zeitgenossen, lag in der Verwendung des Begriffes Zeugung, weil diese einen Anfang voraussetzt.

Waren die Diskussionen zwischen Arianern und späteren Athanasianern nur intellektuelle Spielerei? Es ging für beide Seiten nicht nur um Rechthaberei, sondern um das Seelenheil, um das Seelenheil jedes einzelnen Christen. Und deshalb diskutierten auch die eben genannten „einfachen Leute“ mit. Es ging bei diesen Auseinandersetzungen um Fragen des Glaubens, welche die Erlösung des Einzelnen wie der |29|Menschheit betrafen – und insofern ging es für Christen um Alltägliches. Es sei nicht möglich, auf den Markt zu gehen, ohne in ein Gespräch über das Verhältnis von Gott-Vater und Gott-Sohn verwickelt zu werden, schrieb im 5. Jahrhundert der Kirchenschriftsteller Sokrates.12 Wenn der Bischof Gregor von Nyssa Ende des 4. Jahrhunderts die Diskussionsbereitschaft seiner Generation karikiert, bezeugt er zugleich das allgemeine Interesse seiner Zeitgenossen an christologischen Themen: „Die ganze Stadt (Konstantinopel) ist voll von solchen (Menschen), die Gässchen, die Märkte, die Plätze, die Straßen … Bittest du jemanden um Kleingeld, hält er einen philosophischen Vortrag über den Gezeugten oder Ungezeugten. Fragst du nach dem Preis eines Brotes, erhält man zur Antwort, der Vater sei größer und der Sohn untergeordnet. Fragt man aber, ob das Bad (in den Thermen) bereitet ist, antwortet man, der Sohn sei aus dem Nichts erschaffen.“13 Dies ist wie betont eine Karikatur, real aber war die Alternative, die sich den damaligen Christen stellte: Wenn man nicht den richtigen Glauben hatte, war der Zugang zum Heil und damit zum Himmel verwehrt, drohten ewige Höllenstrafen.

Athanasius bestätigt, dass über die Thesen der Arianer auf dem Markt diskutiert wurde – und sicherlich auch über seine eigenen. Mit Fangfragen, so hätte dies Athanasius wohl genannt, versuchten sie auf dem Markt, für ihren Glauben zu überzeugen. „Hat der Seiende den Nichtseienden aus dem Seienden gemacht oder den Seienden?“ Und an die Frauen gewandt: „Hattest du einen Sohn, bevor du gebarst? So wie du keinen Sohn hattest, war auch der Sohn Gottes nicht, bevor er geboren wurde.“ Vor allem mit Rücksicht auf die Frauen, so betont Athanasius, muss man die Häresie widerlegen. Athanasius findet derartige öffentliche Diskussionen verächtlich, da seine Christen selbstverständlich nur im Gottesdienst seine Predigten hören und glauben sollten.14

In Alexandria, aber nicht nur hier, versuchten die großen christlichen Gemeinschaften, ihren jeweiligen Glauben möglichst einfach und verständlich vielen Menschen nahezubringen. Dabei mussten komplexe und komplizierte theologische Sachverwalte anschaulich präsentiert werden. Kritisiert wurde dies von Athanasius bei den anderen. Arius habe seine Schmähungen auf den Heiland getanzt und gescherzt, ätzte Athanasius, seine Lieder würden beim Trinkgelage gesungen. Einmal spricht er von dem „Sotadäer Arius“.15 Sotades von |30|Maroneia in Thrakien war im 3. Jahrhundert v. Chr. ein Satiriker, der vor allem in Alexandria wirkte. Von ihm ist wenig erhalten, wohl aber das Wissen, dass er auch obszöne Verse dichtete; nur daran erinnert Athanasius. Was Athanasius mit Spott überhäuft, weil es in Alexandria noch neu oder bei Athanasius verpönt war, sollte sich rasch zu einem der wichtigsten Verbreitungsmittel christologischer Ansichten entwickeln. Dies bestätigt der Kirchengeschichtsschreiber Sozomenus, wenn er in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts die große Bedeutung des Gesangs für die Verbreitung der jeweiligen dogmatischen Anschauungen erwähnt.16 Er gesteht zwar zu, dass sämtliche Lieder dem Lobpreis Gottes gedient hätten, bemerkt aber kritisch, sie seien sowohl von den Männern beim Gelage als auch von den Frauen an ihren Webstühlen gesungen worden. Kirchliche Lieder gehörten zum christlichen Alltag und wurden genutzt, um die Vorstellungen der eigenen Gruppe, auf eine knappe Formel gebracht, überall zu verbreiten.

Arius verfasste noch vor dem Konzil von Nicäa ein großes Lehrgedicht, die Thalia. Athanasius äußert sich nur abfällig über das Werk, zitiert aber wenigstens einige Abschnitte. Philostorgius (368–425), der einzige pro-arianische Kirchengeschichtsschreiber, von dem sich Auszüge bewahrt haben, berichtet, dass Arius seine theologischen Auffassungen in verständlicher Form dargelegt und verbreitet habe. Er habe manches in Versform gebracht und die Gedichte dann selbst vertont. Es habe auf diese Weise unterschiedliche Lieder gegeben: beispielsweise christliche Matrosen-, Müller- oder Reiselieder.17

Parmenian (363–391), Bischof der Donatisten, einer großen christlichen Kirche in Nordafrika, dichtete in der Mitte des 4. Jahrhunderts seine „Neuen Psalmen“, welche den einfachen Gläubigen die Grundüberzeugungen des donatistischen Bekenntnisses leichter eingängig machen sollten. Darauf antwortete Augustinus, Bischof von Hippo (354–430), später mit seinen sogenannten ABCD-Psalmen: „Ich wollte die Sache der Donatisten dem einfachen Volk, vor allem den Unwissenden und Ungebildeten, bekannt machen und sie … ihrem Gedächtnis einprägen. So verfasste ich einen Psalm zum Singen nach der Ordnung des lateinischen Alphabets.“18 Spätestens jetzt waren Lieder als Mittel der ‚Missionierung‘ anerkannt.

Während die Anhänger von Nicäa in ihren Liedern „Vater und Sohn“ lobten und besangen, priesen die Gegner derartiger Vorstellungen „den Vater in dem Sohn“, um auf diese Weise den Sohn als zweitrangig |31|darzustellen. Als sich derartige Hymnen bei allen Glaubensrichtungen durchgesetzt hatten, kam es zu einem regelrechten Sängerstreit – der durchaus in Handgreiflichkeiten münden konnte. Sozomenus überliefert einen der knappen arianischen Verse, der als Herausforderung an die anderen gemeint war: „Wo sind denn die, die predigen, die drei sind eine Macht?“19 Zu der hinter der Frage stehenden Aufforderung zur Prügelei ließen sich diese ‚anderen‘ nicht zweimal bitten, und so gab es beispielsweise um 400 in Konstantinopel bei einer entsprechenden Schlägerei zahlreiche Tote.

Kehren wir zur Person des Arius zurück. Zunächst forderte Bischof Alexander seinen Priester zum Widerruf auf. Als dieser sich weigerte, berief der Bischof im Jahre 318 eine Synode von ägyptischen und libyschen Bischöfen ein, „ungefähr hundert an der Zahl“,20 die Arius und seine Anhänger exkommunizierten. Nun kam es zu ersten Unruhen in Alexandria. Das entsprechende Rundschreiben des Bischofs Alexander nennt sechs Presbyter und sechs Diakone, die der Ausschluss betraf; unterzeichnet haben es 16 Presbyter und 24 Diakone, unter den Diakonen an vierter Stelle Athanasius.21 Nach Sozomenus gab es in der Diözese auch Bischöfe, die der Ansicht waren, Arius habe Recht. Namentlich kennen wir mit Secundus von Ptolemaïs und Theonas von Marmarika zwei, die zu Arius hielten. Bedenkt man, dass sich unter denen, die seine Exkommunikation unterschrieben, auch eine Gruppe von Melitianern befand (S. 42), die Front seiner Gegner also nicht geschlossen war, dann ahnt man, dass der Streit um die rechte Christologie in Alexandria nicht so leicht zu beenden war. Nach dem Kirchenausschluss der Priester wechselte auch ein nicht geringer Teil der Gemeindemitglieder die Seiten. Alexandrias Kirche erlebte nach dem melitianischen Schisma die nächste Spaltung. Die Arius nahestehenden Priester behielten offensichtlich ihre Kirchen und konnten dort Gottesdienste halten.

Nach der Exkommunikation seiner Gegner hatte Alexander den bedeutendsten Bischöfen ein Schreiben zugesandt, in dem er die Gründe der Verurteilung darlegte und gleichzeitig darum bat, die Exkommunizierten nicht anderswo in die kirchliche Gemeinschaft aufzunehmen. Ob er einer solchen Bitte folgen wollte oder nicht, lag bei jedem einzelnen Bischof. Alexander berichtet: „In unserer Gemeinde zogen vor kurzem gesetzlose und christusfeindliche Männer aus, die den Abfall lehren, was man wohl zu Recht als Vorboten des Antichristen |32|bezeichnen darf.“22 Anschließend beschimpft er zunächst Eusebius (S. 61). Dieser habe die Kirche von Nikomedien usurpiert und schicke Briefe in alle Welt, um die Ahnungslosen in eine Häresie hineinzuziehen. Aus diesem Grund schreibt Alexander nun selbst und legt die Lehre des Arius ausführlich dar. Der Ton der Briefe Alexanders zeigt, von wem Athanasius seine herabsetzende und menschenverachtende Sprache gelernt hat. So spricht Alexander von den Anhängern des Arius, denen er „gottlose Blindheit und maßlose Raserei, verbunden mit bodenloser, trübsinniger Ruhmsucht und teuflischer Gesinnung, die in ihren unseligen Gemütern herumgeistert,“ bescheinigt.23

Für den Bischof ist eine Versöhnung ausgeschlossen: „Es gibt keine Gemeinschaft zwischen Licht und Finsternis, zwischen Christus und Belial (Teufel).“ Und weiter schreibt er: „Wir als Christen müssen uns von jedem abwenden, der gegen Christus spricht oder denkt. Das sind Feinde Gottes, Verderber der Seelen, ja, wir sollen nicht einmal einen Gruß mit ihnen wechseln.“ Das Letzte war ein Wunsch, und er sollte nicht in Erfüllung gehen, denn Secundus von Ptolemaïs und Theonas von Marmarika nahmen am Konzil von Nicäa teil. Ob man mit Personen, die von einer Synode exkommuniziert worden waren, Gemeinschaft halten durfte, war nämlich keineswegs geklärt und sollte gerade an der Person des Athanasius leidenschaftlich diskutiert werden (S. 120).

Etwas anders sieht das Schreiben aus, mit dem Arius die gleiche Öffentlichkeit informierte, indem er formal an Alexander schrieb.24 Alexander wird darin als „gottseliger Vater“ angesprochen und in keiner Weise ähnlich beschimpft, wie es sich bei jenem findet. Arius blieb noch eine Zeitlang in Alexandria, machte sich aber bald auf die Reise, um weitere Anhänger für seine Position zu gewinnen. Und er sollte erfolgreich sein. Das Netzwerk der Schüler Lukians funktionierte. Synoden in Bithynien und Palästina bestätigten die Rechtgläubigkeit des Arius und forderten Bischof Alexander auf, dessen Exkommunikation aufzuheben, was dieser ablehnte. Dem alexandrinischen Bischof gelang es sogar, seinen Widersacher aus der Stadt zu vertreiben.

Wir wissen, dass gegen Ende des 4. Jahrhunderts in Alexandria noch 70 Synodalbriefe Alexanders aufbewahrt wurden, von denen zwei erhalten sind. Eine wahre Briefflut überschwemmte nicht nur in diesen Jahren die Bischofsstühle, da sich die unterschiedlichen christlichen Gruppierungen allesamt reichsweit als eine Einheit verstanden und ihre jeweiligen Ansichten weit streuten. Als Arius sich nach seiner Verurteilung |33|durch den Bischof in Alexandria in einem Schreiben an einen „Mit-Lukianisten“ wandte,25 war der entscheidende Schritt hin zu einer reichsweiten Auseinandersetzung getan. Eusebius von Nikomedien, Bischof von Konstantinopel (339–341), sympathisierte mit den Vorstellungen des Arius. Rasch begann eine Spirale der gegenseitigen Verurteilungen. Da das Schreiben, in dem Alexander den Ausschluss des Arius begründet hatte, auch einen scharfen persönlichen Angriff auf Eusebius von Nikomedien enthielt, stand dieser fortan endgültig auf der Seite des Arius. Im Jahre 320 verfasste eine Synode in Nikomedien eine Stellungnahme an alle Bischöfe, welche die Aufnahme des Arius in die Kirchengemeinschaft forderte, da dessen Vorstellungen rechtgläubig seien. Mit einem weiteren Brief an etwa 70 Bischöfe stellte anschließend Alexander nochmals seine Position dar.26 Da beide Seiten ebenso theologisch argumentierten wie persönlich diffamierten, standen sich die Parteien unversöhnlich gegenüber. In diesem Stadium wurde Konstantin im Jahre 324 Herr auch des griechischen Ostens.

Bei der Diskussion zwischen Arianern und ihren Gegnern ging es um Grundsätzliches in doppelter Hinsicht. Zum einen, so überliefert es der Kirchenschriftsteller Sozomenus,27 ging es um die Frage, ob man den überlieferten Glauben überhaupt antasten dürfe. Die Gruppe um Arius bejahte dies und zwang mit ihrem dezidierten Eintreten für genauere Definitionen im Bereich des Gottesbegriffs die Gegenseite letztlich, von ihrem strikten Beharren auf dem Althergebrachten Abstand zu nehmen. Hatten sich beide Seiten darauf geeinigt, eine Diskussion sei möglich, ja notwendig, dann ging es im zweiten Schritt konkret um das Verhältnis von Gott-Vater zu Gott-Sohn. Diese Diskussion fand sicherlich in zahlreichen Zirkeln um die eigentlichen Konzilssitzungen in Nicäa 325 herum statt, ohne dass wir konkret wissen, wer sich wo beteiligt hat; für die Verhandlungen auf dem Konzil gilt dies in gleicher Weise.

Athanasius der Große

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