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|10|1 Der Ketzer platzt in der Latrine

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Konstantinopel am Vorabend des Osterfestes im Jahre 336: Arius (260–336), einst Priester in Alexandria, dessen Lehren auf dem Konzil von Nicäa verurteilt worden sind und der daher exkommuniziert worden ist, befindet sich auf dem Weg zu einem Gottesdienst, in dem er wieder in die Kirche aufgenommen werden soll. Im Vorjahr hat eine Synode in Tyros die Exkommunikation aufgehoben (S. 85). Als er mit Freunden in Konstantinopel spazieren geht, ist er, der fast 20 Jahre ausgeschlossen war, entsprechend aufgeregt. Plötzlich sieht er sich von der Natur genötigt, sich von der Gruppe zu entfernen und aufgrund einer „plötzlichen Entspannung der Eingeweide“ eine öffentliche Latrine aufzusuchen. Hier überkommt ihn ein Schwächeanfall. Er erleidet einen Blutsturz, verliert Teile der Milz und der Leber, zerplatzt förmlich in zwei Teile und stirbt; vielleicht hat er einen Magendurchbruch erlitten.1 Dem Kirchengeschichtsschreiber Sokrates (381–439) verdanken wir die meisten Details des Vorgangs. Er berichtet ferner, dass zu seiner Zeit, zu Beginn des 5. Jahrhunderts, noch ein öffentliches Bild in Konstantinopel zu sehen war, auf dem der Vorgang dargestellt wurde.2

Wie konnte dieses Unglück geschehen? Während in Konstantinopel die Vorbereitungen zum Ostergottesdienst in vollem Gang sind, betet Alexander, Bischof von Konstantinopel (326–337), ein strikter Gegner des Arius, zu Gott, dass dieser ein solches Sakrileg, die Wiederaufnahme eines Ketzers in die Kirche, verhindern möge. Athanasius, der Bischof von Alexandria, weiß dies durch einen Augenzeugen, der bei dem Gebet anwesend war. Der Bischof von Konstantinopel stellt Gott vor die Wahl: Entweder er selbst oder Arius müsse |11|sterben, ansonsten sei die Ordnung der Welt in Gefahr. Damit Gott richtig entscheiden kann, fügt Alexander hinzu, Gottlosigkeit werde sich durchsetzen, müsse er Arius in die Kirche aufnehmen. Und Gott versteht das Dilemma und erhört das Gebet des Bischofs. Die spätere kirchliche Tradition war stolz darauf, feststellen zu können, dass der Tod des Arius nicht durch eine Krankheit, sondern durch Gebete herbeigeführt worden war.3

Über 20 Jahre später: Athanasius verbringt sein drittes Exil an einem uns unbekannten Ort in der ägyptischen Wüste. Es ist das Jahr 358, als sein Vertrauter Serapion (S. 85) den Bischof um einen Bericht über die Vorgänge des Jahres 336 bittet. Athanasius’ Reaktion war sein „Schreiben an Serapion über den Tod des Arius“, eines der widerlichsten Pamphlete aus seiner Feder. Serapion wird von Athanasius ausdrücklich gebeten, das Schreiben zu verbreiten.

Was veranlasste Athanasius in diesem Jahr, über den Tod des Arius zu schreiben, der schon so lange zurücklag? Wenn Athanasius dabei betont, er wolle Arius nicht verhöhnen, können wir das Gegenteil erwarten. Das Schreiben, in dem es inhaltlich um die Frage geht, ob Arius in Gemeinschaft mit der Kirche verstorben sei, trieft von Schadenfreude. Sollte jemand die Botschaft dieses Todes nicht verstanden haben, erinnert Athanasius an Judas, den Verräter Jesu, der hinfiel und ebenfalls zerplatzte.4 Gott hat die seinerzeitigen Gebete, auch dasjenige des Athanasius, erhört und entschieden: Arius starb 336, Athanasius kann 358 über dessen Tod triumphieren.

Es gehörte zur antiken Geschichtsschreibung, den Gegner zu verunglimpfen. Wahre Meister in dieser Hinsicht waren die unterschiedlichen christlichen Gruppen, wenn es um andersdenkende Christen ging. Der Kirchenlehrer Laktanz (250–325) widmete ein ganzes Buch den „Todesarten der (Christen-)Verfolger“. War jemand hässlich oder moralisch verworfen oder starb eines besonders grausamen Todes, diskreditierte dies zugleich den ganzen Menschen, vor allem aber seine theologischen Anschauungen. Starb jemand friedlich, galt dies als Zeichen eines gerechten Lebens, starb er dagegen plötzlich und gewaltsam, ging man davon aus, er habe diese Strafe verdient. Dies galt im christlichen Alltag, und es galt vornehmlich für den theologischen Gegner, vor allem bei Athanasius, dessen Leben und Denken sich ständig in Gegnerschaft zu Menschen befand, die er als seine Feinde ansah.

|12|Arius war das große Ärgernis des Athanasius, ein Ketzer, ja vielleicht der Ketzer schlechthin. Wie schrecklich musste demnach der Tod seines größten Widersachers, des Arius, ausfallen! Im Jahre 358, in dem Athanasius den Brief verfasste, war Constantius II. seinem Ziel, den Arianismus zur Reichsreligion zu machen, erheblich näher gekommen. War auch die Feststellung des Kirchenvaters Hieronymus (347–419) – „Es seufzte der Erdkreis und wunderte sich, dass er arianisch geworden war“5 – übertrieben, so schien doch manches darauf hinzudeuten, dass es in diese Richtung ging. Dabei spielte es eben eine Rolle, ob Arius vor seinem Tod wieder in die Kirche aufgenommen worden war. Dies wäre so gekommen, hätte eben Gott nicht persönlich eingegriffen und es verhindert. Wenn Athanasius nun des Arius Tod als besonders widerwärtig darstellt, ist damit auch dessen theologische Ansicht für alle Zeiten in Misskredit gebracht, denn Gott hat ihn schließlich durch den grausamen Tod entsprechend bestraft. Dennoch darf man es als Lebenswerk des Athanasius bezeichnen, gegen die Anhänger des Arius zu kämpfen. Dies ist dann auch das zentrale Thema seiner Biographie.

Athanasius der Große

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