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Athanasius und Nicäa

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Zwischendurch ist es Zeit, wieder einmal an Athanasius zu denken. Kommen antike Autoren, vor allem die Kirchengeschichtsschreiber, auf ihn zu sprechen, preisen sie seine Rolle als Retter von Nicäa und |39|Hort der Orthodoxie. Übereinstimmend berichten sie, Athanasius habe als Diakon mit Bischof Alexander von Alexandria an der Synode von Nicäa teilgenommen.38

Welche Rolle Athanasius bei diesem Konzil tatsächlich spielte, werden wir nie erfahren. Auffallend ist, dass er selbst nicht davon spricht.39 Wir besitzen zwar ein Zeugnis aus seiner Feder, den Traktat „Über die Beschlüsse der Synode von Nicäa“, den er wohl in der Mitte der fünfziger Jahre, vielleicht während seines dritten Exils, verfasste.40 Der Traktat trug viel zu seiner späteren Berühmtheit bei, informiert aber leider kaum über die Geschehnisse in Nicäa des Jahres 325. Unwahrscheinlich ist die Behauptung seines späteren Lobredners Gregor von Nazianz, wonach Athanasius sich unter allen anderen durch sein aktives Eingreifen in die Diskussion hervorgetan habe.41 Als Diakon! Hier projiziert Gregor doch zu sehr aus späterer Warte, und die Geschichte erinnert ein wenig an den zwölfjährigen Jesus im Tempel.

Wenn Athanasius überhaupt 325 in Nicäa war, dürfte er, anders als Gregor dies vermitteln will, als junger Diakon seinem Bischof geholfen haben – mehr nicht. Sein Schweigen zu seiner Anwesenheit dort könnte aber auch bedeuten, dass er in Alexandria geblieben ist. Nur einmal spricht Athanasius davon, in Nicäa habe man seine Frömmigkeit gegenüber Christus kennengelernt und sein unerschrockenes Auftreten gegen die Arianer.42 Auffallend ist, dass Athanasius in seinem Werk niemanden erwähnt, den er in Nicäa getroffen hat, während er ansonsten jegliche Bekanntschaft mit prominenten Kollegen, wenn sie den rechten Glauben haben, mitteilt. Für mich ergibt sich daraus, dass seine Anwesenheit in Nicäa 325 wohl zu jenem Phänomen gehört, das Hans von Campenhausen feststellen ließ, seinen Zeitgenossen sei Athanasius „fast wie eine mythische Gestalt erschienen“.43

Weitaus wichtiger ist ohnehin, dass das Konzil und das dort verkündete Glaubensbekenntnis die zentrale Rolle im Leben des Athanasius spielen sollte. Vergleichen lässt sich seine Haltung mit dem berühmten ceterum censeo – „im Übrigen bin ich der Meinung“ –, das dem älteren Cato (234–149 v. Chr.), der unermüdlich zur Zerstörung Karthagos aufgerufen hatte, zugeschrieben wird. Das ceterum censeo des Athanasius sollte das Glaubensbekenntnis von Nicäa werden. Mit ihm war für den späteren alexandrinischen Bischof alles gesagt, was man über Gott-Vater und Gott-Sohn wissen musste.

|40|Dieses Glaubensbekenntnis von Nicäa war aber ein Kompromiss und wie alle Kompromisse faul. Nicäa löschte den Brand nicht, der sich an dem Streit um die Person Christi entzündet hatte, sondern fachte ihn zusätzlich an und verbreitete ihn innerhalb der gesamten Kirche. Viele Konzilsväter hätten wohl eine Definition mit biblischen Begriffen vorgezogen. Rasch zeigte sich auch, dass die Gruppierung, die hinter Arius stand, weitaus flexibler war als die Gegenseite und mit dieser Flexibilität Konstantins Einigungspolitik entgegenkam. Die in Nicäa noch führenden Bischöfe verloren rasch die Anerkennung des Kaisers, weil sie nicht zu Zugeständnissen bereit waren. Ossius von Cordoba verschwand seit 326 für die Zeit der Regierung Konstantins vom Hof. Eustathius, Bischof von Antiochia seit 325, wurde seines Amtes enthoben, als er Eusebius von Caesarea angriff, der in der Zwischenzeit die Gunst des Kaisers wiedererlangt hatte.

Von dem Augenblick an, da das Bekenntnis von Nicäa beschlossen war, spielte es längere Zeit keine Rolle mehr, ebenso wenig wie die Tatsache, dass eine genaue Bedeutung des „wesenseins“ im Glaubensbekenntnis von Nicäa nicht zu finden ist; es dürfte auch sinnlos sein, eine solche zu suchen. Jeder dachte bei solchen Begriffen seine eigene Interpretation. Für den Augenblick waren ohnehin nur die Unterschriften der Bischöfe wichtig, und die hatte Konstantin weitgehend erhalten. Als es ihm dann noch gelang, Arius wieder in die Kirchengemeinschaft aufnehmen zu lassen, war für den Kaiser die Angelegenheit erledigt. Das „wesenseins“, das vielleicht gewählt worden war, weil Arius es ablehnte,44 verschwindet folglich auch bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts aus der theologischen Diskussion; später wird Athanasius es aber vehement verteidigen. Für Konstantin war die formale Glaubenseinheit entscheidend, eine Einheit der Glaubensformel, für die Bischöfe der Kampf um Bischofsstühle. Wir werden nie entscheiden können, ob es bei diesem Kampf eher um Macht – und Geld – oder eher um die Sorge für den rechten Glauben ging; ich bin aber bereit, Letzteres immer zu konzedieren.

Auf jeden Fall gab es rasch Widerstand gegen das 325 beschlossene Bekenntnis. Erfuhr Konstantin von solchem Widerstand, hielt er dem Betreffenden das Schicksal derer vor Augen, die nach der Synode von 325 exiliert worden waren. Doch scheint sich rasch gezeigt zu haben, dass solche Drohungen kaum halfen. So berief Konstantin bereits 327 erneut eine Synode nach Nicäa ein.45 Es ging um Ägypten. „Während |41|alle Frieden hielten, herrschte allein bei den Ägyptern unversöhnlicher Streit untereinander.“46 Arius hatte an Konstantin geschrieben, seinen Glauben an Gottvater, Sohn und Heiligen Geist bekräftigt, den Begriff „wesenseins“ gemieden und um Aufnahme in die Kirche gebeten. Konstantin gewährte dies und hob das Verbannungsurteil auf. Daraufhin strich die Synode die Verurteilung des Arius von 325. Auch Bischöfe folgten dem Beispiel des Arius und erhielten also nur zwei Jahre später ihre alten Bischofssitze zurück. Der wichtigste war Eusebius von Nikomedien, der rasch Zugang zum dort residierenden Kaiserhof erhielt. Waren die Beschlüsse von 325 formal noch eine rein innerkirchliche Angelegenheit gewesen, änderte sich das mit der zweiten Synode von Nicäa. Konstantin bekräftigte die dort gefassten Beschlüsse mit seinem Siegel und machte sie damit zu Reichsgesetzen. Spätestens seit 327 waren kirchliche Themen und vor allem kirchliche Probleme eine Angelegenheit des Staates. Die Synode von 327 bedeutete eine deutliche Zurücknahme der 325 gefällten Urteile, änderte aber nichts am Glaubensbekenntnis.

Mit dem Synodalbeschluss konnte Arius wieder nach Alexandria zurückkehren, wo allerdings mit dem Bischof Alexander einer der energischsten Unterstützer des Glaubensbekenntnisses von Nicäa der Kirche vorstand. Ihm gegenüber begründete die kaiserliche Kanzlei im Namen Konstantins die Abkehr von den Beschlüssen des Jahres 325. Arius habe dem Kaiser persönlich versichert, vom christlichen Glauben zu denken, was in Nicäa definiert und bestätigt worden war. Nun bittet Konstantin den Bischof Alexander: „Unterstützt die Eintracht, gewährt die schönen Güter der Freundschaft denen, die sich im Glauben nicht von euch unterscheiden.“47 Der Tod Alexanders am 17. April des Jahres 328 ließ solche Überlegungen hintanstehen. Zunächst galt es, einen der wichtigsten Bischofsstühle der damaligen Zeit zu besetzen.

Athanasius der Große

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