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1.5Politische Vorgeschichte

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Die Diskussion über das gemeinsame Sorgerecht geht bereits auf die 70er-Jahre zurück, doch erst nach der Jahrtausendwende erfuhr das Thema politisch gesehen einen Durchbruch. Mit der Einführung des Scheidungsrechts von 2000 war die Position der Frauen gestärkt worden. Bei einer Scheidung erhielt die Mutter in der Regel die alleinige elterliche Sorge, da es vor allem sie war, die die Kinder im Alltag betreute. Dem Vater hingegen wurde ein Besuchsrecht zugeteilt und eine Unterhaltspflicht auferlegt. Im Zeitverlauf wurden die Mängel dieser Gesetzgebung immer deutlicher sichtbar. So gab es Männer, die sich nach der Trennung als unzuverlässige Väter erwiesen und sich zunehmend aus ihren Betreuungspflichten verabschiedeten. Und es gab Frauen, welche die Kinder manipulierten, das Besuchsrecht des Vaters hintertrieben oder ihrem Expartner mit Anschuldigungen das Leben schwermachten. Leidtragende waren letztlich die Kinder, die oft in Loyalitätskonflikte verstrickt wurden.

Die seit 2000 geltende Sorgerechtsregelung wurde von Männer- und Frauenorganisationen heftig kritisiert, wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Viele Väter litten unter der eingeschränkten Möglichkeit, den Kontakt zu ihren Kindern nach der Trennung oder Scheidung aufrechtzuerhalten. Vor allem Männer, die sich früher in der Kinderbetreuung und der Hausarbeit engagiert hatten, fühlten sich von kostbaren Erfahrungen abgeschnitten und in die Rolle des «Zahlvaters» abgeschoben. Manche Väter betonten, wenn ihnen das Sorgerecht verwehrt bleibe, fehle ihnen die Motivation, sich über das Minimum hinaus für ihre Familie zu engagieren. Sie erlebten das geteilte Sorgerecht als Zurücksetzung und hierarchische Unterordnung. Geschiedene Väter klagten zudem, ihre Exfrau gebrauche die gemeinsame elterliche Sorge als Druckmittel, um ­höhere Unterhaltszahlungen zu erwirken. Auch sei es fast unmöglich, ihr Recht durchzusetzen, wenn die Exfrau das Besuchsrecht vereitle oder erschwere. Die Kritik der Frauen hingegen lautete, sie hätten keine Handhabe, wenn sich der Expartner kaum für die Kinder engagiere und seinen Unterhaltsverpflichtungen nur unzuverlässig oder gar nicht nachkomme. Viele Mütter ­sahen sich nach der Scheidung völlig auf sich gestellt, finanziell und kräftemässig am Limit, und von ihren früheren sozialen Bezügen abgeschnitten.

Oft machte sich im Nachscheidungsalltag auch Unzufriedenheit breit, wenn das gewählte Sorgerecht nicht mit der gewählten Rollenteilung übereinstimmte. Frauen beklagten die Einschränkung ihrer Entscheidungsbefugnisse, wenn der Partner zwar die gemeinsame elterliche Sorge wollte, aber nicht bereit war, sich über das allgemein Übliche hinaus, z.B. in der Betreuung, zu engagieren. Auch das Problem der Mankoverteilung im Unterhaltsrecht (vgl. Abschnitt 3.5) wurde von Frauenseite vehement kritisiert.

Am 7. Mai 2004 reichte der Schwyzer Nationalrat und Anwalt Reto Wehrli im Nationalrat ein Postulat ein, mit dem er die gemeinsame Sorge für alle Eltern zum Regelfall machen wollte. Der Vorstoss wurde am 7. Oktober 2005 vom Nationalrat angenommen und 2009 ein erster Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung geschickt. Unter der Ägide von Bunderätin Eveline Widmer-Schlumpf, damals noch Vorstehende des Justiz- und Polizeidepartements, wurde er weiterentwickelt, getrennt von der ebenfalls anstehenden Revision des Unterhaltsrechts. Nach dem Amtsantritt von Bundesrätin Simonetta Sommaruga ging das Dossier in deren Hände über. Sommaruga zog kurzfristig in Erwägung, die Sorgerechtsvorlage mit jener über den Unterhalt zusammenzulegen. Dies führte bei den Männer- und Väterorganisationen, die eine weitere Verzögerung der Gesetzesrevision befürchteten, zu einem Sturm der Entrüstung. Im Rahmen der Aktion «Schick en Stei» deponierten sie Pflastersteine auf dem Bundeshausplatz und brachten damit ihren Unmut zum Ausdruck. Das Medienecho war enorm und verfehlte seine Wirkung nicht. Die Sorgerechtsrevision wurde wieder alleine vorangetrieben. Im November 2011 legte der Bundesrat den neuen Gesetzestext vor, der im Sommer 2012 vom Nationalrat behandelt und verabschiedet wurde. Nach der Behandlung im Ständerat und nach Differenzbereinigungen in der Sommersession 2013 fand das neue Recht seine endgültige Form. Die Revision des Unterhaltsrechts soll nun ebenfalls zügig vorangetrieben werden, womit eine wichtige Forderung von Frauenseite erfüllt wird.

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