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Die lange Reise

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Gegen fünf Uhr Bordzeit begann der Schiffscomputer zu piepen. Pete Mascolo, der Pilot des Forschungsschiffs und momentan wachhabender Offizier, nahm die Meldung entgegen. Sie betraf ihn direkt. Der Computer teilte ihm mit, dass seine Familie auf der Erde bei einem Brand ums Leben gekommen war. Die Meldung wurde von einem Computer auf der Erde so lange ausgestrahlt, bis jemand den Empfang bestätigte, eine sinnvolle Einrichtung, da sich Mascolos Schiff in einer Umlaufbahn um den Neptun befand und sich noch bis vor ein paar Minuten auf der der Erde abgewandten Seite des Planeten befunden hatte.

Die Nachricht war eine Woche alt. Er bestätigte ihren Empfang und schaltete den Computer dann wieder auf Automatik. Müde lehnte er sich in seinem Sessel zurück. Seine Familie... Es war lange her, dass er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Und nun würde er sie auch nie wieder sehen. Jetzt gab es niemanden mehr auf der Erde, zu dem er zurückkehren konnte, niemanden, der auf ihn wartete. Ein Gefühl der Einsamkeit überfiel ihn. Er befand sich knapp 30 Astronomische Einheiten von der Erde entfernt, etwas mehr als 4000 Mio. Kilometer. Wie lange würde es dauern, bis er das Blau der Ozeane wieder sehen, den salzigen Geruch der Luft in seine Lungen saugen konnte? Wann würde er wieder mit Menschen sprechen können?

Mascolo überprüfte die Bildschirme. Keine Anomalien zu entdecken. Weit unter ihm befand sich die methanhaltige Atmosphäre Neptuns. Ob es dort Leben gab? Mark Bernstein und Mito Song, die beiden anderen Mitglieder seiner Besatzung, versuchten, dies herauszufinden. Eigentlich war wieder eine Meldung von ihnen fällig. Mascolo drückte die Taste des Sprechgerätes, doch aus dem Lautsprecher drang nur Rauschen. Kein Kontakt. Das war seltsam. Selbst, wenn sie die kleine Landekapsel verlassen hatten, müsste er über die Verstärkerrelais mit ihnen Verbindung aufnehmen können. Ob da etwas schief gelaufen war? Oder ob sie wieder eines von ihren kleinen Spielchen mit ihm spielten? Er versuchte es noch einmal. Keine Antwort.

Gegen Abend setzte Mascolo eine Meldung auf, die er zur Erde senden würde, wenn er sich wieder in einer günstigen Sendeposition befand. Was konnte mit den anderen passiert sein? Der Pilot schaltete den Computer auf Situationsanalyse und ließ ihn einige Wahrscheinlichkeiten ausrechnen. Er kam zu folgendem Ergebnis: Wenn die Landegruppe die Planeten­oberfläche lebend erreicht hatte, ihre Sendeanlagen korrekt funktionierten und die Energiezufuhr der Landefähre in Ordnung war, gab es nur eine Möglichkeit: Die Besatzung, bestehend aus dem Ingenieur Mito Song und dem Arzt Mark Bernstein, wollte nicht antworten oder wurde von etwas davon abgehalten, zu antworten. In jedem Fall konnte das bedeuten, dass sie tot waren. Die Wahrscheinlichkeit, die der Computer für diesen Fall ausrechnete, ließ Mascolo erschaudern.

Mascolo war allein. Es gab niemanden, mit dem er sprechen konnte. Niemanden in einem Bereich von etwa 4 Milliarden Kilometern. Wenn er es genau bedachte, war ihm da selbst der Streit lieber, den er immer mit Bernstein und Song gehabt hatte. Gut, er hatte die beiden nicht gemocht, aber wenn man drei Jahre in einem kleinen Raumschiff eng beieinander verbringen musste, konnte man einander sehr auf die Nerven gehen.

Alle automatischen Sonden waren stationiert, bald würde sich ein Startfenster öffnen. Es wurde langsam Zeit für die Rückkehr. Zu einem Planeten, auf dem niemand auf ihn wartete. Aber gab es einen Planeten, auf dem jemand auf ihn wartete? Wahrscheinlich nicht. Mascolo berechnete die Bahn für die Rückkehr, Fluggeschwindigkeit, Masse, Treibstoff.

Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Bernstein und Song so gehen zu lassen. Er hätte sich von ihnen verabschieden sollen. Und sie hätten sich nicht im Streit trennen sollen. Jetzt, nach ein paar Wochen, fehlten sie ihm ein bisschen. Er würde die Rückreise ohne sie verbringen müssen – eine sehr öde, langweilige Rückreise.

Aber warum, warum nur hatte dies geschehen müssen? Warum hatten sie... warum nur hatten sie ihn geärgert? Er hatte auch Gefühle und er hatte das gemein gefunden. Und der Weg von der Erde zum Neptun war wirklich weit. Obwohl sie Fehler gehabt hatten – was sollte er alleine drei Jahre lang machen? Er würde verrückt werden in diesem engen Raumschiff. Und man hatte ihn wegen seiner Charakterstärke genommen. Drei Jahre. Vielleicht, ja, vielleicht war es falsch gewesen. Völlig allein. Vielleicht hatte er einen Fehler begangen. Endlose Einsamkeit. Vielleicht hätte er die Bremsraketen der Landekapsel doch nicht abmontieren sollen.

Die Zukunft ist der Roboter

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