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Soziale Determinanten

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Die oben zitierten Definitionen des Menschseins als Person klammern den Aspekt der Gemeinschaft und der Geschichte aus. Nun geschieht aber die Entfaltung menschlicher Personalität nicht im Vakuum, sondern in einem raum-zeitlich gebundenen, geschichtlich wie gesellschaftlich bestimmten Kulturraum, der den Menschen prägt, den er aber auch seinerseits wieder mitgestaltet. Der Mensch ist ein „animal sociale“, ein Sozial-Wesen. Und er ist als solches hineingestellt in die gesamte Vergangenheit der Menschheit und ihrer Geschichte. Er trägt die Spuren der Evolution an seinem Leib. Und er ist erst recht geprägt von seiner Umwelt (Familie, Schule, Arbeitswelt, Milieu, Kultur, Kirche, Staat). Er findet sich vor in einem bestimmten Denk- und Sprachraum, der seinerseits wieder sein Denken und Sprechen maßgebend beeinflusst. Er ist hineingeboren in ein Volk mit einer bestimmten Geschichte, mit einem historischen Erbe, mit bestimmten gewachsenen oder auch über Nacht von außen aufgezwungenen gesellschaftlichen Strukturen. Zur Entfaltung seines Person-Seins bedarf er der Mitmenschen. Die Eltern, insbesondere die Mutter, sind sein „Schicksal“ und können sein gesamtes späteres Leben weitgehend vorprägen und vorbestimmen.

Die politische Öffnung der christlichen Anthropologie stellt eine wichtige Zukunftsaufgabe dar, denn der Einfluss wirtschaftlicher Faktoren auf die Politik und damit auf die gesellschaftliche Struktur des Zusammenlebens ist unverkennbar und wird immer stärker. Es gibt „sündhafte Strukturen“, die Dasein und Verhalten des Menschen ganz wesentlich beeinflussen. Strukturveränderung bedeutet nicht selten Bewusstseinsveränderung. Und wie nachhaltig sich ein bestimmtes Gesellschaftssystem auf die gesamte menschliche Denk- und Verhaltensweise auswirken kann, zeigen die leidvollen Erfahrungen im Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten, deren Menschen lange Zeit in unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen lebten bzw. leben mussten.

In der gegenwärtigen anthropologischen Diskussion treten auch biologische und (tiefen-) psychologische Determinanten ins Blickfeld.47

 In der Biologie haben Gestalt-, Ursachen- und Verhaltensforschung die soziale Bedingtheit des Menschen noch deutlicher ins Bewusstsein gerufen. Die Unspezialisiertheit der menschlichen Organe hat das Verständnis des Menschen als eines „unfertigen“ Wesens bestätigt: Der Mensch bestimmt sich als Individuum und im Kollektiv als weltoffen, weltgestaltend und kulturschaffend. Selektion, Mutation und Domestikation als Faktoren der „Menschwerdung“ üben einen entscheidenden Einfluss auf das Daseins-Bewusstsein des modernen Menschen aus. Nichts in der Welt kann ohne Konflikt, sprunghafte Änderungen, Anpassung und Absonderung vorankommen.

 Die (Tiefen-)Psychologie hat den Blick auf das Unbewusste im Menschen gelenkt und der Frage nach Freiheit und Verantwortung, Schuld und Schuldfähigkeit neue Dimensionen eröffnet: Inwieweit sind freie, personale Entscheidungen wirklich „frei“? Wie stark bestimmt das Unterbewusste unser Bewusstsein – ohne dass wir es im Einzelnen immer merken?

Die großen Themen des christlichen Glaubens

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