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Farben und Licht

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Die Dinge erscheinen gewissermaßen in der Wirklichkeit und in der Wirklichkeitsillusion der naturalistischen Malerei, weil sie durch den Kontrast von Licht und Dunkel geformt werden – sofern dieser nach schattierten Zwischenwerten gestuft ist. Je größer diese Art von Kontrast, desto plastischer die Erscheinung – umgekehrt: je geringer nuanciert der Kontrast, desto flächiger, entkörperlichter, entmaterialisierter die Erscheinung: Die Landschaftsmalerei der Romantik z.B., der es auf ungreifbare, nichthaptische, geheimnisvoll verfremdete Effekte ankam, hat Lichtstimmungen bevorzugt, die weniger mit starken Gegensätzen denn mit homogener Atmosphäre rechneten: die Dämmerung, die neblige Verschleierung, das nächtliche Dunkel. Sie favorisierte also Stimmungen, die die Farben wieder in die unräumliche und unkörperliche, sprich in die flächige Dimension zurückdrängten.

Valeurmalerei

Ansonsten aber kalkuliert die Valeurmalerei mit der Tiefen- und Körpersuggestion. Sie nützt den wahrnehmungspsychologischen Faktor aus, dass kühle Farben (Blau, Violett, Blaugrün u. Ä.) – selbst wenn sie sich auf gleicher Seh- und Bildebene mit den warmen Farbtönen befinden (Rot, Goldgelb, Gelbgrün usw.) – optisch gegenüber den Letzteren zurückzutreten scheinen. Diese Erfahrung fließt in die sogenannte Farb- bzw. Luftperspektive ein. Die Farbperspektive kann sogar zu dem verblüffenden Ergebnis führen, dass in gegenstandslosen Bildern, obwohl sie keine Realräume vortäuschen, räumliche Wirkungen auftreten.

Luftperspektive

Die Landschaftsdarstellung, die es in der Regel mit der Wirkung enormer räumlicher Entfernungen zu tun hat, belegte vom 16. Jahrhundert bis zur akademischen Malerei des 19. Jahrhunderts den Vordergrund gezielt mit Braunabstufungen, um dann über Blaugrün und schließlich Blau den Mittel- und Hintergrund der Kompositionen als entferntere Zonen wirken zu lassen. Das „Verblauen“ aller Farben, bedingt durch die sich zwischen die nahen und die distanzierten Bereiche schiebenden Luftschichten, ferner die damit überhaupt einhergehende tonale Abschwächung machten die Luftperspektive aus.

Beleuchtungslicht

Wenn der Bildraum den Anschein des Wirklichen anstrebt, dann hat in ihm das Eigenlicht, wie es etwa vom strahlenden Goldgrund ausgeht, keinen Platz mehr. An seine Stelle tritt das Beleuchtungslicht, abstrahlend von einer Lichtquelle, die ins Bild hineingemalt ist oder die man sich außerhalb des Bildes vorstellen soll. Gelegentlich erweist sich die gemalte Lichtführung als imaginäre Fortsetzung eines realen Lichteinfalls, etwa durch das neben einem Wandbild liegende Fenster. Selbst wenn das fingierte Beleuchtungslicht metaphysischer Natur ist, also von einer Vision, von einer göttlichen Gestalt u. Ä. ausgeht, bleibt es nunmehr säkularisiert, d.h. den Gesetzen irdischen Lichtscheins unterworfen. Und das Gleiche gilt für die Farben, die vom Beleuchtungslicht modelliert und pointiert werden. Entsprechende Effekte haben ihre eindringlichste Inszenierung in der sogenannten Hell-Dunkel-Malerei (ital. chiaroscuro oder tenebroso, frz. clair-obscur) gefunden.

Malerei verstehen

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