Читать книгу Bleihaltige Rechnung: Cowboy Western Sammelband 7 Romane - Pete Hackett - Страница 22

14.

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Einige Minuten lang blickten die Topfhenkel-Reiter in die Steilschlucht, dann zu den überlebenden Rindern der Carter-Ranch hin, die wie durch ein Wunder vor dem schrecklichen Absturz bewahrt worden waren.

Benny Lind, der Jüngste der Reiter, war so bleich, dass man befürchten musste, es würde ihm schlecht werden. Er schluckte und wandte sich schaudernd vom Abgrund ab. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn, seine Augen schimmerten feucht. Er ging an Vormann Jean Parler vorbei zu seinem Pferd zurück und ergriff das Sattelhorn mit beiden Händen, lehnte sich gegen das Pferd, als brauche er einen besonderen Halt.

Er zuckte zusammen, als eine schwere Hand seine Schultern berührte. Er wandte den Kopf und sah in das wie zu Stein erstarrte Gesicht des Vormannes hinein. Beide Männer sahen sich schweigend an. Parler nagte an der Unterlippe, und es fiel ihm schwer, etwas zu sagen. Man spürte, wie es in ihm arbeitete, wie sehr er sich anstrengte. Schließlich stieß er hervor: „Das hat der Boss nicht gewollt, Cowboy. Wir haben uns von Miland, Andrew und Nelson hinreißen lassen. Ich gebe zu, dass der Boss und ich durch den Anblick von Buck Jones in Wut gerieten und blindlings handelten, so dass die böse Absicht Milands in Erfüllung ging. Kein Cowboy kann dieses Elend mit ansehen, ohne nachdenklich zu werden. Jetzt zählen meine schief geschlagene Nase und Dan Bruces Streifschusswunde nicht mehr. Jetzt zählen unsere Gefühle nicht mehr, jetzt hilft nur noch eins, nüchtern bleiben, bevor wir von etwas überrumpelt werden. Ich komme jetzt langsam zu der Überzeugung, dass Henry Carter gar nichts mit den Rinderdiebstählen zu tun hat. Man hat etwas in Szene gesetzt, und wir haben es geschluckt. Mir wird verteufelt übel bei dem Anblick hier.“

„Hat der Boss es sich angesehen?“

„Er war hier und ist stillschweigend davongeritten. Er muss mitten durch die Hölle gegangen sein, als er in die Schlucht blickte.“

Jean Parler brach ab und nahm den Arm von Benny Linds Schulter. Das Gekreisch von Aasgeiern und das Gebell von Coyoten, die unten in der Schlucht schaurige Mahlzeit hielten, drang bis zu den Männern hin. Einer nach dem anderen trat vom Schluchtrand zurück und kam zu den Pferden. Ihre ernsten, verschlossenen Gesichter verrieten mehr, als Worte es hätten zu sagen vermocht. Mancher vorwurfsvolle Blick traf den Vormann.

„Es tut mir leid, Männer“, sagte Parler.

Einer der Reiter antwortete: „Miland soll Farbe bekennen. Sicherlich weiß er, wer unsere Shorthorns wirklich in Carters Herde getrieben hat. Ich frage dich, Parler: Warum musste es zur Stampede kommen, und warum mussten Tom und Jim ihre Leben dabei lassen? Warum wurde keine Frage an Jim, Tom und Buck gestellt?“

„Es kam nicht dazu, es wurde sofort gekämpft“, sagte Parler sich entschuldigend. „Als ich aber sah, dass Miland, Skip und Hod zusammen mit einigen anderen Männern die Rinder zur Stampede brachten, wusste ich, dass es ein abgekartetes Spiel war. In diesem Augenblick fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Man wollte keine Erklärung, man wollte den Kampf und den Ausbruch der Stampede. Die Männer von der Carter-Crew sollten aus der Welt gebracht werden.“

„Wenn das so ist, dann geht es uns alle an“, wurde dem Vormann erwidert. „Seit Monaten werden gute Männer auf den Vorwerken entlassen und Kerle eingestellt, mit denen wir nicht warm werden konnten. Man braucht wohl nicht viel Phantasie zu haben, um die Wahrheit herauszufinden. By Gosh, wir alle hatten Scheuklappen vor den Augen. Wir alle sind an dem mitschuldig, was hier geschah. Wenn wir es weiter hinnehmen, dann kann es für alle zu spät sein.“

Niemand entgegnete etwas. Jeder empfand wohl den Druck, der über allen lag. Man schaute auf Parler. Der war voller Unruhe und sagte heiser: „Wir haben mit dazu beigetragen, dass Henry Carters Crew rechtlos wurde, dass jeder Mann der Crew ein Ausgestoßener wurde. Wir haben es hingenommen und uns weiter keine Gedanken gemacht. Mir scheint, wir haben uns wie Greenhorns an der Nase herumrühren lassen. Man hat uns alle zum Narren gemacht, und erst hier, beim Anblick des grausigen Geschehens, gingen uns die Augen auf. Man hat uns hier deutlich gezeigt, was geschehen wird, wenn Miland, Nelson, Hod und Skip die ganze Macht in die Hände bekommen. In verteufelt drastischer Art hat man uns Rindermännern ein Bild vor Augen geführt, das uns bis zu unserem Tode nicht verlassen wird. Asa Melvis musste sterben, und der Vater von Buck Jones, Jim Drake und Tom Lewis mussten ihr Blut hingeben, damit uns allen die Augen geöffnet wurden. Wenn wir jetzt die Hände in den Schoss legen, dann ergeht es uns wie Gail Datrys, der sterben musste, ohne zu wissen, auf welcher Seite er wirklich stand. Reiten wir, Männer! Reiten wir und stellen wir fest, wie weit wir die Topfhenkel und ihre Vorwerke säubern können. Wenn wir es nicht sofort tun, dann wird es zu spät sein.“

„Es ist vielleicht zu spät, Vormann“, meldete sich einer der Männer. „Wir begegneten Skip und Miland auf dem Weg hierher. Ich kann mir denken, dass sie zu unserem Boss wollen.“

„Dann werden wir das Letzte aus unseren Pferden herausholen müssen“, sagte Vormann Parler.

Jeder sah, dass Parler, von der Wucht der Erkenntnisse erschüttert, keine Sekunde verlieren wollte. Seine Angst, zu spät zu kommen, teilte sich auch seinen Männern mit. Sie schwangen sich in die Sättel und jagten los, als brenne der Sattel unter ihnen.

*

Zu spät? – Das Erwachen war in der Tat spät gekommen. Zu spät hatte man das Spiel durchschaut. Erst die Stampede von Henry Carters Rindern hatte ihnen die Augen geöffnet. Der Tod musste erst in drastischer Form zuschlagen. Vielleicht begriff der eine oder der andere nun, welche Bedeutung der Crew der Rechtlosen unter Henry Carters Führung zukam. Dan Bruce, ihr eigener Boss, hatte der Mannschaft befohlen, sich die Folgen der Stampede anzusehen. War ihm plötzlich eine furchtbare Erkenntnis gekommen, so furchtbar, dass jedem anständigen Cowboy und Rindermann seiner Crew die Augen aufgehen mussten? Wollte er, dass ihnen aus eigener Anschauung die Augen geöffnet werden sollten? Nur so konnte es sein, denn die Gewissheit, dass die eigenen Stiefbrüder gegen ihn waren, dass es diese Brüder waren, denen er vertraut, denen er gute Stellungen gegeben hatte, war ihm jetzt gekommen. Es war fast zu viel für Dan Bruce, als dass er es hätte allein tragen können.

„Hätte ich nur auf dich gehört, Darling“, sagte er zu seiner Tochter mit einer Stimme, aus der man die innere Erregung heraushören konnte. „Hätte ich nur Henry Carter mehr vertraut. Er hat es immer gut mit mir gemeint und mich vor Hod und Skip gewarnt. Ich hatte nichts dagegen, dass sie die Mannschaften auf den Vorwerken auswechselten. Ich glaubte ihnen, dass Henry dahinter steckte, als Rustler über die Herden kamen.“

Dan Bruce brach ab, denn die schrecklichen Bilder, die er in der Steilschlucht gesehen hatte, traten ihm vor Augen. Ganz allein war er zur Schlucht geritten. Nach seiner Rückkehr hatte er seine Männer dorthin geschickt. Er wollte die drückende Last nicht mehr allein tragen. Jeder sollte das Elend sehen, jeder Reiter, der noch ein Herz in der Brust hatte, sollte sich frei entscheiden können. Er hatte die Jagd auf Buck Jones nicht mitgemacht und hatte diese Sache Miland, Nelson und seinen Stiefbrüdern überlassen.

„Darling, ich habe mich gehen lassen“, sagte er zu Virginia, indem er vor ihrem Stuhl stehenblieb und ihr in die Augen schaute. „Ich habe in den letzten Wochen und Monaten viel zu viel schleifen lassen, denn ich glaubte nach dem Tod deiner Mutter, dass das Leben keinen Sinn mehr habe. Henry versuchte mich aufzurütteln, doch ich fuhr ihn grob an und sagte ihm, dass er mich in Ruhe lassen sollte. Mein alter Jähzorn beherrschte mich weiter, Mädel. Ich bin allein schuldig. Ich hätte Hod und Skip mehr auf die Finger sehen müssen. Ich war zu bequem geworden und vertraute darauf, dass meine Stiefbrüder ihre Sache richtig machen würden. Stattdessen …“

Mit der Faust schlug er wie nach einem unsichtbaren Gegner durch die Luft. Er atmete schwer und schaute Virginia an, die seinen Blick fest erwiderte und ruhig mit ihrem verbundenen Fuß im Lehnstuhl sitzenblieb.

„Ich hätte auf deine Warnung hören sollen“, sagte ihr Vater wie unter einem schweren seelischen Druck. „Ich hätte bereits Verdacht schöpfen müssen, als Asa Melvis mir seine Ranch unter dem Preis anbot. Ich hätte nachforschen sollen, warum er aufgab. Ich unternahm nichts und wurde noch wütend, als sein Cowboy Amok in der Stadt lief. Als er mir einen Streifschuss verpasste, war ich so

wütend wie Parler, dem er die Nase schief setzte. Ich ließ mich von meinen Brüdern vor den Karren spannen und tat alles, um der Topfhenkel und mir zu schaden. Es muss jetzt noch einen Ausweg geben, Mädel.“

Er brach ab, denn sein Blick, der von Virginia fortgewandert war, fiel auf die Reitergruppe, die gerade durch das Ranchtor ritt. Seine Augen weiteten sich.

„Ich Narr“, sagte er heiser. „Alle meine Reiter schickte ich zur Schlucht, jetzt kommt das bittere Ende.“

„Das Ende, Dad?“

„Mädel, Skip und Miland sind da. Sie haben Vorwerksreiter bei sich. Schau nur, Skips Reiter schwärmen auseinander, sie besetzen die Ranch. Skip tut ganz so, als wäre er bereits der Boss auf der Ranch. Wir sind verloren, Mädel!“

Seine Stimme brach mit einem heiseren, unwirklichen Laut ab. Sein bleiches Gesicht zuckte vor Nervosität. Er ging zum Waffenständer und nahm sich einen 45er Colt vom Regal herunter.

„Nicht so, Dad!“, hörte er Virginia sagen. „Du siehst zu schwarz. Skip ist dein Stiefbruder, er wird keinen Mord begehen. Er wird es in meiner Gegenwart nicht wagen, dreist zu werden. Kämpfe

nicht, Dad! Damit änderst du nichts. Sie haben die Ranch besetzt, und wir können nicht einmal fliehen. Schließe die Tür nicht, bitte, tu es nicht!“

„Nun gut, Virginia, ich habe keine Angst. Lassen wir es auf uns zukommen. Glauben diese Gents wirklich, dass sie nur herzukommen brauchen, damit ich zu Kreuze krieche? Sie täuschen sich sehr!“ Er setzte sich in Bewegung.

„Was willst du tun, Dad?“, fragte Virginia besorgt.

„Sie auf der Veranda erwarten, aufrecht, wie ein Mann, Darling. Sie sollen nicht glauben, dass ich so tief gesunken bin, dass ich auch meinen Mut verlor.“

„Ich komme mit dir, Dad!“ Sie erhob sich und humpelte auf ihn zu. „Es hat keinen Zweck, es mir verwehren zu wollen“, sagte sie dann.

„Doch, Darling! Man wird sagen, die Gegenwart seiner Tochter muss ihm als Schutz dienen. Ich käme mir verdammenswert vor, wenn ich das zuließe. Bleibe hier, setze dich und warte ab.“

Er ließ sie stehen und öffnete die Verandatür. Er sah ihre Hände nicht, die nach ihm ausgestreckt waren, als wollten sie ihn zurückhalten. Er sah auch nicht, dass ihre Augen feucht waren und ihre bebenden Lippen murmelten: „Gott schütze dich, Dad!“

Auch wenn er es gehört hätte, es würde ihn nicht zurückgehalten haben. Aufrecht und gerade, so trat er auf die Veranda hinaus, gerade als Skip und Sheriff Miland von ihren Pferden sprangen.

„Der große Boss“, hörte er seinen Stiefbruder höhnisch zu Miland sagen, der heute eigenartigerweise keinen Sheriffstern am Rockaufschlag trug. „Er macht uns die Ehre, uns persönlich zu empfangen. Vergib dir nur nichts, Bruder.“

Noch nie hatte Skip gewagt, so zu Dan Bruce zu sprechen. Noch nie war er hier so arrogant und selbstgefällig aufgetreten. Dan hätte keines deutlicheren Beweises mehr bedurft. Sein Gesicht glich einer aus Stein gehauenen, leblosen Maske. Nur die Augen brannten.

„Keinen Schritt weiter, ihr beiden!“, sagte er zu seiner eigenen Verwunderung mit einer glashart klingenden Stimme, die augenblicklich Wirkung ausübte und beide in der Tat stoppte.

Ja, Miland und Skip, die auf ihn zukommen wollten, blieben in zehn Schritten Abstand vor der Veranda stehen. Sie blickten zu Dan herauf, als wären sie überrascht. Miland grinste dabei und sagte: „Kannst du keinen Scherz vertragen, Dan? Skip hat allen Grund zum Scherzen. Es gibt keine Rustler mehr. Sie sind getötet worden und in die Flucht geschlagen. Es wird nun aufwärts im Lande gehen.“

„Erspare dir deine verteufelten Lügen, Miland!“, unterbrach ihn Dan Bruce. „Keiner weiß besser als du, dass es nicht stimmt.“

Miland zuckte wie unter einem Peitschenhieb getroffen zusammen. Sein hämisches Grinsen erlosch augenblicklich.

„Was willst du damit sagen, Dan Bruce? Etwa, dass du deinen eigenen Brüdern misstraust? Dir ist wohl vor deinem eigenen Mut bange geworden. Der Katzenjammer packt dich, weil du selbst die Stampede ausgelöst hast und zwei Männer aus den Sätteln fielen. Was ist nur mit dir los, Topfhenkel-Boss? Ist dir gar Henrys Geist begegnet?“

„Vielleicht stimmt es!“, unterbrach Dan Bruce ihn, in dessen Augen helle Lichter flammten. „Vielleicht sagten mir Henry Carter und mein verstorbener Schwiegervater im Traum, dass ich in den Breaks die gestohlenen Rinder suchen soll, dass ich Henry und seiner Crew bitter Unrecht tat.“ Seine Stimme hatte einen stählernen Klang, als er fortfuhr: „Ich habe lange gebraucht, um hinter das böse Spiel zu kommen. Jetzt macht man mir nichts mehr vor. Ich verwünsche den Tag, an dem ich Skip und Hod eine Chance gab!“

Als er das sagte, schaute er Skip nicht einmal an. Er tat so, als wäre Skip gar nicht vorhanden. Um so fester behielt er Miland im Auge, der der entschieden gefährlichere und schnellere Mann war. Miland kannte keine Hemmungen. Das zeigte sich, als er sich zu Skip wandte und mit einem rauen Lachen sagte: „Dein großer Bruder, mein Junge, ist doch einige Klassen größer als du und Hod. Nur schade, dass er zu spät erwacht ist. Sieh dich nur um, Topfhenkel-Rancher, deine große Erkenntnis nützt dir nichts mehr. Das große Spiel von einem Boss in einem Rinderreich ist aus!“

„Das klingt ehrlich, Miland“, unterbrach Dan Bruce ihn. „Solche Ehrlichkeit habe ich am allerwenigsten von dir erwartet. Skip ist selbst zu feige dazu.“

„Du hast von ihm und Hod zu viel verlangt, Dan Bruce“, erwiderte Miland mit einem kalten Grinsen. Die Tatsache, dass er die nüchterne und entsetzliche Wahrheit sagte, war wohl nur dem Umstand zu verdanken, dass Dan die 45er ins Halfter gesteckt hatte und die Meute der Vorwerkreiter die Ranch bereits besetzt hatte. Sicherlich schätzte Miland sich schneller ein als den Mann, der so trotzig seine Stirn zeigte und keineswegs ängstlich auf der Veranda stand. Miland hielt ein Spielen mit falschen Karten nicht für nötig.

„Deine Brüder, Rancher, taugen nichts“, sagte Miland so hämisch, dass dem hinter ihm stehenden Skip das Blut zu Kopf stieg. „Beide begnügen sich mit sehr untergeordneten Rollen. Sie haben beide nicht dein Format, Rancher. Saufen und spielen und ihr Geld mit Weibern durchbringen, das sind einige ihrer hervorstechendsten Merkmale. Sie werden dein Riesenland nicht übernehmen. Ich werde es sein!“

„Du, Miland?“, sagte Dan Bruce mit seltsam sanfter Stimme. „Überschätzt du dich nicht etwas?“

„Ich mache keinen Fehler, Ranchboss! Ich habe alle Trümpfe in der Hand! Wenn du klug bist, dann siehst du es ein, und wir werden uns einigen.“

Dan Bruce war kein langsam schaltender Mann.

„Das ist sehr großmütig von dir, Miland“, sagte er prompt. „Ein Haar ist allerdings in der Suppe. Meinem Stiefbruder Skip zuliebe zögerst du bestimmt nicht so lange mit dem Eisen. Was ist also der Grund, Miland?“

„Ich habe gleich gewusst, dass man mit dir wie unter Männern verhandeln kann“, sagte Miland und schien erfreut zu sein. „Du bist keineswegs so schwerfällig, wie ich annahm und weißt eine offene Aussprache zu schätzen. Nun gut, du lebst noch, weil du eine Tochter hast, Rancher. Sie soll nicht von ihrem zukünftigen Mann sagen können, dass er ihren Vater niederschoss. Das wäre doch unangenehm, oder?“

Unverschämter und dreister konnte kein Mann sein. Miland schien ein Ausbund an Unverschämtheit, Gemeinheit und Skrupellosigkeit zu sein. Er kannte keine Hemmungen mehr. Dan Bruce durchschaute ihn jetzt erst richtig. Er schauderte vor dem Abgrund, der sich in Milands Worten offenbarte. Er wunderte sich, dass sein Jähzorn ihn noch nicht die 45er hatte herausreißen lassen, dass er sich noch immer so in der Gewalt hatte. Die Kälte in ihm weitete sich bis in die Fingerspitzen aus. Vielleicht hielt er sich auch nur zurück, um es noch weiter auf die Spitze zu treiben. Vielleicht sagte er sich, dass es so kommen musste, dass er einmal erkennen musste, in was für einen Sumpf er geraten war, dass man es sogar wagte, ihm am helllichten Tage Gemeinheiten ohne Scheu zu sagen.

„Miland, wie groß glaubst du zu sein?“, fragte er seinen Gegner.

Miland hatte sicherlich eine ganz andere Frage als diese erwartet. Er schien etwas betroffen zu sein. Er war aber schlagfertig genug, um sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.

„So groß, dass ich dir ein würdiger Nachfolger sein werde, Ranchboss“, erwiderte er anmaßend frech.

„Nun gut, dann probieren wir es aus. Zieh, Miland!“

Miland glaubte nicht recht gehört zu haben. Er hatte mit einem Nachgeben des Ranchers gerechnet, wenn er sich auch im Stillen eingestehen musste, dass die Antwort und Herausforderung des Ranchbosses ihm imponierten. Erstaunt war er über die kalte Ruhe des Gegners. Es war eine harte, unbeugsame Ruhe, wie Miland sie nur von Männern kannte, die alle Angst vor dem Tod verloren hatten. Jetzt wurde ihm klar, dass Dan in seiner besten Zeit zu Recht als ein guter Nachfolger von Carter gegolten haben musste. Dieser Mann war von einer unerbittlichen Härte erfüllt.

„Ich will dir sagen, was du bist, Miland: ein übelriechender, dreckiger Skunk, ein Hundesohn, den man von der Welt fegen muss. Zieh Miland, zieh!“

Dan Bruces Hand bewegte sich. In diesem Moment klirrte hinter ihm das Fenster. Ein Schrotbüchsenlauf schob sich über den Sims. Hinter der Schrotbüchse stand Virginia.

„Verschwindet, ihr zwei!“, sagte sie mit schriller Stimme, aber so entschlossen, dass Miland mitten in der raschen Handbewegung zum Colt innehielt. Seine Augen zogen sich vor Wut schmal. Skip duckte sich, er war jetzt sehr bleich geworden.

„Mach keine Dummheiten, Mädel, ich bin dein Onkel! Du wirst doch nicht auf deinen Onkel schießen wollen“, stieß er hervor.

„Das stört mich nicht, ich werde schießen!“

Der Hahn knackte laut vernehmbar.

„Es war alles nur ein Scherz“, versuchte Skip sie zu beschwichtigen.

Sie ging nicht darauf ein. „Deine Scherze sind übel genug“, entgegnete sie. „Verschwinde mit deinem Freund!“

Man spürte, dass sie schießen würde. Die Gefahr, in der ihr Vater sich befand, würde sie handeln lassen. Es hatte keinen Sinn, mit ihr zu verhandeln. Skip erkannte das und zog sich langsam zu seinem Pferd zurück. Nur Miland zögerte noch.

„Madam, Sie hätten Skip gleich hier behalten können“, sagte er mit bösem Grinsen. „Ich habe für ihn kaum noch eine Verwendung.“

Er grinste stärker und zog sich langsam rückwärts schreitend zurück, weder das Mädchen noch Dan Bruce aus den Augen lassend.

„Komm ins Haus, Dad“, sagte Virginia, die die Absicht Milands augenblicklich erkannte. „Komm in Deckung, Dad.“

Dan Bruce begriff es wohl nicht sogleich. Er war noch zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt. In diesem Augenblick hatte Miland auch schon die Ecke des Schuppens erreicht. Vielleicht handelte Dan Bruce instinktiv, als er sich fallen ließ. Die ihm zugedachte Kugel schlug über ihn hinweg und in das Holz der Tür hinein. Im Fallen schoss er, doch auch seine Kugel ging daneben. Vom Fenster her krachte die Schrotladung. Skip, der beim Aufrasen der Schüsse entsetzt zu den Pferden weiter gerannt war, überschlug sich im Laufen und blieb mitten auf dem Ranchhof liegen.

Miland war noch in einem Hechtsprung vor dem Krachen der Schrotbüchse hinter der Schuppenecke untergetaucht. Dan Bruce rollte sich herum und wollte ins Haus fliehen. Er wollte es, doch hinter der Schuppenecke flammte das Licht hell und in die Augen stechend hervor. Der Ranchboss spürte einen Schlag gegen seinen linken Oberschenkel und noch einen gegen das rechte Bein, dann fiel er der Länge nach in das Wohnzimmer hinein, in das er gerade hatte in Deckung springen wollen.

Über ihn weg schoss Virginia aufrecht stehend zur Schuppenecke hin, dass das Holz dort prasselte und Holzsplitter durch die Luft stoben. Sie überhörte den Hufschlag heranjagender Reiter, und es kam ihr kaum zu Bewusstsein, dass die Luft mit einem Schlag von aufrasenden Revolverdetonationen erfüllt war. Die rauchende Waffe glitt ihr aus der Hand. Sie taumelte auf ihren verwundet am Boden liegenden Vater zu und warf sich über ihn.

„Dad, hörst du mich, Dad?“

„Darling, Mädel, es ist gut, dass du bei mir bist. Es hat mich an den Beinen erwischt. Zieh mich ganz hinein und schlage die Tür zu.“

Sie befolgte seine Aufforderung. Sie zog mit aller Kraft und schaffte es, ihn bis auf den Teppich zu ziehen. Dann ließ sie ihn los und warf die Tür zu, die sie schnell von innen verriegelte. Jetzt erst kam ihr das Geschrei angreifender Cowboys und das Detonationsgebrüll von Colts ins Bewusstsein.

„Dad, unsere Cowboys kamen zurück! Es wird noch alles gut werden, Dad!“

Dan Bruce hörte ihre herausgeschrienen Worte nicht mehr. Er war bereits in eine tiefe Ohnmacht gesunken. Ein wenig später hatten Topfhenkel-Reiter die Ranch freigekämpft und fanden sie neben ihrem ohnmächtigen Vater kniend damit beschäftigt, ihn zu verbinden. Sie sah kaum auf, als Parler ihr wortlos mithalf.

Heiser fragte sie: „Habt ihr Miland?“

„Nein, Madam, er konnte uns entwischen.“

„Was ist mit Skip?“

„Er lebt, Madam, aber er wird Wochen brauchen, bis er wieder richtig hergestellt ist. Es war sein Glück, dass Sie mit Schrot und nicht mit Kugeln geschossen haben. Ich werde mich jetzt um Ihren Vater kümmern. Nur keine Sorge, er wird durchkommen. Was zu tun ist, haben wir vorerst getan. Das andere wird der Doc erledigen müssen.“

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