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Messinstrumente für alltägliches Aufschieben

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General Procrastination Scale (GP oder GPS) von Lay (1986). Der Fragebogen erfasst mit 20 Items konkrete Verhaltensweisen bei verschiedenen alltäglichen Aufgaben und Überzeugungen zu alltäglichen Situationen (z.B.: „A letter may sit for days after I write it before I mail it.“), (vgl. Ferrari et al., 1995, p. 57). Eine deutschsprachige Kurzskala (student version: somit auch geeignet zur Erfassung akademischer Prokrastination) wurde von Klingsieck & Fries (2012) vorgelegt. Anhang A 01 und A 02

Adult Inventory of Procrastination (AIP) von McCown und Johnson (1989, zitiert nach Ferrari et al., 1995, p. 64). Anhand von 15 Items werden konkrete Verhaltensweisen, aber auch Meinungen und Überzeugungen zu alltäglichen Situationen erfragt (z.B.: „My friends and family think I wait until last minute“). Díaz-Morales, Ferrari, Díaz & Argumendo (2006) führten eine Faktorenanalyse durch und konnten zwei Faktoren nachweisen: fehlende Pünktlichkeit und fehlende Planung. Anhang A 03

Decisional Procrastination Scale (DP) von Mann (1982; zitiert nach Ferrari et al., 1995, p. 62), siehe Fragebogen leicht geändert in Mann, Burnett, Radford & Ford (1997, p. 12). Der Fragebogen erfasst mit fünf Items Verhaltensweisen in wichtigen Entscheidungssituationen (z.B.: „I delay making decisions until it is too late“). Anhang A 04 und A 05

Tel-Aviv Procrastination Inventory (TAP) von Sroloff (1983; zitiert nach Ferrari et al., 1995, p. 66ff.) enthält 54 Items, die sich auf die Einhaltung des Zeitrahmens und die einfache Planung und Terminierung bei bestimmten Aufgaben konzentrieren. 38 Items erfassen Prokrastination im Alltag (Rechnungen bezahlen, Zahnarztbesuch, Besuch im Krankenhaus etc.). 16 der 38 Items richten sich auf Arbeitssituationen und Aufgaben im akademischen Bereich (vgl. Milgram et al., 1988, p. 202). Die Autoren verweisen jedoch darauf, dass diese Items nicht konzipiert wurden, um damit akademische Prokrastination zu messen. Da der Originalfragebogen (Sroloff, 1983) nicht zugänglich ist, orientiert sich die taxonomische Zuordnung des Fragebogens in diesem Buch (s. Tabelle 2) an den Angaben in der Literatur (Milgram et al., 1988; Ferrari et al., 1995).

Active procrastination von Chu und Choi (2005). Die Autoren unterscheiden zwischen einer positiven Prokrastinationsform (active procrastinators) und einer negativen (passive procrastinators). Zur Messung der aktiven Prokrastination konzipieren Chu und Choi (2005, p. 252) eine Skala, die explizit das positive Umgehen mit Zeitdruck erfasst (z.B.: „I tend to work better under pressure“ oder „I feel that putting work off until the last minute does not do me any good“ [reverse coded]). Diese Skala kann auch der akademischen Prokrastination zugeordnet werden (s. Tab. 2).

Die im Ferrari-Modell (vgl. Steel, 2010) erstmals vorgenommene Dreiteilung in Erregungs-, Vermeidungs- und Entscheidungsprokrastination wurde mit dem Fragebogen von Lay (1986; GP oder GPS, General Procrastination Scale) und dem AIP (Adult Inventory of Procrastination) von McCown und Johnson (1989) untersucht. Ferrari kam aufgrund der extrem niedrigen Korrelationen zwischen beiden Fragebögen zu dem Schluss, dass damit unterschiedliche Formen des Aufschiebens gemessen werden (Ferrari, 1992, p. 102). Ferrari vermutete, dass mit dem GP vor allem Erregungsprokrastination erfasst wird, während der AIP Vermeidungsprokrastination misst, da hier das Aufschieben vor allem dazu dient, das Selbstwertgefühl zu schützen, oder aus Angst vor Misserfolg stattfindet. Zu dieser Schlussfolgerung kommt Ferrari (1992) aufgrund der Ergebnisse der durchgeführten Faktorenanalysen. Die Skalen zum Selbstwertgefühl und zur Vermeidung von Informationen eigener Fähigkeiten luden auf demselben Faktor wie der AIP. Die später von Ferrari und Mitarbeitern einbezogene dritte Prokrastinationsart, die Entscheidungsprokrastination, wurde mit dem DP (Decisional Procrastination Questionnaire) von Mann (1982) gemessen. Während sich die beiden Fragebögen GP und AIP laut Steel (2010, p. 4) auf das Verhalten richten, erfasst der DP das Aufschieben von Entscheidungen.

Steel (2010) versuchte, anhand einer Stichprobe von ca. 4000 Personen, die an verschiedenen Studien teilgenommen hatten, die Differenzierung in drei Formen Erregungs- (arousal), Vermeidungs- (avoidant) und Entscheidungsprokrastination (decisional) zu belegen. Er überprüfte die Hypothese, indem er zunächst eine Metaanalyse und anschließend eine Faktorenanalyse durchführte. Die Metaanalyse umfasste 156 Studien, in denen folgende Prokrastinationsfragebögen verwendet worden waren (siehe Steel, 2010): AIP (mit 15 Items; vgl. McCown & Johnson, 1989), GP (20 Items; vgl. Lay, 1986), DP (5 Items; vgl. Mann, 1982), PASS (12 Items; vgl. Solomon & Rothblum, 1984) und TPS (16 Items; vgl. Tuckman, 1991). Die Fragebögen erfassen sowohl akademische als auch alltägliche Prokrastination und Entscheidungsprokrastination. Die Interkorrelationen der fünf Fragebögen sind unterschiedlich hoch, wie schon in früheren Studien für einige Fragebögen (z.B. Ferrari, 1992) nachgewiesen werden konnte. Auch Steel (2010) geht davon aus, dass die geringen Korrelationen der beiden Skalen AIP (Adult Inventory of Procrastination) und GP (General Procrastination Scale) die Schlussfolgerung nahelegen, dass beide Skalen unterschiedliche Formen der Prokrastination messen. Während der AIP eher die Vermeidungsprokrastination erfasst, indem Furcht vor Misserfolg thematisiert wird, richtet sich der GP eher auf den Wunsch nach Erregung. Für die dritte Art der Prokrastination, die mit dem DP erfasst wird und bei der die (fehlende) Entscheidungsfähigkeit der Person im Vordergrund steht, zweifeln bestimmte Autoren an, ob es sich bei diesem dem Fragebogen zugrunde liegenden Konstrukt tatsächlich um Prokrastination handelt oder ob die Verzögerung von Entscheidungen eher dem Selbstwertschutz der Person dient (vgl. Anderson, 2003).

Die Ergebnisse zeigen laut Steel (2010), dass noch am ehesten die Unterscheidung zwischen Vermeidungs- und Erregungsprokrastination nachweisbar, jedoch die Differenzierung in drei Prokrastinationsarten nicht haltbar sei. Aber auch die Unterteilung in eine negative (avoidant) und positive (arousal) Prokrastination ist nach Steel (2010) letztendlich fraglich, da es sich beim Aufschiebeverhalten um eine irrationale Verzögerung handelt.

In seinen jüngsten Publikationen vertritt Steel (2011) mit Verweis auf neurobiologische und evolutionsbiologische Forschungen sogar die These, dass Prokrastination im Erbgut des Menschen angelegt sei:

„Die wahren Ursachen des Aufschiebens sind zum Teil genetischer Natur und in unserem Gehirn angelegt, weshalb das Phänomen in sämtlichen Kulturen und Epochen bekannt war. Doch auch die Umwelt spielt eine Rolle: Sie ist zwar nicht dafür verantwortlich, dass wir aufschieben, sehr wohl aber dafür, wie gern und wie häufig.“ (Steel, 2011, S. 12)

Konsequenterweise schlägt der Autor deshalb eine neu konzipierte Einheitsskala vor, die sich aus faktorenanalytisch überprüften Items der einzelnen Skalen zusammensetzt. Die angeführten empirischen Studien liefern jedoch nur einen indirekten Beleg für die These von Steel. Die Ausführungen des Autors zeigen aber auch, dass eine völlig andere Sichtweise des Phänomens „Prokrastination“ als die bislang vertretene denkbar und möglich ist.

Da akademische Prokrastination rein quantitativ intensiver erforscht worden ist als alltägliche Prokrastination, existieren eine Reihe von Messinstrumenten. Die nachfolgend aufgeführten sechs Fragebögen sind recht gebräuchlich, wobei die meisten Skalen Prokrastination als überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal (trait) erfassen. Der APSI von Schouwenburg (1995) erfasst explizit Prokrastination (state), indem schon in der Fragebogeninstruktion der Zeitraum, für den die Items zu beantworten sind, „auf die letzte Woche“ begrenzt wird. Einige Messinstrumente nehmen keine explizite Differenzierung vor.

Aufschieben, Verzögern, Vermeiden

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