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2.2. Messung von Prokrastination in experimentellen Settings

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In laborexperimentellen Untersuchungen wird Prokrastination u.a. anhand von Verhaltensbeobachtungen gemessen. Sigall et al. (2000) untersuchten in ihrem Laborexperiment den Zusammenhang zwischen Wunschdenken (unrealistischem Denken, gemessen mit der Wishful Thinking Scale [WTS] von Sigall, Kruglanski, Stangor & Fyock, 1997) und Prokrastination. Die Autoren operationalisieren Prokrastination als die Zeit, die Teilnehmer benötigen, um vom Warteraum zum Experimentalraum zu gehen. Eine Hälfte der Gruppe erwartet eine angenehme, attraktive Aufgabe (einen interessanten Text lesen, zu dem detaillierte Fragen beantwortet werden sollen), die andere Hälfte der Gruppe eine unangenehme Aufgabe (einen langweiligen technischen Bericht lesen). Beide Gruppen erhalten vorher Anweisungen, die eine erfolgreiche Aufgabenlösung ermöglichen. Teilnehmer mit ausgeprägtem Wunschdenken beginnen später mit der Aufgabenbearbeitung, d.h., sie benötigen längere Zeit, bevor sie im Experimentalraum ankommen. Die Verzögerung tritt jedoch nur bei einer unangenehmen Aufgabe auf. Wunschdenker sind offensichtlich der Meinung, dass sie die Aufgabe auch dann noch erfolgreich lösen können, wenn sie später anfangen, und sie schieben stärker auf als Personen ohne Wunschdenken.

Auch in dem Laborexperiment von Ferrari und Tice (2000) wird Prokrastination gemessen als Zeitverzögerung, die vor Beginn einer Aufgabe und/oder vor Abschluss einer Aufgabe auftritt. Zunächst beurteilen sich alle Personen auf einer Selbsteinschätzungsskala chronischer Prokrastination (General Procrastination Scale, GPS, Lay, 1986). Dann wird ihnen mitgeteilt, dass ihre Leistung in einem Mathematiktest gemessen werden soll. Es wird ihnen jedoch freigestellt, entweder den Test zu machen oder sich mit anderen, angenehmeren Dingen (Puzzle lösen, Videospiel spielen) zu beschäftigen. In der ersten Studie widmen sich die prokrastinierenden Personen ca. neun bis fünfzehn Minuten (60 Prozent der Zeit) den angenehmen Dingen. In der zweiten Studie wird der gleiche Mathematiktest als lustiges Spiel eingeführt. Hier zeigen sich keine Unterschiede mehr zwischen prokrastinierenden und nicht prokrastinierenden Personen, obwohl in beiden Studien der besagte Mathematiktest zuvor als ein wichtiger Test zur Evaluation kognitiver Fähigkeiten bezeichnet wurde. Durch die zwanglose Einführung des Mathematiktests als eine Art Freizeitbeschäftigung wird offenbar den prokrastinierenden Personen die Angst vor einem Misserfolg genommen.

Die Kritik an solchen laborexperimentellen Studien besteht vor allem in der fehlenden ökologischen Validität der Ergebnisse. Die Befunde sind schon deshalb nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar, weil unterschiedliche Tests zur Messung von Prokrastination verwendet werden, die Operationalisierungen unterschiedlich sind und häufig nur zeitlich sehr kurzfristige Effekte gemessen werden.

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