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Kapitel 7

Wohin geht der Weg?

– Wie wir uns entwickeln (same, same, but different)


Vorweg sei gesagt, dies wird kein Kapitel über Entwicklungspsychologie, denn dazu wären komplette Bücher zu füllen. Auch geht es mir nicht darum, ein Entwicklungsmodell hervorzuheben oder dies als „richtig“ herauszustellen. Es gibt noch einige weitere, als die hier genannten. Falls du tiefer in das Thema einsteigen möchtest, findest du sowohl im World Wide Web als auch in der Literatur vielerlei Publikationen hierzu.

Doch möchte ich einen kurzen Einblick in die menschliche Entwicklung geben, da es hilfreich ist, ein bisschen Wissen hierüber zu haben, um Menschen, und in unserem Fall die Jugendlichen, etwas besser zu verstehen. Das gilt im Übrigen auch für dich selbst.

7.1Entwicklung mit lebenslanger Garantie

Die kognitive Entwicklung des Menschen erfolgt schrittweise und dauert ein Leben lang an (Stichwort: Hirnplastizität). Während dieser Entwicklung entstehen kontinuierlich neue/andere Variationen und Modifikationen. Die Neubildung von kognitiven Schemata und Strukturen entwickelt sich in einzelnen Abschnitten. Zur kindlichen Entwicklung gibt es diverse Modelle.

Ein Name, an dem man nicht vorbeikommt, ist Jean Piaget (1896-1980). Er forschte über 40 Jahre und gilt als Urvater der Entwicklungspsychologie. Er prägte in seiner Anschauung die beiden Begriffe der Adaption (Anpassung) und Assimilation (Verschmelzung), die er als ein wesentliches Wechselspiel in der Entwicklung sah.

Sein vierstufiges Modell zur kindlichen Entwicklung wird auch heute noch gelehrt. Er fand heraus, dass sich bei allen Menschen die Entwicklung durch dieselben Muster vollzieht. Er benannte zu jeder Stufe ungefähre Lebensalter, die jedoch einer gewissen Variabilität unterliegen. Die Stufen an sich folgen jedoch stets aufeinander, da die jeweils vorangegangene Stufe für das Erreichen der nächsten notwendig ist.

Piaget ging davon aus, dass wir Interaktion mit der Umwelt sowie aktives Handeln für unsere Entwicklung benötigen. Dies steht im Gegensatz zur Psychoanalyse, die von einem rein triebgesteuerten Modell ausgeht. Heute geht man jedoch davon aus, dass das Lebensalter der einzelnen Stufen früher zu datieren ist, da die Kinder diese, in den meisten Fällen früher, als von Piaget postuliert, erreichen.

Ein anderes Entwicklungsmodell, das weit verbreitet ist, stammt von Erik H. Erikson. Der Psychoanalytiker entwickelte ein achtstufiges Modell zur psychosozialen Entwicklung. Das Besondere an diesem Modell ist, dass jede Phase gekennzeichnet ist durch ihre Gegensätze. In jeder Stufe stehen sich zwei Komponenten gegenüber (vgl. Garz, 2008).

In der ersten Phase sind das Urvertrauen vs. Urmisstrauen. Erikson ging davon aus, dass jede Phase der Entwicklung auch eine Krise beinhaltet, die es zu überwinden gilt. Die für uns interessanten Phasen wären hier das Schulalter, welches durch die Gegensatzpaare Überlegenheit und Unterlegenheit gekennzeichnet ist. Wichtige Beziehungen sind hier Schule und Nachbarschaft.

In der Phase der Adoleszenz beschreibt Erikson die Gegensatzpaare Identität vs. Verwirrung und nennt als wichtige Beziehungen die Peergroups sowie fremde Gruppen. Schauen wir noch das nächste Stadium an, das sogenannte frühe Erwachsenenalter, welches durch Vertrautheit vs. Isolation und die Beziehungen zu Partner, Freundschaft, Sexualität, Wettbewerb und Zusammenarbeit gekennzeichnet ist.

Die Entwicklungsphase der Jugendlichen ist also, wenig verwunderlich, gekennzeichnet von der Suche nach Identität und einer (häufig großen) Verwirrung. Gerade jetzt braucht es Begleiter an ihrer Seite, die sie ernst nehmen, bei denen sie sich verstanden fühlen und an denen sie sich auch einmal reiben dürfen. Denn genau das ist ebenso wichtig wie wertvoll.

Es braucht nicht den Begleiter, der immer alles versteht und/oder gutheißt. Es braucht Menschen, die das nötige Standing haben, damit man sich an ihnen reiben kann. Die man auch mal infrage stellen darf und die sich auch Diskussionen und unangenehmen Fragen stellen. Das bedeutet für uns als Begleiter, dass wir gut über uns selbst Bescheid wissen.

◊Was sind meine eigenen Schatten?

◊Wie bewerte ich?

◊Welche Glaubenssätze habe ich?

◊Welche Werte sind mir wichtig?

◊Wie habe ich mich selbst in der Phase des Heranwachsens erlebt und gefühlt?

7.2Was brauchen die Jugendlichen von dir?

Die Arbeit und Begleitung von Menschen ist also immer auch eine Einladung an uns selbst, genau hinzuschauen. Auf der großen Entdeckungsreise nach unserem wahren Selbst (oder wie auch immer du es nennen magst) zu sein. Neugierig zu bleiben. Offen für Neues. Fragen zu stellen. Ehrlich zu sein. Vor allem aber nicht dem anmaßenden Glauben anheimzufallen, dass wir wüssten, wie es geht oder gar die Lösung parat haben.

Für mich ist das immer ein Warnsignal, wenn jemand behauptet, er wüsste für jemand anderen, wie es geht. Denn genau das kann nicht funktionieren, denn so ähnlich wir uns in vielem sind oder gar gleichen, so unterschiedlich ist unser Erleben durch unsere individuellen Prägungen. Sei also ein authentischer und vor allem ehrlicher Begleiter.

Partizipation ist ein wichtiges Stichwort in unserer Arbeit (und auch im (Familien-)Leben). Es bedeutet so viel wie teilhaben, mitbestimmen, mitwirken und ist ein zentrales Thema in der Arbeit mit Menschen.

In unserer pädagogischen Arbeit sind wir in den Bildungsinstitutionen sogar gesetzlich verpflichtet, Kinder und Jugendliche am Geschehen teilhaben und mitwirken zu lassen (UN-Kinderrechtskonvention Art. 12, KJHG §8, 45 SGB VIII). Wir alle wollen partizipieren, bedeutet dies doch auch, dass wir Resilienz und Selbstwirksamkeit fördern. Zudem erfüllt es auch unsere Grundbedürfnisse nach Wert, Bindung und Autonomie.

Wie gutes Lernen (und dazu gehört auch die Partizipation) gelingen kann, hat John Hattie (2020), ein neuseeländischer Professor für Erziehungswissenschaften, in einer groß angelegten Studie untersucht. Dazu hat er über 15 Jahre 800 Metaanalysen ausgewertet, an denen insgesamt 250 Millionen (!) Schüler beteiligt waren.

Er wollte herausfinden, welche Faktoren sich auf den Lernerfolg in welcher Stärke auswirken und kam zu einem wichtigen Ergebnis, das für viele Lehrer wegweisend ist (oder sein sollte). Die wichtigsten Faktoren hierbei sind die inhaltliche Klarheit des Unterrichts, ein gutes Schüler-Lehrer-Verhältnis (Stichwort Bindung), dass der Lehrer konstruktiv Feedback an seine Schüler gibt, rhythmisiertes Üben (Wiederholen, Vertiefen) und die Förderung selbstgesteuerten Lernens (Hattie, 2020). Diese Erkenntnis lässt sich für uns auch ganz hervorragend auf unseren Unterricht in Yoga und Achtsamkeit übertragen.

Deshalb noch ein kleines Erinner-mich für dich:

Du musst nicht alles wissen. Du musst nicht alles lösen. Auch du hast Gefühle und Bedürfnisse!

Was du tun kannst:

◊Nimm die Jugendlichen ernst, vor allem auch in ihrer aktuellen Lebenssituation.

◊Lade die Jugendlichen ein, den Unterricht mitzugestalten, bleibe dran an ihren Themen.

◊Sei neugierig.

◊Inspiriere die Jugendlichen und genauso lasse dich von ihnen inspirieren.

◊Erinnere dich an deine eigene Pubertät, wir kennen alle das Gefühl, nicht so recht zu wissen, wo es hingehen soll.

◊Kreiere gemeinsam mit den Jugendlichen eine Atmosphäre, in der sich alle Beteiligten (auch du) wohlfühlen.

◊Habe Freude an dem, was du tust! Deine Freude am Tun wird sich auf die Jugendlichen übertragen.

◊Alles ist Yoga – es muss nicht immer der Asanateil im Vordergrund stehen. Nimm wahr, welche Bedürfnisse der Jugendlichen aktuell dran sind!

◊Sei du selbst und im besten Fall liebe und lebe, was du tust!

Yoga für Jugendliche

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