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David

Magenza, April 1096

Ein kleiner Mann, der die Kutte eines Einsiedlers trug und auf einem einfachen Maultier ritt, führte den Zug an. »Das muss Peter sein«, raunte Marcus David zu.

»Peter?«, fragte er zurück.

»Peter von Amiens, der Prediger. Viele nennen ihn wegen der Kutte auch Peter den Einsiedler«, erklärte Marcus, der wie sein Freund an der Schwelle zum Mannesalter stand. Als habe der kleinwüchsige Mönch sie gehört, verweilte sein stechender Blick kurz auf den beiden Jungen. David fröstelte. Dem Mönch folgten einige Ritter, aber bald schon ersetzten Bauernkittel und manches geflickte oder zerrissene Gewand die rostigen Kettenhemden des niederen Adels. Alles in allem kein glänzender Eindruck.

»Das ist das Heer der Christenheit?«, fragte David seinen Freund ungläubig. »Das Heer König Heinrichs, das auf dem Weg nach Italien hier durchkam, sah aber viel prächtiger aus.«

»Das sind auch nur die armen Schlucker«, flüsterte Marcus bedeutungsvoll. »Die hohen Herren und Ritter sollen erst im Mai überhaupt aufbrechen.« Doch auch die »armen Schlucker« füllten die Stadt. David hatte den Einzug der Gotteskrieger am St.-Quintin-­Tor, hinter dem nicht nur die gleichnamige Kirche, sondern auch die Synagoge lag, beobachtet. Doch nun hatte er Schwierigkeiten, durch die vollen Straßen bis zum Flachsmarkt und dem Haus des Onkels zu gelangen. Die Stimmung unter Fremden und Einheimischen war gereizt und die Mannen des Bischofs patrouillierten wie zum Krieg gerüstet in kleinen Haufen durch die Gassen. David erreichte das Haus des Onkels gleichzeitig mit Jehuda, dem Kaufmann aus dem Friesenviertel und Rubens Stellvertreter in der Gemeindeleitung. Doch Jehuda war so aufgeregt, dass er David keinerlei Beachtung schenkte. »Peter der Einsiedler hat einen Brief unserer Brüder aus Tours vorgelegt«, rief er Ruben entgegen, kaum dass Johanna, die christliche Magd der Familie, die Tür des stattlichen Hauses geöffnet hatte.

»Gott zum Gruß, Bruder Jehuda«, antworte Ruben ernst. »Du hast den Anführer der Kreuzfahrer getroffen?«

»Ich war im Bischofspalast, als Peter dorthinkam. Und es traf sich gut, denn nach kurzer Zeit ließ Ruthard mich in seine Gemächer rufen und dort wurde mir von Peter eben dieser Brief vorgelegt.«

»Und was schreiben die Brüder?«, drängte Ruben, nun ebenfalls mit vor Aufregung gerötetem Gesicht. Ein Zustand, den David an seinem sonst immer ruhigen und überlegten Onkel noch nie gesehen hatte.

»Es ist eine Art Empfehlungsschreiben. Die Brüder aus Tours versichern Peter darin, dass wir Juden am Rhein sein Heer auf der Durchreise mit Lebensmitteln versorgen werden.« Ruben atmete tief aus. »Gepriesen sei ER!«, rief er und erhob den Blick zum Himmel. »Wenn sie uns dafür in Ruhe lassen, wollen wir sie so gut versorgen, dass sie rasch weiterziehen können!«

Trotz der hohen Summe, die die jüdische Gemeinde zusammenlegen musste, um die ausgehungerten Kreuzfahrer zu versorgen, war die Stimmung in der heiligen Gemeinde am nächsten Tag gelöst. Jeder hatte einen Beitrag geleistet, sogar der alte Rabbi ben Ezer hatte eine goldene Kette gegeben, die einst Rabbenu Gerschom gehörte.

»Wer hätte gedacht, dass wir doch noch so billig davonkommen«, lachte Jehuda Ruben entgegen, als sie sich am folgenden Tag, es war ein Sabbat, vor der kleinen steinernen Synagoge trafen.

Doch Ruben wiegte das Haupt. »Ich hoffe nur, dass es dabei bleibt«, dämpfte er den Enthusiasmus seines Stellvertreters. Und tatsächlich wartete auf dem Heimweg ein ärmlich gekleideter Mann vor dem Hause am Flachsmarkt.

»Gerold«, stellte Ruben fest, als sie bei ihm angekommen waren. »Was möchtest du? Etwa deine Schulden bezahlen?« Ruben verlieh Geld gegen Zinsen, ein Geschäft, welches den Christen nicht gestattet, aber doch sehr gerne von ihnen angenommen wurde.

»Nein, ich brauche noch mehr Geld«, rief der Angesprochene. »Ich werde mich den Kreuzfahrern anschließen und benötige ein Pferd und eine Rüstung!«

»Wie willst du so ein großes Darlehen denn zurückzahlen?«, fragte Ruben mit hochgezogenen Brauen. »Du hast schon zweimal um Aufschub des viel kleineren Betrages gebeten, den ich dir geliehen habe. Und ich habe es dir beide Male gewährt.«

»Ich bin ein Kreuzfahrer«, erwiderte der Angesprochene stolz. »Und ihr müsst die Kreuzfahrer versorgen! Nur weil ich aus Moguntia komme, heißt das nicht, dass ich weniger Rechte habe als die Westfranken!«

Doch Ruben schüttelte den Kopf. »Du bist ein Habenichts und ich hätte dir niemals mein Geld anvertrauen sollen. Weil du so gebettelt hast und es mir leidtat, dass du die Mitgift nicht bezahlen konntest, nachdem dein Mädchen schwanger wurde. Deshalb war ich großherzig. Und ist das nun dein Dank?«

»Das ist das Mindeste, was ihr uns schuldet, ihr Heilands­mörder!«, rief der junge Mann auffahrend.

»Scher dich fort und komm erst wieder, wenn du deine Zinsen bezahlen kannst!«, fuhr Ruben, der nun ebenfalls in Zorn geriet, ihn an. Gerold lief rot an und David erschien es fast, als würde er jeden Augenblick anfangen vor Zorn zu weinen. Anscheinend war auch er sich seiner selbst nicht sicher, denn unvermittelt drehte er sich um. »Du wirst noch an mich denken und dir wünschen, du hättest mir mein Recht gewährt!«, rief er noch über die Schulter, bevor er davonlief und hinter der Ecke Richtung Schusterstraße verschwand.

Das Spital zu Jerusalem

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