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Auria

Reede vor Amalfi, Mai 1096

Gemeinsam mit ihrer Zofe Laura hatte sich Auria am Vorabend auf der Sant’Andrea eingeschifft, einem schweren Lastsegler, dessen Eigner Pantaleone zu den mächtigsten Männern in Amalfi gehörte. Er war einer der sechs Söhne des Mauro und in diesem Jahr zudem zum zweiten Mal zum Hypatos oder Consul des Amalfitanischen Kontors in Konstantinopel gewählt worden. Dort, wohin jetzt auch ihre Reise ging. Es war üblich, sich am Vorabend einer Seereise auf dem Schiff einzufinden und für eine gute Überfahrt zu beten. So waren alle Kaufleute, die sich an der Ladung der Sant’Andrea beteiligten, bereits versammelt. Lediglich der Eigner, Pantaleone selbst, fehlte noch.

»Vor Mittag kommt sowieso kein Wind auf«, behauptete die fünfzehnjährige Auria naseweis. Das stimmte, und es war eine Quelle ewigen Verdrusses für die Kaufleute von Amalfi.

Die ältere Zofe betrachtete ihren Schützling missbilligend. »Und trotzdem quillt dein Haar schon unter der Haube hervor. Setz die Haube ordentlich auf, es ist schlimm genug, dass wir hier alleine mit diesen groben Seeleuten sind. Da musst du sie nicht noch aufreizen«, wies sie Auria sauertöpfisch zurecht.

Die seufzte, stopfte die Unbill erregenden blonden Strähnen aber artig unter die Haube. Ihr Blick glitt zum Ufer hinüber, wo sich ihre Heimatstadt auf einen schmalen Streifen unter der steil aufragenden Gebirgsmasse des Sorrents zusammendrückte. Dann folgte er der einzigen Hauptstraße und blieb an den in der Morgensonne blitzenden Bronzetüren der Kathedrale hängen. Die hatte der Großvater des Schiffseigners, ebenfalls ein Pantaleone, seiner Heimatstadt vor bald einem halben Jahrhundert aus Konstantinopel mitgebracht. Für das junge Mädchen ein ­greifbarer Beweis für die Herrlichkeit der fernen Kaiserstadt. »Pantaleone hat nun auch solche Türen nach Rom zum Papst gebracht«, behauptete sie unvermittelt. Ihre Zofe benötigte einen Augenblick, um dem Gedankensprung des jungen Mädchens zu folgen.

»Du meinst unseren Schiffsherrn?«, fragte sie, denn die Familie Pantaleone war bei der Namensgebung wirklich nicht sonderlich erfinderisch. Pantaleones Vater hieß wie einer seiner Brüder – Mauro. Und sie alle hatten prächtige Bronzetüren aus Konstantinopel gebracht. Vater Mauro hatte seinerzeit Abt Desiderius beschwichtigt, der angeblich bei dem Anblick der Kathedrale von Amalfi grün vor Neid geworden war, indem er ihm ein eigenes Paar Türen für die Hauptkirche von Montecassino stiftete.

»Ja, unseren Schiffsherrn«, bestätigte Auria.

»Die neuen Türen schmücken nun die Kirche San Paulo fuori le Mura in Rom«, ergänzte Laura.

»Das wusste ich auch«, behauptete Auria und zog eine Schnute. Sie schüttelte ihren Kopf und wieder stahl sich eine ihrer Lango­bardischen Locken aus dem Kopfputz. Doch in demselben Augenblick bewegte sich etwas am Strand und verhinderte so eine weitere Maßregelung. »Sie machen ein Boot fertig, sicherlich kommt Pantaleone nun endlich an Bord!«, rief sie aufgeregt. Es war ihre erste größere Reise und von dem Hof in Konstantinopel erzählte man sich wahre Wundergeschichten.

Das Spital zu Jerusalem

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