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Kongress in Wien 1913

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Kurz vor dem letzten Treffen dieser wichtigen Gesellschaft in Wien (1894) hatte Franz Exner die Stadt verlassen. Er schämte sich zu sehr für die erbärmlichen Räumlichkeiten der physikalischen Institute. Jetzt war er jedoch stolz, seine Kollegen in dem herrlichen, neuen Gebäude begrüßen zu können. 20 Jahre waren vergangen, seit er den Ruf nach Wien angenommen hatte. Voraussetzung hierfür war, dass die dürftigen Unterkünfte in der Türkenstraße möglichst bald durch einen Neubau ersetzt werden würden, was im Frühjahr 1913 dann auch geschah. Das Gelände liegt gegenüber der Boltzmanngasse, grenzt an das Institut für Radiumforschung und ist ungefähr einen Kilometer vom Hauptgebäude der Universität am Ring entfernt.

Mehr als 7000 Personen nahmen an der Versammlung teil. Die vielen Vorträge boten ein breites Spektrum an naturwissenschaftlichen und medizinischen Themen, und das kaiserliche Wien zeigte sich selten glanzvoller, als in diesen letzten Herbsttagen seiner Pracht. Zu den Festlichkeiten gehörten ein Empfang am kaiserlichen Hof und ein Bankett, zu dem die Stadt Wien ins Rathaus einlud. Darüber hinaus gab es weitere Veranstaltungen für die Physiker und ihre Frauen, wie beispielsweise eine Feier mit Musik und Tanz in den Räumen des neuen Physikinstituts.

Der für die Physiker wichtigste Vortrag war für Dienstagmorgen angekündigt: „Der gegenwärtige Stand des Problems der Gravitation“, gehalten von Albert Einstein. Zu diesem Zeitpunkt bekleidete Einstein eine Professur an der Technischen Hochschule (ETH) in Zürich, sollte aber bald nach Berlin wechseln. Aufgrund seiner Arbeiten zur speziellen Relativitätstheorie und zur Quantentheorie sah man in ihm den größten theoretischen Physiker der Welt, obwohl er bis dahin den Nobelpreis noch nicht verliehen bekommen hatte. Als er um 9:00 Uhr mit seinem Vortrag begann, war der Hörsaal bis zum letzten Platz belegt.

Einstein überforderte seine Zuhörer nicht mit den fürchterlichen mathematischen Zusammenhängen. Er begann vielmehr mit den einfachsten Ideen und Grundlagen und entwickelte dann die Analogie zwischen Gravitations- und Elektrizitätstheorie. In Bezug auf die Elektrizitätstheorie erläuterte er zunächst das Coulomb-Gesetz, das die Kraft, die zwischen zwei elektrischen Ladungen wirksam ist, beschreibt. Später kamen die elektrischen Ströme hinzu, wobei entdeckt wurde, dass sie durch bewegte Magnete erzeugt werden können. Ausgehend von den Arbeiten von James Clerk Maxwell und Heinrich Hertz, wurden anschließend die elektromagnetischen Wellen entdeckt und optische Phänomene Teil einer vereinheitlichenden Feldtheorie. Unser Verständnis der Gravitation, so führte er aus, befindet sich lediglich auf der Ebene von Newtons Gesetz über die Anziehung zweier Massen, wobei hier auch das inverse Quadrat des Abstandes der Massen, ähnlich dem Coulomb-Gesetz, eingeht. In dieser Theorie ist es notwendig, die unmittelbare Fernwirkung zu modifizieren. Einflüsse, die sich schneller ausbreiten als mit Lichtgeschwindigkeit, sind auszuschließen. Einstein skizzierte die Überlegungen, welche er und Marcel Grossmann in Zürich angestellt hatten. Im Gegensatz zu anderen forderte ihre Theorie in einem starken Gravitationsfeld eine Ablenkung von Lichtstrahlen. Dies könnte durch die Beobachtung von Sternen, die sich während einer Sonnenfinsternis in der Nähe der Sonne befinden, überprüft werden. „Lasst uns hoffen, dass es uns die Sonnenfinsternis im Jahr 1914 erlauben wird, diese wichtige Frage zu entscheiden.“

Einsteins Theorie geht von der Annahme einer Identität von träger und schwerer Masse aus sowie von der Doktrin von Ernst Mach, wonach die träge Masse auf die anderen Massen im Universum zurückzuführen ist. Während seines Aufenthalts in Wien besuchte Einstein Ernst Mach, der selten seine Wohnung verließ. Phillip Frank erinnert sich an das Betreten von Machs Räumlichkeiten: „Man sah einen Mann mit einem grauen, zerzausten Bart, einem teils freundlichen, teils durchtriebenen Gesichtsausdruck, der wie ein slawischer Bauer wirkte.“ Einstein bat Mach anzunehmen, dass er unter Verwendung der Atomtheorie eine beobachtbare Eigenschaft vorausberechnen könne, die sich nicht aus der Kontinuumstheorie ergäbe. Würde er dann akzeptieren, dass es „ökonomisch“ sei, die Existenz von Atomen anzunehmen? Mach räumte ein, dass die Atomhypothese in diesem Fall „ökonomisch“ sein würde, und Einstein ging völlig zufrieden seines Weges.

Dieser großartige Vortrag Einsteins während des Kongresses 1913 erweckte Schrödingers Interesse an der Gravitation. Zunächst muss er das Thema beiseite geschoben, aber im Hinterkopf behalten haben. Als Einstein 1915 seine genialen Arbeiten zur allgemeinen Relativitätstheorie veröffentlichte, fand Schrödinger an der italienischen Front, wo er für ein Artilleriegeschütz verantwortlich war, Zeit, die Publikationen zu studieren. Auch muss die Idee einer vereinheitlichenden Feldtheorie, die Elektromagnetismus und Gravitation zusammenführen würde, einigen der jungen Wissenschaftler in den Sinn gekommen sein, die Einsteins Ausführungen über die Analogien der beiden Felder folgten. In ihren späten Jahren widmeten beide, Schrödinger und Einstein, ihr Leben der Frage nach dieser Vereinheitlichung.

Schrödinger trug auf der Tagung nicht vor – er war noch kein Privatdozent und hatte ohnehin nichts Besonderes zu berichten. Jedoch wurde er nachhaltig durch die Ansammlung hervorragender Physiker beeindruckt. Insbesondere die Arbeiten von Max Laue über Röntgenstrahlen und Kristallstrukturen hatten eine besondere Wirkung, da er auch schon mit einigen Überlegungen über den Einfluss der Temperatur auf die Beugung von Röntgenstrahlen begonnen hatte. Als er einige Monate später zum Privatdozenten ernannt wurde, hatte sein erster Kurs im Sommersemester 1914 „Interferenzphänomene von Röntgenstrahlen“ zum Inhalt.


Abbildung 8: Privatdozent (1914)

Erwin Schrödinger

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