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Allgemeine Relativität

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Schrödinger kam mit Einsteins Theorie der allgemeinen Relativität erstmals während seiner Stationierung an der Front bei Prosecco in Kontakt. Sofort erkannte er die Bedeutung der Theorie, die dem Weltbild der Physik neue Sichtweisen eröffnete, indem sie das Gravitationsfeld als Konsequenz der Geometrie des Universums auffasst. Als er 1917 nach Wien zurückkehrte, zeigte sich, dass auch die anderen Universitätsphysiker von Einsteins Arbeit beeindruckt waren. Ludwig Flamm, der mit Boltzmanns jüngster Tochter Elsa verheiratet war, hatte gerade eine Arbeit auf diesem Gebiet publiziert. Hans Thirring arbeitete an einer weiteren Anwendung. Zum ersten Mal war es Erwin möglich, kritische Diskussionen über ein Thema der vordersten Wissenschaftsfront der gegenwärtigen Physik mit gut unterrichteten Fachkollegen zu führen. Seine eigenen umfangreichen Studien über die mathematischen Grundlagen der allgemeinen Relativität schrieb er in drei Notizbüchern (wie gewöhnlich undatiert) mit dem Titel Tensoranalytische Mechanik nieder. Das dritte Notizbuch umfasste darüber hinaus einen Ausblick auf die Analogien zwischen Mechanik und Optik, wie der Beziehung zwischen dem Huygen’schen Prinzip und den Hamilton-Gleichungen – ein Thema, das 1925 eine führende Rolle bei seiner Entwicklung der Wellenmechanik spielen sollte.

Der kurze Artikel, den er im November 1917 bei der Physikalischen Zeitschrift einreichte, traf den Kern einer grundlegenden Frage: Wie lassen sich Gesamtenergie und Gesamtimpuls eines abgeschlossenen Systems in den Termen der Formeln der allgemeinen Relativität ausdrücken? 1916 hatte Einstein eine Größe eingeführt, die er als Energiekomponenten des Gravitationsfeldes bezeichnete. Diese Größe ist allerdings keine allgemeine Tensordichte und daher nicht invariant in Bezug auf eine Transformation des Koordinatensystems. Schrödinger zog ein spezielles System in Erwägung, für das Karl Schwarzschild 1916 Lösungen für die Gleichungen der allgemeinen Relativität angegeben und die er unter dem Titel „Über das Gravitationsfeld einer Kugel aus inkompressibler Flüssigkeit nach der Einstein’schen Theorie“ (innere Schwarzschild-Lösung) veröffentlicht hatte. Er berechnete die sechzehn Energiekomponenten für ein Koordinatensystem, das einem kartesischem nahezu gleichwertig war, und erhielt das seltsame Ergebnis, dass sie alle verschwanden. Das von Schrödinger aufgeworfene Problem ist Teil eines Fragenkomplexes, der sich auf die Lokalisierung der Gravitationsenergie bezieht. An der Beantwortung der damit verbundenen Fragen wird auch heute noch gearbeitet. Es ist bemerkenswert, dass er in der Lage war, in seiner ersten Ausführung zur allgemeinen Relativität ein solch tief gehendes Problem aufzuwerfen – aber es war typisch für den Ansatz, der in seinen Arbeiten immer mehr hervortrat: Desinteresse an einfachen Anwendungen und Hinwendung zu fundamentalen Prinzipien, häufig im Grenzbereich von theoretischer Physik und Metaphysik.

Der Ausgangspunkt einer zweiten Notiz war eine kurz zuvor erschienene Arbeit Einsteins. Hierin schlug Einstein ein System von Energiekomponenten und Gravitationspotenzialen vor, das exakt die Feldgleichungen integrierte und eine Näherung zuließ, die eine großräumige Struktur mit einer inneren Materieverteilung ermöglichte. Das Modell bestand aus einer ruhenden Flüssigkeit gleichförmiger Dichte, die eine geschlossene Raumstruktur endlichen Volumens mit den metrischen Eigenschaften einer Hypersphäre bildet. Einstein hatte eine „kosmologische Konstante“ für seine Lösung eingeführt, Schrödinger aber zeigte, dass eine weitere Lösung ohne diese Konstante möglich ist. Seine Lösung besaß einige merkwürdige Eigenschaften: Sein Universum stand unter einer erheblichen Spannung und seine Massendichte war Null. Die letztgenannte Eigenschaft ließ sich mithilfe der Mach’schen Vorschläge erklären, wonach eine nicht verschwindende Masse lediglich in Form von Massedifferenzen in einem ungleichförmigen Universum entsteht. Einstein reagierte umgehend auf diesen Lösungsvorschlag und führte aus: „Der Weg, der von Schrödinger beschritten wurde, erscheint mir als nicht akzeptabel. Er führt zu tief in ein Dickicht von Hypothesen.“ Dennoch handelt es sich um eine interessante Arbeit, da es Schrödingers erster Beitrag zur Kosmologie ist. Neunzehn Jahre später, nachdem er die Arbeiten Eddingtons studiert hatte, fügte er eine handschriftliche Fußnote zur Berechnung des Betrages der Spannung dieses Modelluniversums hinzu.

Erwin Schrödinger

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