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Urlaubsfreuden

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Für alle hatte Manfred Urlaubsträume entwickelt, die ihren Charakteren und ihren Vorlieben entsprachen. Da er ja die Menschen als Ebenbilder betrachtete, musste selbst Thore schlafen und träumen, so dachte sich Manfred und, als dieser schlief, durch-brach der Seelenspiegler Thores oberflächlichen, geistigen Schutzwall. Weiter konnte er leider nicht vordringen, sonst wäre Thore erwacht, aber es reichte, um die Träume Manfreds Willen und seiner Phantasie zu unterwerfen. Für Agnes war für morgen ein karibisches Sonnenbad geplant, was aber schon in den Ansätzen von ihren Traumwünschen überspielt wurde. Sie fand träumend in ihr früheres Leben zurück und Manfred ließ sie ziehen. Er achtete jedoch sehr darauf, dass die früheren Ereignisse bei ihr keine Alpträume auslösten. Eine verheulte, traurige Agnes wollte niemand am Esstisch ertragen. Ein üppiger Essenstraum für alle, wurde ihr natürlich völlig uneigennützig auch unterlegt. Schließlich wissen Damen, die im früheren Leben Flugbegleitung studiert hatten, am besten, was so eine Gruppe morgens brauchte.

Rigo verbrachte den kommenden Tag vor seiner alten Kate an der Nordsee und kehrte dann zur rechten Zeit zur Gruppe zurück, damit gemeinsam gegessen und geplauscht werden konnte. Die Traumsequenz hätte Manfred perfekt eingebaut, meinte Rigo lobend. Nur das Bild über dem damaligen Schlafplatz hätte nicht unbedingt Lenin sein müssen, grinste er.

Bernhard hätte fast die Essenszeit vergessen, da er in Ägypten, im Tal der Könige gerade das unbekannte Grab eines unbekannten Königs ausgrub. Aber Manfred versprach ihm, den nächsten Traum anzuschließen und die interessante Ausgrabung weiter zu führen. So wurde immer wieder nachts geträumt, was am nächsten Tag Realität werden sollte. Auch Thore, der beim Essen immer wieder „dasselbe Lied sang“

und um den Aufbruch greinte, wurde dann, zum Abschluss seiner täglichen Realitätsträume geknebelt an einen Baum gehängt. Ein schöner Baum, der nur für ihn geträumt worden war und einen Abschluss seiner, zur Realität werdenden, ekligen Träume darstellte. Im wachen Zustand wurde er nun oft in das „Zauberland“ der Dinosaurier, welches Manfred von seinem ersten Aufenthalt auf der Erde her gut kannte, versetzt. Auch Thore kannte dieses nur zu gut, war ihm jedoch niemals so nahegekommen wie jetzt.

Irgendwann hörte Thore resigniert auf, um den Aufbruch in das andere Kontinuum zu betteln, und genoss einfach nur das eklige Essen, um nicht wieder wie eine Comicfigur am Baum zu landen. So vergingen Tage, Wochen und Monate und die Freunde amüsierten sich köstlich bei Manfreds schön ausgedachten Träumen. Selbst ein paar feuchte Träume waren dabei, die alle Beteiligten ausgiebig genossen.

Thore hörte den Ausführungen am Esstisch zwar aufmerksam zu, konnte aber natürlich nur theoretisch den ausführlich dargelegten, ekligen Fortpflanzungs-riten folgen. Nur Manfred wusste, wovon die Erden-bürger sprachen. Er hätte die dumme Lederhose sicher häufig angezogen, wenn er damit das Erlebnis hätte wiederholen können. Aber dazu sollte es nicht kommen. Manfred hatte seit dem Auftauchen von Thore genug damit zu tun gehabt, die Träume der anderen in Realität zu verwandeln. Außerdem benötigte er nicht wirklich Schlaf und war nur durch den Übertritt in dieses Kontinuum aus der Rolle gefallen, aus sich herausgekommen oder wie immer man den Ausfall bezeichnen wollte.

Urplötzlich war alles durcheinander. Thore steckte in einem rotschwarzen Latexanzug. Rigo hatte eine kurze Lederhose und Wanderschuhe an und Agnes und Manfred standen unbekleidet, man könnte behaupten nackt, neben der Hülle, die sonst wenigstens Manfred gut kleidete. Dann plötzlich war der Spuk vorbei und sie standen ordentlich bekleidet auf dem Nichts, welches ein wenig schaukelte und sie wie Betrunkene hin und her wanken ließ. Die Schaukelbewegung versiegte langsam und in der Ferne war ein leises „Plop“ zu hören. Was war das? Agnes war kreidebleich und auch alle anderen stellten sich diese Frage, nachdem die Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war. Nur Thore hatte ein puterrotes Gesicht und sank weinend, wie ein kleines Kind, auf den Boden.

Nun komme ich wohl nie wieder nach Hause heulte er.

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