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Wieder in der Heimat

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Vier Freunde, darunter eine Frau und ein Außerirdischer, rasten, ohne sich selbst zu bewegen, die Raumkrümmung nutzend, der Erde entgegen. Auch ein brauner Schleimbeutel war mit von der Partie und hielt sich gut, wie es für eine böse Krankheit nicht ungewöhnlich ist. Langsam wurde es Zeit, sich darüber im Klaren zu sein, wo direkt die Reise hingehen sollte. Nach vielem Hin und Her wurde beschlossen, erst einmal wieder J.R. zu besuchen und dann weitere, mögliche Unternehmungen zu überdenken. So wurde es beschlossen. Dann war es soweit. Manfred schwenkte in die Umlaufbahn ein und Rigo verkniff sich den Spruch: „Houston, wir haben kein Problem.“ Nun schwebten sie über dem australischen Outback und nahmen direkt Kurs auf J.R.s Anwesen.

Wie meistens saß J.R. auf der Bank vor seinem Haus und drehte versonnen seinen Spazierstock. Dann sah er am Horizont Manfred auftauchen. Was wollen die denn schon wieder hier, dachte er überrascht? Die sind doch erst letzte Woche gestartet. Aber so ist das wohl im All. Zeit spielt da wohl eine andere Rolle. Dann kam Manfred heran. „Hallo“, meinte J.R, der immer noch nicht so gern mit Gedanken kommunizierte. Was hast du denn da für einen Dreck auf deinem Rücken? Es machte „Plop“ und der Dreck war verschwunden. Was hast du gesehen, dachte Manfred entsetzt? Ach, ich glaube nichts, antwortete J.R. in Gedanken. War wohl eine Spiegelung der Sonne.

Eine Spiegelung auf einem Seelenspiegler, meinte Manfred ungläubig? So etwas gibt es nicht. Also, nochmal, meinte er streng, was hast du gesehen? Ich dachte du hättest eine Krankheit. Ich sah einen braunen Schleimbeutel auf deinem Rücken. Dann gab es ein Geräusch und er war weg. Wenn Manfred hätte blass werden können, er wäre es geworden. Thore, meinte er zu seinen Freunden. Wir haben ihn doch zur Erde mitgenommen. Und das ist nicht das Schlimmste. Ich weiß jetzt warum seine telepathischen Fähigkeiten trotz seiner mentalen Stärke so mickrig sind. Er ist ein Teleporter und damit kaum zu fassen. Wer weiß, was der sonst noch drauf hat. Und ein Formwandler ist der braune Schleimsack auch noch, was die Sache nicht besser macht, meinte Rigo lakonisch. Stimmt, antwortete Manfred, das hätte ich beinahe übersehen. Na, es bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten, was er als Nächstes unternimmt. Wir werden es sicher im Fernsehen übertragen bekommen. In der Folgezeit hatten die Freunde genug damit zu tun J.R. zu erklären, was sie erlebt hatten und wie Thore ins Bild passte. Auch ein weiterer Zaungast hörte interessiert den Vieren zu. Es war George, der Ehemann von J.R.s Küchenhilfe Maria. Und er hat wirklich die Menschen erfunden, fragte J.R. ungläubig. Dann wäre er ja so etwas wie ein Gott. Nein, nein, meinte Manfred, eher ein unartiges Kind, das etwas getan hat, was es nicht durfte. So wie ich das sehe, hat er sich an der Fehlentwicklung eines „Fressen und Gefressen werden“ Kontinuum zu schaffen gemacht.

Der das entwickelt hat, war bestimmt auch kein Gott. Thore hat es wahrscheinlich Spaß gemacht, das Leiden der Kreaturen mit anzusehen und dann hat er Ebenbilder geschaffen, die sich auch dementsprechend verhalten. Das Kontinuum in das wir geraten waren ähnelt überhaupt nicht dem unseren und wäre wohl etwas Schönes geworden, wenn wir es nicht infiziert hätten. Das würde bedeuten, wir wären nur Abfall aus einer Fehlentwicklung und dem perversen Spieltrieb eines Kindes? Kein schöner Gedanke, meinte J.R. Nun meldete sich auch George, der „Herr der Krystalle“ zu Wort. Es ist doch ganz egal, aus welchem Grund oder aus welcher Motivation heraus wir entstanden sind, meinte er. Wir sind Ebenbilder und haben ein Lebensrecht, bis es uns nicht mehr gibt. Das ist es, meinte Manfred, mit deiner Weisheit hast du den Kern der Sache benannt. Thore darf uns nicht töten, wird aber alles tun, damit wir aussterben und er wieder nach Hause darf. Er ist ein mächtiger Feind, den wir nicht unterschätzen dürfen. Also schauen wir, wie er versucht die Menschen zu beeinflussen.

Das TV-Programm der nächsten Tage war nicht gerade erbaulich. Immer wieder gab es Sondermeldungen von Umweltphänomenen, auf die die Menschen, die betroffen waren, reagieren mussten. Und dann die politischen Merkwürdigkeiten, welche die normalen Kriegsgreul begleiteten. Die Wahlen der Großmächte spülten großmäulige Despoten an die Oberfläche, die mit Hilfe dummer oder verzweifelter Menschen selbst einen weiteren Weltkrieg nicht scheuten. Kleine Männer, große Männer und selbst Männer des Glaubens scheuten nicht mehr davor, die Welt zu zerstören. Merkwürdigerweise waren es meist Männer, die genügend Aggressionspotential aufbrachten, um ihre Minderwertigkeitskomplexe mit Massenmord zu beheben und alles zu riskieren, oder eben versuchten, dem jeweiligen Gott zu gefallen.

Der Erschaffer der Ebenbilder gefiel sich nun auch in dieser Rolle. Spielten die gläubigen Menschen ihm doch bei seinem Vorhaben in die Hände. Von Land zu Land sprang Thore und heizte die Stimmung an. Er wusste genau, wie er mit seinen Kreaturen umgehen musste und das eklige „Fressen und Gefressen werden“ an die Oberfläche bringen und verstärken konnte. Er bediente sich der größten Hetzertalente und ließ keine Möglichkeit außer Acht, die Ausrottung der Menschen voran zu treiben.

Hilflos sahen Manfred und seine Freunde per TV dem Treiben zu. Was sollen wir tun? Hat jemand von euch eine Idee, fragte Manfred in die Runde? Alle schwiegen und schauten sich betreten an. Dann, nach einiger Zeit, brach George das Schweigen. Wenn wir so keine Möglichkeit finden, seiner habhaft zu werden, dann müssen wir ihm eine Falle stellen, sonst erreicht er in kürzester Zeit sein Ziel. Die Menschheit ist so bereit wie noch nie zum kollektiven Selbst-mord. Wie stellst du dir das vor mit der Falle, fragte Manfred interessiert? Wir haben doch in der Höhle im Uluṟu, oder wie ihr ihn nennt Ayers Rock, unserem heiligen Berg, noch die Krystalle. Diese Krystallwesen wären durchaus in der Lage, ihn und seine mentalen Künste für annähernd eine Ewigkeit zu bändigen. Eine phantastische Idee, meinte Manfred begeistert. Wie stellen wir es aber an, dass er uns freiwillig dort in die Falle geht? Alle fingen an laut und leise nachzudenken. Wenn ich eure Grübeleien noch einmal unterbrechen dürfte, begann George erneut das Gespräch. Ich habe bereits einen Plan.

Lass hören, meinten Rigo und Bernhard begeistert. Alle hörten gespannt zu. Also, wir informieren die Medien, dass in ein paar Tagen ein großes Treffen der Kriegsgegner, Pazifisten, Ökoheiligen und so weiter stattfinden soll. Auch Predigten von Priestern vieler Glaubensrichtungen sollen gehalten werden. Sollte mich doch wundern, wenn unser Thore sich das entgehen ließe. Wir sagen dann, dass sich die obersten der Priesterschaft in der Krystallhöhle versammeln und dort werden dann, wenn er sich blicken lässt, seine Talente eingefroren.

Die Menschen würden dadurch zwar nicht besser, aber unsere Existenz würde verlängert, die Welt würde sich weiter drehen und unser gesamtes Kontinuum würde vorerst nicht vernichtet werden. Großartig, so machen wir es. Manfred war begeistert und auch die anderen stimmten freudig zu. Ich mache mich auf zum Ayers Rock und informiere die Krystalle. Die werden gern mitmachen, da sie sowieso bereits sehr in Sorge um das Weiterbestehen der Welt waren. Die Menschheit ist ihnen zwar weitest-gehend gleichgültig geworden, aber wenn ich ihnen vermittle, dass diese nicht aussterben darf, wenn das ganze Kontinuum weiterexistieren soll, dann helfen sie uns mit Sicherheit. Gesagt, getan. Der kleine Aborigine verschwand wie ein Geist im Outback und Rigos Sohn schwang sich auf den Stuhl vor seinem Funkgerät und verbreitete die gute Nachricht über den ganzen Kontinent. Das Gerücht wurde dankbar von den Medien aufgenommen und bald war es die Wahrheit. Keiner kannte zwar den Urheber, aber das ist ja bei solchen Ereignissen auch unwichtig. Als dann auch weltweit über das Happening berichtet wurde, machte sich ein Millionenheer auf, um den Weltfrieden zu beschwören.

Thore kochte vor Wut. Damit kommen die nicht durch, tobte er. Die Suppe werde ich ihnen versalzen. Zum Termin der Großveranstaltung sprang er dann pünktlich zur Eröffnungsrede zum Ayers Rock und mischte sich unters Volk. Er ist hier und er ist sehr wütend, erklärte Manfred seinen Freunden. Ich kann seine Gedanken hören. Er versucht uns zu orten.

Bald gibt es nur noch ein paar Krystalle als Gesprächspartner für ihn, unkte Rigo, unser erster Kriegsgefangener. Man verkauft das Fell des Bären nicht, bevor er erlegt ist, belehrte Manfred den Welt-kriegsveteran Rigo. Das müsstest du doch am besten wissen. Aber still jetzt, es kommt die entscheidende Stelle in der Anfangsrede. Die obersten Priester der verschiedensten Religionen wurden eingeladen, in die heilige Höhle zu kommen. Als solcher fühlte Thore sich auch und lief im Pulk der Priester mit, sehenden Auges in sein Verderben. Die Falle schnappte zu. Um den Sohn des Daseinsverwalters wuchsen in Windeseile riesige Krystalle und schlossen ihn ein. Thore versucht zu springen, aber seine Fähigkeiten waren allesamt ausgeschaltet. Auch sein Versuch als brauner Schleimbeutel das Gefängnis zu verlassen, war nicht von Erfolg gekrönt. Er war und blieb gefangen.

Währenddessen tobte draußen ein wahrer Antikriegsmob und tanzte und rauchte Hanf bis zum nächsten Morgen. Lasst sie nur, meinte Manfred zu den anderen, sie haben es verdient. Kommt, wir besuchen den Gefangenen. Wut und Hilflosigkeit lag in der Luft, als sie den Oberkriegstreiber in seiner zugegebenermaßen wunderschönen Behausung auf-suchten, die er für immer bewohnen sollte, wenn es so etwas wie „Immer“ überhaupt gab. Thore war außer sich. Der Gesprächsversuch endete in wüsten Beschimpfungen, Drohungen, dann Bitten, Angeboten, betteln und heulen, als die Gefährten sich zum Gehen wendeten. Wir besuchen dich in ein paar Jahrhunderten wieder einmal, rief Bernhard ihm noch zu bevor sie sich nach Hause aufmachten. Das Happening im Outback ging seinem Ende entgegen, als alle „Bierchen“ getrunken und jeder Stoff, aus dem die Träume entstanden, geraucht war. Aber die Welt und die Menschheit waren immer noch nicht besser geworden. Träume die wahr würden, wären jetzt gut zu brauchen, sinnierte Agnes vor sich hin. Und die in den falschen Händen würden ein Blutbad anrichten, holte Manfred sie in die Realität zurück. Die Idee würde ich aber nicht sofort verwerfen meinte der ehemalige Professor Bernhard. Manfred, wir müssen reden. Lässt du nun herrschsüchtig den Therapeuten raushängen?, fragte Manfred belustigt. Wir reden doch die ganze Zeit. Sorry, meinte Bernhard nur, immer wenn ich aufgeregt bin und meine, dass ich etwas Weltbewegendes zur Situation beitragen kann, falle ich in solch blöde Verhaltensweisen zurück.

Na, was gibt es denn so Weltbewegendes, fragte Manfred weiterhin amüsiert. Wir sind doch mit unserem Kontinuum in das Kontinuum der Träume geschlüpft. Sollte es nicht möglich sein ein kleines Löchlein in unsere Außenhülle zu bohren und offen zu halten, bis wir hier unsere Träume verwirklicht haben? Möglichst sollte das gemacht werden ohne, dass die Kontinuen platzen wie Seifenblasen. Manfred überlegte eine Zeit lang. Dann sagte er bedächtig, wir sehen uns die Sache mal aus der Nähe an. Da unser Raum nun im anderen Kontinuum existiert, werde ich wenigstens vor der Begrenzung abbremsen können. Sie blieben noch ein paar Tage, zur Freude von J.R. und George, und erzählten ausgiebig von ihren Abenteuern. Außerdem wollten sie noch die politische Weltlage im Blick behalten. Als diese sich zu beruhigen schien, drängte Bernhard zum Aufbruch. Er wollte doch zu gern wissen, ob sein Plan funktionieren würde.

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