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Gebrochene Abmachungen

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Daseinsverwalter Norbert arbeitete bereits an dem zehnten kugelförmigen Gebilde, das von ihm mit der begehrten Traummaterie gefüllt worden war. Er musste vorsichtig mit dem Material umgehen und durfte den Riss im Kontinuum nicht zu groß werden lassen. Gleichwohl benötigte er Teile des Hüllenmaterials, um die flüchtige Traummaterie trans-portierbar zu machen. Auch drängte immer mehr Materie von einem zum anderen Kontinuum und machte den Türsteherposten nicht einfacher. Zwischen den Ballformungen versuchte der Daseinsverwalter immer wieder, mit seinen immensen, telepathischen Kräften, seinen Sohn zu erreichen. Mit jedem weiteren, vergeblichen Versuch verfestigte sich bei ihm die Ansicht, dass Manfred und Konsorten ihn hintergangen hatten. Thore war augenscheinlich noch immer so abgeschirmt, dass er noch nicht einmal mit ihm kommunizieren konnte. Ohne Hilfsmittel war es doppelt schwierig und gefährlich, Teile der Kontinuumhülle herauszutrennen und den Übergang trotzdem nicht zu groß werden zu lassen. Wut und Gedankenlosigkeit sind hierbei schlechte Ratgeber und absolut fehl am Platze. So geschah es, dass Norbert so abgelenkt war, dass auch seine mächtigen, geistigen Fähigkeiten die Ränder des Spaltes nicht mehr halten konnten. Auf allen geistigen, energetischen, materiellen und sogar zeitlichen Ebenen erspürte man ein „Plop“, ein Schütteln, als wenn ein Hund aus dem Wasser gekommen war und sich von der Nässe befreite. Die Begrenzung zwischen dem Traumkontinuum und Norberts Fehlentwicklung existierte nicht mehr. Wenn ich jemals wieder nach Hause kommen sollte und meinen Job zurückbekäme, muss ich mir unbedingt eine bessere Hüllenausstattung einfallen lassen. Diese Lightversion muss ausgemustert werden. Glücklicherweise hat mein Chef wohl etwas Stabileres benutzt. Unsere gemeinsame neue Außen-hülle hat zumindest gehalten. Sonst wären wir jetzt nicht mehr existent, dachte Norbert. Durch die kleine Öffnung, in der nun nicht mehr vorhandenen Hülle, waren die verschiedenen Materien rasend schnell geströmt. Jetzt, nachdem diese Hülle, einer Seifenblase ähnlich, geplatzt war, dauerte der Austausch viele Jahrmillionen. Von der Erde aus war dieses Phänomen von Astronomen nicht zu betrachten, da das Licht erst nach dem Aussterben der Menschheit und eventueller anderer Kulturen an der Erde ankommen würde.

Nur Manfred hatte eine ausreichende Fähigkeit das Platzen der Hülle zu spüren und war dementsprechend beunruhigt. Auch würde es durch dieses Vorkommnis nicht möglich sein, weitere Traummaterie einzufangen und, vor allen Dingen, zu transportieren. Der Daseinsverwalter war ärgerlich. Nicht nur, dass er bei dieser kleinen Aufgabe versagt hatte, nein, er musste sich auch mit Wesen aus diesem üblen Kontinuum einlassen und sich betrügen lassen. Die Wut, die bereits einmal nicht hilfreich war, brach sich Bahn und als ein weiterer Versuch, seinen Sohn telepathisch zu erreichen, fehlschlug, glich er allmählich den Racheengeln der Apokalypse. Norbert nahm die zehn Bälle und machte sich so groß, dass er sie wie ein Zirkusjongleur im Kreis vor sich kreisen lassen konnte. Ohne eine Raumkrümmung zu bemühen, teleportierte er und sprang von Galaxis zu Galaxis auf die der Erde zu. Das dauerte zwar länger als den Raum zu krümmen, aber er wollte nicht noch weitere Fehler machen und möglicherweise in der Vergangenheit dieses Planeten herauskommen. Er hatte nicht die geringste Lust in der Zeit der Saurier zu erscheinen, die sein Sprössling auch auf dem Gewissen hatte. Aber genau das passierte dem Daseinsverwalter. Er merkte, dass er räumlich über das Ziel hinaus sprang und brach den Sprung vorzeitig ab.

Damit sprang er ein gutes Stück in der Zeit zurück, geradewegs in die Zeit der großen Echsen. Thore hatte diese in dem „Fressen und Gefressen werden“ Kontinuum damals entwickelt, um seine jugendlichen, perversen Möglichkeiten auszuloten. Aber auch Manfred war damals vor Ort, geschickt von der Versammlung der Seelenspiegler, um das geistige Potential dieser Arten zu erforschen. Langweilig fand Manfred die Aufgabe damals, da in den Köpfen dieser Echsen nicht viel zu erfahren war.

Dann übersah er den großen Meteor, den Thore auf sein Machwerk warf, um zu verhindern entdeckt zu werden. Das Schicksal nahm seinen Lauf und der junge Seelenspiegler wurde für Jahrmillionen unter Lava begraben. Norbert sah den großen Brocken auf die Erde zurasen. Was sollte er tun? Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, den Einschlag zu verhindern. Die Saurier würden nicht aussterben und Thore konnte die Evolution noch so sehr beschleunigen, es würden keine Ebenbilder entstehen. Einen Moment war Norbert in Versuchung, dem Ganzen hier und jetzt ein Ende zu bereiten. Dann wurde ihm bewusst, dass die Veränderung der Zeit auch auf die Ereignisse in seiner Welt Auswirkungen haben würde, die er nicht beeinflussen könnte. Thore würde entdeckt, bevor er auch nur ansatzweise intelligente Ebenbilder schaffen könnte. Sein fehlerhaftes Kontinuum würde vernichtet werden und ab dann würde sich die Zeit neu entwickeln. Eventuell hätten sie einen Unfall und würden nicht mehr existieren. Oder eine Krankheit würde Familienmitglieder dahinraffen. Lass die Zeit lieber so, wie sie ist. Damit können wir umgehen, auch wenn das ein oder andere lästig ist. Er schaute sich noch den Einschlag und die damit verbundene Vernichtung an und teleportierte ein gutes Stück von der Erde weg in den Raum, konzentrierte sich neu und beendete dieses Mal seinen Sprung so, dass er im richtigen Zeitrahmen herauskam.

Sofort entdeckte er die Kugel mit Traummaterie, welche Manfred hinter dem Mond deponiert hatte. Diese und seine zehn Kugeln stellten nun die einzige Traummaterie dar, die es in Zeiten der Menschheits-geschichte bis zur Erde schaffen würde. Da die hiesige Kontinuumhülle nicht mehr existierte, gab es auch keine Möglichkeit, die langsam in dieses Kontinuum eindringende Materie einzufangen. Es fehlte der Druck, der sich in dem Spalt gebildet hatte, und den Spalt wie eine Düse wirken ließ, die einen Luftballon aufblasen konnte. Vorsichtig stellte Norbert seine kostbare Fracht zu der abgelegten Kugel, umrundete den Mond und sah mit gerunzelter Stirn auf die Erde.

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