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Die Patientin war zur jährlichen Kontrolluntersuchung gekommen, und Dr. Härtling konnte ihr die beruhigende Mitteilung machen, dass mit ihr alles in Ordnung war.

„Dennoch habe ich ein kleines Problem, Herr Doktor“, sagte die fünfundvierzigjährige Frau. Sie war leicht übergewichtig, wusste ihre Üppigkeit aber mit eleganter Kleidung gut zu kaschieren.

„Was ist das für ein Problem, Frau Rehberger?“, fragte der Klinikchef.

Renate Rehberger seufzte.

„Ich schlafe nachts sehr schlecht, wache vier- bis fünfmal auf und fühle mich am Morgen wie gerädert.“

„Schlafen Sie bei offenem Fenster?“

„Ja, das tue ich.“

„Lärm und Lichtreize gehören zu den typischen und häufigsten Störfaktoren“, erklärte Sören Härtling. „Ist es nachts in der Gegend, in der Sie wohnen, laut?“

„Ziemlich häufig. Ja.“

„Dann sollten Sie lieber nicht bei offenem Fenster schlafen“, riet Dr. Härtling der Frau. „Schaffen Sie sich außerdem ein dunkelgrünes Rollo an, das kein Licht durchlässt. Und als Gute-Nacht-Trunk ist warme Milch mit Honig ideal. Sie fördert den Schlaf und stärkt den Kreislauf. Wichtig ist natürlich auch, dass Sie abends nicht mehr schwer und kalorienreich essen. Machen Sie nach dem Abendessen noch einen kleinen Spaziergang, weil dieser Sauerstoffschub dem Gehirn nämlich ungemein guttut.“ Renate Rehberger nickte zu allen seinen Tipps. Der Chefarzt geleitete die Patientin zur Tür.

„Ich bin sicher, Sie werden bald wieder so gut wie früher schlafen, wenn Sie meine Ratschläge befolgen“, sagte er.

„Tja, dann sehen wir uns wohl erst in einem Jahr wieder“, meinte die Frau und ging hinaus.

Sie war die letzte Patientin gewesen. Die Nachmittagssprechstunde war damit zu Ende. Dr. Härtling ging in sein Büro und widmete sich administrativen Aufgaben, die auch erledigt werden wollten. Moni Wolfram, seine hübsche, sympathische Sekretärin (sie war mit dem tüchtigen Assistenzarzt Dr. Michael Wolfram seit längerem glücklich verheiratet), stellte einen Anruf von Frau Brauneder zu ihm durch. Er wusste, dass sie Claudia Meeles’ Großmutter war.

„Frau Brauneder“, sagte er freundlich. „Was kann ich für Sie tun?“

„Wenn Sie heute, so gegen elf Uhr, Schluckauf hatten, dann waren unsere Nachbarin, Frau Mahlek, und ich daran schuld!“

„Wieso?“

„Weil wir über Sie geredet haben.“

Der Klinikchef lachte. „Ach so. Hat Frau Mahlek die Werbetrommel für die Paracelsus-Klinik gerührt?“

„Das hat sie. Und wie. Wenn sich demnächst halb München bei Ihnen einfindet, um sich von Ihnen und Ihren Kollegen behandeln zu lassen, haben Sie das einzig und allein Jennifer Mahleks offensiver Publicity-Kampagne zu verdanken.“

„Haben Sie irgendwelche gesundheitliche Probleme, Frau Brauneder?“, fragte Sören ablenkend. „Glücklicherweise nicht.“

Sören hörte, wie sie dreimal auf Holz klopfte. Solange es Menschen gibt, wird der Aberglaube leben, dachte er amüsiert.

„Ich rufe wegen Claudia an“, sagte Barbara Brauneder.

„Ist sie krank?“

„Sie macht mir in letzter Zeit ein bisschen Sorgen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie nicht völlig gesund ist.“

„Dana hat nichts dergleichen erwähnt“, sagte Dr. Härtling.

„Ihre Tochter sieht Claudia nicht so oft wie ich. Dadurch fällt mir zwangsläufig jede Veränderung eher auf als irgendjemandem sonst. Vielleicht ist meine Fürsorge ja etwas übertrieben, aber ich meine, es ist besser, sich um jemanden zu viel zu kümmern als zu wenig.“

„Was ist es konkret, das Ihnen Kummer macht, Frau Brauneder?“

„Na ja, Claudia hat hin und wieder keinen rechten Appetit ...“

„Das kommt bei jedem ab und zu vor.“

„Ihre Haut ist blass, und heute Morgen war ihre Temperatur leicht erhöht.“

„Wieviel haben Sie gemessen?“, erkundigte sich Sören Härtling.

„Siebenunddreißig acht. Wäre an und für sich kein Grund, sich zu beunruhigen, aber Großmütter sind nun mal besonders vorsichtig ...“

„Möchten Sie, dass ich mir Ihre Enkelin ansehe?“

„Ja, das wäre mir sehr recht. Ich habe ihr das auch vorgeschlagen, aber sie will davon nichts wissen.“

„Das wirft natürlich ein kleines Problem auf“, sagte Dr. Härtling.

Barbara Brauneder meinte: „Auf ihre Großmutter hört sie nicht, aber vielleicht könnte Dana mit ihr reden.“

„Dana“, sagte Sören Härtling nachdenklich. „Ja, das wäre eine Möglichkeit.“

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