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„Hallo, Biff“, sagte Mr. Small, der FBI-Chef des Chicagoer Distriktbüros, am nächsten Morgen. Ich hatte meine fünf Sinne bereits wieder so weit beisammen, dass ich seine Stimme auf Anhieb erkannte. „Wie geht’s immer?“

„Vorgestern ging’s noch, Mr. Small“, gab ich lachend zurück. „Was liegt denn an — außer den Ohren?“

„Tom Harris hat mich gebeten, Sie anzurufen, Biff“, sagte Toms Vorgesetzter.

„Was hat er auf dem Herzen?“

„Heute Nacht hat sich die Ross-Gang um zwei Mitglieder reduziert“, sagte Mr. Small. „Marty Barrimore und Emerson Surtees.“

Bei Barrimore horchte ich auf. Einer der beiden Ganoven, die an mich Freiwhisky bis zum Umfallen ausgeschenkt hatten, hatte Marty geheißen. Ich bildete mir sofort ein, dass es sich nur um diese beiden Typen handeln konnte.

„Was ist den Knaben denn zugestoßen?“, erkundigte ich mich.

„Beiden wurde zu Hause im Badezimmer mit dem eigenen Rasiermesser die Kehle durchgeschnitten.“

„Ist auch nicht gerade das Gesündeste. Ich denke vor allen daran, was passiert, wenn sich da der Tod dazuschlägt.“ Ich bin nicht rachsüchtig. Aber ich kann nicht behaupten, dass mich der Tod dieser beiden Bestien, die Brian Astor kaltblütig mit zehn Kugeln fertiggemacht hatten, traurig gestimmt hätte.

„Tom war bereits bei Barrimore. Jetzt ist er bei Surtees. Er meinte, wenn Sie Zeit hätten, sollten Sie ebenfalls hinkommen“, sagte Mr. Small.

„Gern. Wenn Sie mir die Adresse sagen, bin ich schon dort.“

Mr. Small nannte mir eine Straße in der Nähe der Lake Shore Plaza.

Fünf Minuten später saß ich in meinem Mustang. Nach einer Fahrt von zwanzig Minuten setzte ich meinen Wagen im Rückwärtsgang in eine Parklücke und ging den Rest des Weges zu Fuß.

Es war knapp vor neun, als ich in die Wohnung trat, an deren Tür ein Schild ankündigte, dass hier Emerson Surtees wohnte. Damit war’s ja nun wohl vorbei.

Tom Harris empfing mich mit einem steifen Lächeln. Er hatte viel um die Ohren und dunkle Ringe unter den Augen.

„Wenig geschlafen, wie?“, fragte ich ihn.

„Gar nicht“, gab er müde zurück. „Du kennst doch Mr. Small. Er denkt, wenn er sich einen Vierundzwanzig Stunden Arbeitstag leistet, kann er das von seinen Mitarbeitern ebenfalls verlangen.“

„Ich würde mich mal beim obersten Chef über ihn beschweren“, grinste ich.

„Denkst du, der wäre besser?", seufzte Tom Harris.

„Zwickmühle nennt man so was“, sagte ich.

In Surtees’ Wohnung traten sich die Polizisten gegenseitig auf die Beine. Es wimmelte von Polizeibeamten, die ihre Pflicht taten. Ich fragte mich ernstlich, ob es angesichts der vielen Männer angebracht war, von einem Polizistenmangel zu sprechen.

Tom und ich schafften es, ins Badezimmer vorzudringen. Der Anblick, der sich mir dort bot, ließ den Frühstückskaffee meine halbe Speiseröhre hochwandern.

Alles war voll Blut. Die Wanne, der gekachelte Boden, sogar die Wände. Ich erkannte den Gangster trotzdem sofort wieder.

„Sieht aus, als ob ein Kampf stattgefunden hätte“, meinte ich.

Tom nickte.

„Ich nehme an, bei Barrimore sieht es genauso aus“, sagte ich.

„Nicht genauso, aber ähnlich“, erwiderte Tom.

Zwei dürre, alte Männer stellten vor dem Bad ihren Blechkasten ab. Sie kamen herein und fragten einen der Polizisten, ob sie die Leiche schon fortschaffen dürften.

Der Beamte nickte. Tom stellte ihn mir nachher als den Leiter der Mordkommission vor.

Die beiden Alten nahmen den halb in der Wanne hängenden Körper auf und schleppten ihn nach draußen. Sie legten Surtees’ Leichnam neben den Metallsarg, schraubten den Deckel ab, legten den Toten hinein und schraubten den Deckel wieder mit geübtem Griff auf den Sarg.

Als sie die Last aufnahmen, ächzten sie und stakten dann mit steifen Knien davon.

„Wer hat ihn gefunden?“, erkundigte ich mich.

Tom zuckte die Achseln. „Anonymer Anruf.“

„Und bei Barrimore?“

„Dasselbe.“

„Irgendwelche Spuren?“, fragte ich. Tom schüttelte deprimiert den Kopf. „Überhaupt keine. Der Mörder ging mit der größten Sorgfalt vor. Er hat alles, was er berührt hat, nachher gründlich gesäubert. Muss sich um einen ausgekochten, eiskalten Kerl handeln.“

„Mr. Small erzählte mir, dass Barrimore und Surtees der Ross-Gang angehörten“, sagte ich.

Tom nickte. „Ja.“

„Woher weißt du das?“

„Der anonyme Anrufer sagte es.“

„War es ein Mann?“

„Ja. Ich denke schon. Ich hab’ mit ihm nicht gesprochen. Der Cop, der ihn an der Strippe hatte, sagte, er hätte nur geflüstert. War kaum zu verstehen.“

„Ein Asthmatiker vielleicht“, sagte ich achselzuckend.

Ich hatte genug gesehen. Wenn ich mein Frühstück weiter behalten wollte, war es angezeigt, die Kurve zu kratzen. Der Geruch des Blutes ging mir allmählich an die Nieren.

Ich bedankte mich bei Tom für die nette Einladung zur Gruselparty, verabschiedete mich von den Männern der Spurensicherung und vom Leiter der Mordkommission und hatte es dann sehr eilig.

Ich wollte endlich mehr über die Ross-Gang erfahren, und da war mir im genau richtigen Moment der richtige Name eingefallen: Lucky March, der Mann, dem ich vor ein paar Tagen das Leben gerettet hatte.

Ich musste ihn bis zum frühen Nachmittag suchen.

„Eine verlorene Stecknadel im Heuhaufen wiederzufinden ist bedeutend einfacher“, sagte ich ihm, als ich ihm dann bei einem Drink in einer schmierigen Kneipe gegenübersaß. Hier hatte nicht er die Kleidersorgen, sondern ich. Ich passte mit meinem Anzug hier herein wie die Faust aufs Auge. Ich hätte mich als maskiert bezeichnen können. „Was macht mein Whisky?“, fragte ich Lucky.

Er grinste. „Den gibt es nicht mehr.“ Ich erzählte ihm eine längere Story. Um seine Aufmerksamkeit wachzuhalten, spendierte ich ihm einen Drink nach dem anderen.

Als ich geendet hatte, war er an der Reihe. Und nach den ersten Worten wusste ich bereits, dass ich die Drinks gut angelegt hatte.

Es gab zur Zeit zwei große Gangsterbosse in der Stadt, die sich nicht riechen konnten: Bob Tyrrell und Montague Ross. Tyrrell hatte den Bankraub geplant und durchgeführt. Ross hatte ihm die Moneten abgejagt, und Tyrrell hatte in die Röhre geguckt.

„Natürlich ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, erzählte mir Lucky March weiter. „Man munkelt, dass Tyrrell schon wieder mit dem Säbel rasselt. Er will zu einem vernichtenden Gegenschlag ausholen. Er will die Ross-Gang ein für allemal zerschlagen.“

„Kann uns nur recht sein“, versetzte ich. „Wann soll das Ding denn steigen, Lucky?“

„Bald, Biff.“

Plötzlich hüpften meine Gedanken um einen Tag zurück. Ich sah mich Whisky bis zum Erbrechen trinken, sah die beiden Killer, wie sie sich um mich sorgten, und hörte plötzlich einen von ihnen etwas von einer Tankstelle sagen, zu der sie nachher fahren müssten. Seltsam, dass mir das im Gedächtnis haftengeblieben war, obwohl ich sternhagelvoll gewesen war. Musste wohl irgendeine Bewandtnis damit haben.

Ich erzählte Lucky davon.

Die Versuchsbohrung wurde fündig. Lucky March konnte sich plötzlich besinnen, dass Montague Ross eine Freundin namens Mei Chen hatte. Und Mei Chen besaß eine Tankstelle in der Sidway Street

„Angeblich soll da auch der Sitz der Gang sein“, sagte March achselzuckend. „Irgendwo unterirdisch, munkelt man. Genaueres wissen wohl nur die Leute von der Ross-Gang selbst.“

„Hast du Montague Ross schon mal gesehen, Lucky?“, erkundigte ich mich.

Zu meinem größten Erstaunen nickte der Bettler. „Ich stand mal neben einem Blinden am Michigan Drive. Plötzlich stieß er mich an und sagte: ,Sieh mal, da fährt Montague Ross mit seiner Freundin!'“

„Mei Chen?“, fragte ich schnell.

Lucky nickte.

„Könntest du Ross beschreiben, Lucky?“, fragte ich aufgeregt. Immerhin war ich nahe dran, zu erfahren, wie der nahezu unsichtbare Montague Ross aussah.

„Haben Sie ein Blatt Papier, Biff? Dann mache ich Ihnen eine Zeichnung von seiner Visage, nach der Sie ihn ganz sicher wiedererkennen. Hab’ mal als ganz junger Knochen zwei Jahre die Schulbank der Kunstakademie gedrückt. Dann fiel mein Vater im neunzehnten Stockwerk aus dem Fenster. Er war Fensterputzer und verdammt stolz darauf, ohne Sicherheitsgürtel zu arbeiten. Kam sich wohl vor wie ein Artist, der ohne Netz arbeitet. Was weiß ich.“

Ich hatte zwei große Reklamezettel von irgendeiner neuerrichteten Waschstraße in der Tasche. Man hatte sie mit dem Scheibenwischer an die Windschutzscheibe meines Mustang geklemmt.

„Da ist das Papier“, sagte ich. „Und hier ein Nylonschreiber. Jetzt zeig, was du in den zwei Jahren gelernt hast, Lucky.“

Er war tatsächlich ein verblüffend guter Zeichner. Man hätte ihm damals ein Stipendium geben sollen. Er wäre es wert gewesen. Das Gesicht, das Lucky aufs Papier kritzelte, nahm schon nach den ersten Strichen Leben an. Er vervollkommnete die Kritzelei so lange, bis sie beinahe einem Foto ähnlich war.

Mich sah ein Mann mit einem nichtssagenden Gesicht an. Er hatte eine runde Knollennase, die sich als unübersehbarer Blickfang zwischen den aufgedunsenen Wangen darbot.

„So sieht er aus“, sagte Lucky mit stolzgeschwellter Brust. „Genauso.“ Er blickte mich lächelnd an. „Wenn Sie ihm gegenüberstehen, werden Sie wissen, dass meine Zeichnung stimmt.“

Lucky machte noch eine Fleißaufgabe. Er zauberte das Konterfei der Chinesin mit flinken Strichen aufs Papier. Die Kleine gefiel mir. Ross schien keinen schlechten Geschmack zu haben.

Ich schob die zwei Zeichnungen dankend in die Tasche, drückte ein paar Scheine in Luckys Hand und versicherte ihm, dass er mir sehr geholfen hätte.

Als ich gehen wollte, hielt er mich am Ärmel zurück. „Geben Sie gut auf sich acht, Biff“, sagte er besorgt.

Ich blinzelte ihm zuversichtlich zu. „Mach’ ich, Lucky."

„Ross ist sehr gefährlich. Man sagt, wenn man ihn und eine rabenschwarze Nacht zusammensperrt, ist es ganz sicher die Nacht, die zuerst davonrennt.“

„Ich werd’s mir merken, Lucky“, erwiderte ich dankbar.

Dann verließ ich die Kneipe.

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