Читать книгу Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket - A. F. Morland - Страница 120

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Der Kerl hatte sich den dunkelgrauen Thunderbird von Montague Ross geliehen. Damit raste er davon, als wäre der Teufel hinter seiner schwarzen Seele her.

Charles Lenoire hatten wir im Strandhaus zurückgelassen. Er sollte die Männer vom Krankenwagen beschwichtigen und die Polizei verständigen.

Susan und ich starteten gleichzeitig. Wir warfen uns in den Mustang und nahmen den Fehdehandschuh des Chinesen tatendurstig auf.

Um die Sache etwas zu erleichtern, schaltete ich das Blaulicht ein und ließ die Sirene wimmern. Susan schnappte sich inzwischen das Sprechfunkgerät. Sie setzte sich mit der Streifenwagenzentrale in Verbindung, erzählte, was passiert war, und gab unsere Position durch.

Jetzt begann eine gnadenlose Jagd auf den Chinesen.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis wir ihn hatten.

Es wurde eine mörderische Verfolgungsjagd. Wir waren mitten in den Abendverkehr hineingeraten. Der Thunderbird fegte rücksichtslos zwischen den diszipliniert dahinrollenden Fahrzeugen hindurch, löste durch sein lebensgefährdendes Verhalten ein protestierendes Hupkonzert aus, scherte sich aber keinen Deut um die aufgebrachten Autofahrer.

Er streifte einen friedlich dahinzuckelnden Radfahrer und schleuderte ihn in die Auslage eines Metzgerladens, brauste über Gehsteige, jagte die Gegenfahrbahn entlang und entging einem tödlichen Frontalzusammenstoß zweimal nur dadurch, dass die ihm entgegenkommenden Lenker gerade noch im letzten Moment ihre Wagen verrissen und in den Straßengraben donnerten.

Ich hatte es trotz Sirene und Blaulicht ziemlich schwer, dem verrückten Kerl auf den Fersen zu bleiben. Ich dachte nicht im Traum daran, seinetwegen auch nur ein unschuldiges Menschenleben zu gefährden. Er würde sich das Genick auch ohne mich brechen, davon war ich überzeugt.

Plötzlich warf der Kerl das Steuer blitzschnell nach rechts herum. Susan krallte sich fest in die Polsterung, als ich dasselbe Manöver vollführte. Tapferes Mädchen, dachte ich. Sie sagte mit keiner Silbe, dass ich zu riskant fuhr, denn sie brannte genauso darauf wie ich, dem Chinesen endlich das Handwerk zu legen.

Irgendwie war ich trotz allem in einen Zwiespalt geraten. Da vorn flüchtete mein Lebensretter. Mir persönlich hatte er nur Gutes getan, und trotzdem musste ich ihn so lange jagen, bis er aufgab. Wahrscheinlich würden sie ihn nachher hinrichten, denn er hatte zwei Menschen kaltblütig erschossen. Wenn er Glück hatte, bekam er Lebenslänglich. Vielleicht gestand ihm das Gericht mildernde Umstände zu, weil er mich vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. Ich würde damit jedenfalls nicht hinter dem Berg halten. Das war ich dem großen Unbekannten schuldig.

Mein Mustang legte sich tief in die Federn. Er machte förmlich einen Hofknicks. Die Pneus jaulten entsetzt über meine ungewohnte Fahrweise. Das Hinterteil meines Wagens wollte sich einmal nach links, dann aber nach rechts absetzen, und ich musste viel von meinem Fahrkönnen aufbieten, um das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bringen.

Der Thunderbird schoss inzwischen die kleine Straße entlang. Nach hundert Metern zweigte er erneut ab. Er jagte genau auf die Zufahrt einer Mehlfabrik zu.

Schon hatte er das Gelände der Fabrik erreicht. Was hatte der Chinese vor? Dachte er, mich hier besser abhängen zu können?

Wir sausten im Höllentempo zwischen den Gebäuden durch. Eines der Gebäude umrundete er mehrmals, bevor er auf die vier Getreidesilos losraste, die am Rande des Geländes aufgestellt waren.

Dabei übersah er einen Sandhaufen.

Sein Wagen machte einen mächtigen Satz, hob mit den beiden rechten Rädern gleichzeitig ab und überschlug sich im selben Augenblick.

Der Thunderbird kreiselte auf dem lockeren Kies vorwärts und knallte gewaltig gegen einen Betonpfeiler der Getreidesilos.

Doch noch gab sich der Chinese nicht geschlagen. Er kroch aus dem auf dem Dach liegenden Wagen und zerrte eine riesige gelbe Reisetasche heraus. Damit begann er wankend zu laufen.

Ich bremste meinen Mustang scharf ab.

Schon war ich aus dem Wagen. „Halt!“, brüllte ich, dass mir die Adern am Hals weit heraustraten. „Halt!“

Der Chinese wandte sich um und feuerte auf uns. Susan, die neben mir stand, sprang blitzschnell in Deckung.

Ich riss wütend meine Waffe heraus und lief hinter dem Schießwütigen her. Er rannte auf eine steil nach oben führende Holztreppe zu.

„Gib der Zentrale unsere Position durch“, schrie ich Susan Tucker zu. Sie nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte, und lief geduckt zum Wagen zurück.

Der Chinese hatte die Treppe erreicht. Nun wandte er sich mit einem Ruck um. Er richtete den klobigen Schalldämpfer auf mich. Ich ließ mich fallen. Die Kugel pfiff nur wenige Millimeter an meinem Ohr vorbei. Es war keine Musik, die ich da gehört hatte.

Na, warte, Freundchen, dachte ich.

Ich riss die Waffe im Liegen hoch und zielte genau. Dann drückte ich ab. Der Knall flog mir von den kalten Wänden der Getreidesilos entgegen.

Drüben an der Treppe tat sich in diesem Augenblick einiges: Der Chinese war wie ein Holzklotz umgefallen. Er hatte sich verzweifelt ans Bein gefasst. Es war das rechte. Jenes, auf das ich gezielt hatte.

Nun kam er wieder hoch. Er ließ die schwere Reisetasche liegen, denn sie behinderte ihn zu sehr bei seiner Flucht.

Er hinkte die Holztreppe keuchend hinauf.

„Halt!“, schrie ich ihn an. Doch er hörte nicht auf mich. Er keuchte weiter. Bis er oben war. Und oben wirbelte er herum und jagte mir ein paar heiße Kugeln um die Ohren.

Ich zählte nach. Eigentlich konnte er keine Kugel mehr in der Trommel haben: für Ross und Mei Chen je eine Kugel, vorhin zwei und jetzt nochmals zwei. Die Trommel musste leer sein.

Außer er hatte nach dem Mord an Ross und Mei Chen nachgeladen.

Nun war guter Rat teuer. Ich wollte ihn von da oben herunterholen. Wenn ich aber hinaufkletterte, konnte er mich wie einen Spatzen abschießen. Mühelos. Die Freude wollte ich ihm natürlich nicht machen. Ein wenig außer Atem, blieb ich in meiner Deckung, in die ich gesprungen war, nachdem ich auf ihn gefeuert hatte. Die Zeit arbeitete eigentlich für mich, denn er hatte eine Verletzung am Bein, die sicher recht weh tat. Die Schmerzen würden ihn allmählich zermürben. Inzwischen müssten ja auch die Streifenwagen von überallher hier eintreffen. Ein Entkommen war für den Chinesen jetzt schon so gut wie ausgeschlossen. Es war Borniertheit, die ihn nicht

aufgeben ließ.

Susan lief mit schnellen Schritten vom Mustang zu mir herüber. Sie hatte eben den halben Weg zurückgelegt, da sah ich den Chinesen oben wieder auftauchen.

„Susan!“, kreischte ich entsetzt. „Paß auf!“

Meine Partnerin schlug blitzschnell einen Haken. Die ihr zugedachte Kugel riss ein hässliches Loch im Staub des Weges.

„Danke, Biff“, keuchte Susan außer Atem, als sie mich erreichte.

„Man sollte dir für deinen Leichtsinn den Hintern versohlen“, schnarrte ich.

„Das würde dir so passen“, zischte Susan zurück. Sie blickte vorsichtig nach oben. „Ich hab’ eine Idee, Biff.“

„Du meinst, wie wir Opas Gorilla vom Gleis fegen können?“

„Ja, Biff.“

„Lass hören, Partnerin.“

„Ich habe mir die vier Silos genauer angesehen. Auf der anderen Seite gibt es ebenfalls so eine Holztreppe wie diese da.“

„Kluges Kind“, grinste ich ärgerlich.

„Dann bin ich aber auf einem anderen Silo. Aber das macht dir ja nichts aus.“

„Nicht immer gleich mit dem Fenster ins Kreuz, Biff. Lass mich doch erst mal ausreden“, fauchte Susan zurück.

„Okay. Wir haben ja Zeit“, nickte ich sarkastisch.

„Wenn du nicht immer dazwischen plappern würdest, hätte ich schon lange gesagt, was ich sagen will. — Die vier Silos sind durch brückenartige Gebilde miteinander verbunden.“

Jetzt musste ich wieder einen Rückzieher loslassen. „Gute Idee, Mädchen“, sagte ich begeistert.

„Während du hochturnst, halte ich den Kerl hier in Schach und gebe dir nötigenfalls Feuerschutz.“

„Du bist ein Engel, Susan. Da schießt mir doch gleich das Wasser in die Augen.“

„Mach schnell, Biff.“

„Mach’ ich. Und halte die Lesemänner offen.“

„Okay. Und... Biff...“

„Ja?“

„Pass auf dich auf.“

Ich küsste sie auf den kirschroten Mund. Er war warm und trocken.

„Okay, Mädchen. Und wenn’s Höschen kneifen sollte, dann schreist du, ja?“

Ich gab ihr noch einen leichten Klaps auf die Wange, wandte mich dann um und lief die Front der riesigen Silos entlang.

Wenige Augenblicke später hatte ich die Holztreppe, von der Susan gesprochen hatte, erreicht.

Ich zuckte erschrocken zusammen, als ein Schuss peitschte. Den konnte nur Susan Tucker abgegeben haben. Die Detonationen ihres kleinen Knallers waren mir bestens bekannt.

Die Ungewissheit darüber, was passiert war, trieb mich zu allergrößter Eile an.

Ich hastete die steile Treppe hinauf. Mir kam vor, als würde sie geradewegs in den Himmel führen, so lang war sie.

Als ich endlich ihr Ende erreicht hatte, musste ich eine Verschnaufpause einlegen. Hatte der Chinese so lange gewartet, konnte er auch noch die eine Minute zugeben.

Ich überschritt den ersten Silo.

Vom Chinesen war kein Zipfel zu sehen.

Nun hatte ich den Rand des ersten Silos erreicht. Susan hatte recht, hier führte ein brückenartiges Gebilde zu Silo Nummer 2 hinüber. Es war ein schmaler Eisensteg. Die Männer, die ihn montiert hatten, hatten wohl nicht mehr genügend Zeit gefunden, auch ein Geländer zu befestigen.

Wie ein Seiltänzer im Zirkus tänzelte ich über den schmalen Steg. Unter mir gähnte eine gefräßige Tiefe, die mich gern mit Haut und Haaren verschlungen hätte.

Mit ein wenig Herzklopfen erreichte ich den zweiten Silo. Dann kam Nummer 3 — und dann war ich auf Nummer 4. Auf „unserem“ Silo. Auf dem, den ich mir mit dem Chinesen teilte.

Jetzt wurde die Sache heikel!

Wie Silo Nummer 1 trug auch Silo Nummer 4 einen kleinen hölzernen Aufbau. Ich war ganz sicher, dass der Chinese hinter diesem Aufbau hockte und sich das schmerzende Bein hielt.

Ich schlich auf Zehenspitzen vorwärts. Meine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Gleich musste es zur Entscheidung kommen. Wer würde siegen? Er oder ich? Wenn ich ehrlich bin, hoffte ich, dass er Pech haben würde und nicht ich.

Drei Meter trennten mich noch von dem hölzernen Aufbau. Es waren oberflächlich aneinandergenagelte Latten. Verwittert, leicht morsch. Zwischen den Latten waren dicke Ritzen. Je näher ich kam, desto besser konnte ich die geduckten Umrisse des Chinesen erkennen.

Ob er mich auch schon entdeckt hatte?

Ich beobachtete, wie er sich bewegte. Wie er vorsichtig zu Susan hinunterlugte. Jetzt kam sein Arm hinter dem Aufbau hervor. Er wollte wieder auf meine Partnerin feuern.

Ich machte fünf schnelle Schritte zur Seite. Nun hatten wir ihn in der Zange. Susan hatte ihn von unten im Schussfeld, wenn er zurückwich, und ich stand direkt in seinem Rücken.

„Waffe weg!“, schrie ich ihn an.

Er zuckte wie vom Blitz gerührt herum. Ich sah, wie er den Revolver hochriss. Meine Mittel waren begrenzt. Ich konnte mich fallen lassen und ihn kampfunfähig schießen.

Genau das machte ich.

Ich spürte einen harten Schlag gegen meine Rippen. Schon spuckte mein Revolver das Projektil nach ihm. Er riss entsetzt die Arme hoch, taumelte zurück und strauchelte. Dann stürzte er die ganze steile Treppe, sich unentwegt überschlagend, polternd hinunter.

Ich hetzte ihm nach.

Susan kam hinter ihrem Versteck hervor. Der Chinese hatte seine Waffe verloren. Sie lag irgendwo im Staub, für ihn unerreichbar.

Als ich keuchend unten angelangt war, fasste ich wütend nach seinem schwarzen Gewand. Ich riss ihn ächzend hoch und stellte ihn auf die Beine. Er war zäh wie Leder. Jeder andere hätte sich während des Gepolters auf der Treppe das Genick gebrochen. Er nicht. Er hielt sich bloß den rechten Arm, den ich mit einer Kugel lädiert hatte.

Plötzlich machte ich eine Entdeckung, die mich verblüffte: Sein wächsernes Gesicht war unbeweglich; Nur die Augen hatten Leben. Er trug eine Chinesenmaske.

Mir flimmerte es kurz vor den Augen. Ich gab der Aufregung die Schuld. Jetzt wollte ich wissen, wer sich hinter dieser Maske verbarg.

Meine Hand schnellte vor. Die Finger fühlten warmen Gummi. Ich riss daran ... und starrte bestürzt in das weiche Gesicht einer Frau.

Der „Chinese“ war eine Frau. Es war Mirja Stewart.

Ich ließ erstaunt Dampf ab. „Das nennt man eine gelungene Überraschung“, sagte ich außer mir und wiegte verständnislos den Kopf.

Mirja Stewart wankte. Sie schlug die Zähne hart aufeinander und bat, sich setzen zu dürfen.

Wir gestatteten es ihr.

„Ich denke, Sie haben uns jetzt eine Menge zu erzählen, Miss Stewart“, sagte ich fordernd.

Mirja nickte stumm. Um ihre Augen lag ein dunkler Schatten. Sie wusste, dass sie verspielt hatte, und hatte sich selbst aufgegeben.

Langsam hob sie den Kopf und blickte zuerst Susan und dann mir lange in die Augen. Mir war, als wollte sie mit diesem Blick um Verständnis bitten.

Dann sagte sie leise, immer wieder von längeren Pausen unterbrochen, während sie das Gesicht schmerzlich verzog: „Pete und ich gehörten zur Ross-Gang. Pete war erst siebzehn. Sie nahmen ihn mit, als sie losfuhren, um den Tyrrell-Männern die Beute abzunehmen. Pete bekam einen Bauchschuss ab. Ich bin sicher, er wäre noch zu retten gewesen, aber Mei Chen hat ihn mit einem Kopfschuss getötet. Sie hätte ihn von seinen Leiden befreit, wollte sie mir weismachen. Als ob sie seine Leiden gekümmert hätten. Sie wollte sich bloß die Unannehmlichkeiten ersparen, deshalb hat sie ihn kaltblütig ermordet. Als Mei Chen mir davon erzählte, beschloss ich, Petes Tod zu rächen. Von da an beobachtete ich unsere Leute. Ich wusste noch nicht, wie ich es anpacken sollte. Ich hatte noch keinen Plan. Ich wusste nur, dass ich keine Gnade kennen würde. So, wie sie keine Gnade bei Pete gekannt hatten."

Wieder ging ein Flimmerregen vor meinen Augen nieder. Ich wartete, bis es vorbei war. Dann fragte ich: „Sie haben mir das Leben gerettet, Mirja. Warum?“

Das blonde Mädchen zuckte die linke Achsel. Die rechte bewegte sie vorsichtshalber nicht, denn da steckte eine von meinen Kugeln drin.

„Ich habe Surtees und Barrimore beobachtet“, sagte sie mit gedämpfter Stimme. „Ich sah, wie sie Sie mit Whisky abfüllten und dann in den Wagen setzten. Ich dachte, warum sollte ein Unschuldiger sterben? Pete fiel mir ein. Er war auch unschuldig gestorben. Er hatte niemandem etwas getan. Ich warf mich in meinen Wagen und fing den Ihren damit auf.“

„Das war das reinste Bravourstück“, sagte ich.

Ihr Blick war bescheiden. „Ich machte mal ein Jahr bei einer Gruppe von den Hell Drivers mit. Da lernt man vieles.“

„Sie sprachen vorhin von einem Plan, Mirja“, schaltete sich Susan ein. „Was war das für ein Plan?“

„Ich beschloss, die Ross-Gang zu liquidieren. Einer nach dem anderen sollte sterben. Durch meine Hand.“

„Gehen etwa Surtees und Barrimore auch auf Ihr Konto?“, fragte ich erstaunt.

Mirja nickte stolz. „Ich habe ihnen mit ihrem eigenen Messer die Kehle durchgeschnitten. Sie hatten keinen besseren Tod verdient.“

„Teuflisch“, sagte ich erschüttert. Mirjas Hass schien keine Grenzen gekannt zu haben.

„Ich hatte von Ross den Befehl erhalten, die beiden zu töten“, sagte Mirja.

„Ich dachte, sie wären seine Leute gewesen.“

„Das schon. Aber es gelang mir, Ross einzureden, dass sie ein Komplott gegen ihn schmiedeten. Dass sie sich demnächst offen gegen ihn stellen wollten. Da sah der kleine Ross sofort rot. Er hatte plötzlich Angst um seine Position. Deshalb gab er mir den Auftrag, die beiden umzulegen. Wie ich es machte, überließ er mir. Ich suchte mir das passendste für diese Schweine aus.“

Die Augen des Mädchens glühten fanatisch. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn ich die steinernen Züge betrachtete. Sie bereute nicht. Im Gegenteil. Es schien ihr leid zu tun, dass sie nicht mehr Mitglieder der Ross-Gang hatte unter die Erde bringen können.

„Ich hätte zu Ende geführt, was ich mir vorgenommen hatte“, sagte Mirja gallbitter. „Ich hätte die ganze Bande ausgerottet. Montague Ross und Mei Chen wollte ich mir bis zuletzt aufheben. Doch da machte mir Tyrrell einen Strich durch die Rechnung. Ich erfuhr von einem seiner Leute, dass etwas Größeres gegen Ross steigen sollte. Ich befürchtete schon, Tyrrells Leuten könnte es gelingen, Ross zu töten. Damit hätten sie mich um mein schönstes Erlebnis gebracht. Ein Glück, dass Ross und seine chinesische Freundin entkommen konnten. Ich wusste, wohin sie flüchten würden. Ich hatte die beiden einmal belauscht und so erfahren, was sonst niemand in der Gang wusste: Wo das geraubte Geld untergebracht war. Da ich vom Safeknacken keine Ahnung

habe, wollte ich warten, bis Ross mich bediente. Ich war schon im Haus, als sie kamen. Ich hörte sie von den Bahamas reden, sah ihnen zu, wie sie die Reisetasche mit meinem Geld vollstopften ... Denn das sollte die Krönung meiner Rache sein: Montague Ross und Mei Chen sollten durch meine Hand sterben. Dann wollte ich das Geld nehmen, das Land für immer verlassen und irgendwo ein neues Leben beginnen.“ Mirja Stewarts Gesicht wurde ernst. „Da kamen Sie dazwischen. Ich hörte Ihren Wagen. Ich sah Sie auf das Haus zukommen...“

Mir fiel noch eine Frage ein. „Warum musste Brian Astor sterben?“

„Er war in der Bank angestellt...“

„Ich weiß“, nickte ich.

„Er hat der Tyrrell-Gang die Information zukommen lassen, wann der günstigste Tag für einen Raub wäre.“

„Und?“

„Ross erfuhr davon. Er bot Astor mehr, wenn er sich mit ihm zusammentun würde. Astor griff nach Ross' Angebot. Er verriet uns die Adresse, wo wir die Bankräuber nach dem Raub mit der Beute antreffen würden. Ross schickte seine Leute los... Den Rest kennen Sie ja.“

Ich begriff nicht ganz. „Moment“, sagte ich. „Da stimmt doch was nicht. Soviel mir bekannt ist, wurde Astor doch von Ross-Gangstern gekillt. Ross hatte aber gar keinen Grund, Astor umzulegen. Nur Tyrrell hätte allen Grund gehabt.“

Mirja lächelte matt „Tyrrell hatte natürlich einen triftigen Grund. Aber Sie irren sich, wenn Sie annehmen, Ross hätte keinen Grund gehabt. Astor war erstens ein unzuverlässiger Mann, der sich dem verkaufte, der mehr bot. Außerdem hatte Ross dem Bankbeamten zehn Prozent von der Beute versprochen. Die wollte er sich ersparen. Es kam ihn weit billiger, wenn er Astor über die Klinge springen ließ. Und sicherer war es außerdem, denn ein toter Astor konnte nicht mehr reden.“

Für einen Moment dachte ich, ich hätte etwas mit den Ohren. Es war ein leises Wimmern in ihnen, das mehr und mehr anschwoll. Als es laut genug geworden war, wusste ich, dass mit meinen Ohren alles in Ordnung war.

„Na endlich“, sagte ich, als ich den ersten Streifenwagen in das Fabrikgelände einschwenken sah. „Ihre Eskorte kommt“, sagte ich zu Mirja.

Sie lachte mir ins Gesicht. Ich hatte keine Ahnung, woher sie jetzt soviel Humor nahm.

„Sie können sie wieder nach Hause schicken, Mr. Calder“, sagte Mirja. „Was ich brauche, ist ein Leichenwagen. Er sollte ganz schlicht sein.“

„Ein Leichenwagen“, hüstelte ich. „Sie machen vielleicht makabre Scherze. Die beiden Kratzer werden Sie nicht umbringen.“

„Die nicht. Aber das hier“, lächelte sie.

Sie öffnete den Mund und zeigte eine kleine Glasphiole.

„Ich hab’ sie für alle Fälle bei mir gehabt. Als ich dort oben dann die Aussichtslosigkeit meiner Lage erkannte, nahm ich die Kapsel in den Mund. Man sagt, dass Zyankali blitzschnell wirkt.“

„Sind Sie wahnsinnig?", schrie ich. Ich stürzte mich in panischem Schrecken auf das Mädchen. „Geben Sie das Zeug her.“

Ich versuchte ihr den Mund aufzudrücken, doch sie hatte schon zugebissen.

Dann ging alles sehr schnell. Sie bäumte sich wild auf, stürzte hintenüber zu Boden, wand sich in kurzen Krämpfen, brüllte uns an, dass sie nicht bereute, was sie getan hatte, erschlaffte im nächsten Augenblick und war tot.

Ich starrte entsetzt auf das tote Mädchen. Wieder ging ein schwarzer Nieselregen vor meinen Augen nieder. Ich hörte Schritte heranlaufen und wandte mich um.

Es waren die Cops vom Streifenwagen. Als sie uns erreichten, wimmerten zwei weitere Polizeifahrzeuge heran.

„Alles okay?“, fragte der dickliche Bulle, der uns als erster erreicht hatte.

Ich blickte benommen auf das Mädchen zu meinen Füßen und nickte.

„Alles okay.“

Dann riss für mich der Film.

Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket

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